Die AOK Baden-Württemberg hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, mit dem Ziel, „die Debatte um eine Trennung von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) zu versachlichen“. Die Autoren halten die System-Zweiteilung für „nicht mehr zeitgemäß“ und plädieren für einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt .
Die Professoren Thorsten Kingreen und Jürgen Kühling von der Universität Regensburg empfehlen die Integration von GKV und PKV in eine „monistische Einwohnerversicherung“. Diese sei ausschließlich an den Wohnsitz und nicht mehr an das Einkommen gebunden.
„Prämie darf nicht vom Alter oder der Gesundheit abhängig sein“
„In einem solchen System kann sich der Versicherte seinen Krankenversicherungsanbieter vollkommen frei aussuchen und kann diesen Anbieter auch regelmäßig wechseln. Sämtliche Krankenversicherer sind verpflichtet, alle Personen zu versichern“, erklärt Kingreen. Die Prämie dürfe dabei nicht vom Alter oder Gesundheitszustand abhängig gemacht werden.
Krankenversicherungsmarkt: Wettbewerb statt Einheitskasse
„Damit würde ein dezidiert wettbewerbliches System entstehen; genau das Gegenteil der vielfach beschworenen Einheitskasse“, ergänzt Mitautor Kühling.
Um auch den bisherigen PKV-Unternehmen die Teilnahme an einem Wettbewerb mit einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu ermöglichen, müsse Kingreen zufolge eine private Rechtsform für die Versicherungsanbieter gewählt werden.
„Die Organisation in sogenannten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist besonders empfehlenswert, denn dadurch kann einerseits an eine in der PKV weit verbreitete Rechtsform angeknüpft werden und andererseits auch der traditionelle Selbstverwaltungspfad der GKV beibehalten werden“, so der Wissenschaftler.
Gutachten: Derzeitiger Systemwettbewerb setzt viele Fehlanreize
„Der derzeitige Systemwettbewerb am Krankenversicherungsmarkt setzt vielseitige Fehlanreize: So konzentriert sich etwa der Wettbewerb auf junge, gesunde Gutverdiener, nicht aber auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung Kranker. Zudem führen die unterschiedlichen Vergütungssätze zu falschen Anreizen für Leistungserbringer“, so Kingreen weiter.
„Derzeit herrscht eine eher unsachliche und stark ideologisch geprägte Debatte über die Chancen und Risiken eines einheitlichen Versicherungsmarktes. Das Gutachten soll zur Versachlichung der Diskussion beitragen, denn letztlich entscheidet die Zukunftstauglichkeit und Realisierbarkeit eines jeden Vorschlags über dessen Güte“, erklärt Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg.
Autoren haben keine verfassungs- und europarechtlichen Bedenken
Vor dem Hintergrund, dass gegen die monistische Einwohnerversicherung laut Gutachten „keine verfassungs- und europarechtlichen Bedenken“ bestehen, betont Hermann: „Die Politik ist aufgefordert, die Zeichen der Zeit richtig zu interpretieren und endlich zu handeln. Ein gemeinsamer Krankenversicherungsmarkt ist überfällig und nun nachweislich auch rechtlich möglich.“ (lk)
Foto: AOK Baden-Württemberg