EXKLUSIV

Arete Ethik Invest: „Es ist, als ob man einem Elefanten das Tanzen beibringt“

Oliver Fischer und Gunter Schäfer, beide Arete Ethik Invest
Fotos: Arete Ethik Invest
Oliver Fischer (links) und Gunter Schäfer, beide Arete Ethik Invest

Arete Ethik Invest ist eine unabhängige Fondsboutique mit Sitz in Zürich und gilt als Pionier für ethische Investments im DACH-Raum. Wir sprachen mit Oliver Fischer, Verwaltungsratspräsident, und Gunter Schäfer, Chief Sales, Communication und Marketing Officer, über die Perspektiven des Segments, die Investmentphilosophie bei Arete und die Produktpalette. (Teil 1 des Interviews)

ESG-Investments hatten im letzten Jahr und auch in 2023 einen schweren Stand im Vertrieb. Inwieweit waren davon auch ethische Investments betroffen?
Schäfer: Auch ethische Investments konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Wir hatten wie andere Anbieter der Gattung „nachhaltige Geldanlagen“ auch aus politischen Gründen einen schweren
Stand, bzw. sind unter regulatorischen Aspekten einfach in „Verruf“ geraten, weil es eine gewisse Verwässerung, Verunsicherung und Verärgerung seitens Anleger und Wiederverkäufer gegeben hat:
„Atomkraft ist nachhaltig“ aber „Ölheizung muss aus dem Keller raus“. Artikel 6, 8 oder 9, Ängste seitens Berater einer Falschberatung oder des Greenwashings bezichtigt zu werden, eine klassische Überregulierung einer grundsätzlich guten Idee, die das Pariser Klimaschutzabkommen beflügeln sollte. Mittlerweile diskutieren wir darüber, ob Waffen nachhaltig sind. Was für eine Entwicklung. Schwierig
für die neue geschaffene Marke Arete Ethik Invest und das neue Set-Up war auch das Ausnahmejahr 2022. Wenn man einen Blick zurückwirft in die zweite Jahreshälfte 2021, in der der Management-Buy-out bei Arete Ethik Invest vollzogen wurde, sprich, die Mitarbeitenden von Hauck & Aufhäuser Schweiz die Prime Values Fonds und die Vermögensverwaltung für Aktien- und Mischmandate in die eigenen
Hände übernommen haben, war dies nicht der günstigste Zeitpunkt. Denn dieses Kriegsjahr als Folgejahr, in dem praktisch alles das gut lief, was ernstzunehmende Ethikfonds nicht investieren dürfen, beendete die teils überhitzte Trendralley der Ethik-, Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsfonds sehr abrupt, Image und Nachfrage brachen ein. Das heißt, on top zur ohnehin schon kritischen Stimmung kam dann
noch, dass die Performance einen teils heftigen Drawdown zeigte. Roland Kölsch vom FNG nennt dies passend ausgedrückt „Den Kater nach der Party“. Der Trend der Nachhaltigkeit somit angekratzt, das
Thema als solches abgekühlt. Und auch die Köpfe der Investmentgemeinde ausgestattet mit einen völlig veränderten Mindset. Nehmen wir die Sicht und Beurteilung von Rüstung, Militär und Waffen. Viele derer, die 2021 noch riefen „Bitte keine Waffen im Depot“ schreien heute, dass Waffen der Verteidigung dienen und somit doch auch als nachhaltig anzusehen sind. Das hat letztendlich dazu geführt, dass wir
jetzt mehr bzw. andere Hausaufgaben zu machen haben. Wir müssen die Menschen durch überzeugende und nicht dogmatische Themen des Menschseins wieder zurückgewinnen, um wieder Interesse zu schüren, Sinne zu sensibilisieren und Notwendigkeit aufzuzeigen und
Überzeugungsarbeit zu leisten.

Fischer: Ausschlaggebend war in der Tat das 2022, als das Thema Nachhaltigkeit aus Performancesicht überproportional gelitten hat und schlussendlich nur drei Bereiche gelaufen sind: Das waren Waffen, das war Öl, das war Tabak – alles Bereiche, die im Nachhaltigkeitsbereich nicht investierbar sind. Teilweise musste man sich gegenüber potenziellen Kunden sogar rechtfertigen, warum man nicht in Waffen investiert.

Ich vermute, die Politik hat das Thema zusätzlich behindert.

Schäfer: Es wurde zu wenig erklärt und es wurden zu enge Fristen gesetzt – Stichwort Heizungsgesetz – um die Menschen mitzunehmen und ein Verständnis für die Notwendigkeit des Handels zu erzeugen.
Wir hatten einfach einen Cocktail, der unserem Thema nicht zuträglich war. Aber jetzt haben wir einen neuen Cocktail, der ist mittel- bislangfristig unserem Thema sehr zuträglich. Denn wir haben in Ame-
rika einen neuen US-Präsidenten, für den und seine Mitstreiter wie auch den AfD-freundlichen Elon Musk Ethik scheinbar keine Bedeutung zu haben scheint, wir haben in Deutschland eine zerschossene
Ampel, was für reichlich Verunsicherung sorgt, und wir haben einen FDP-Vorsitzenden, der sich über LinkedIn wie in einer Soapopera echauffiert. Wir sehen eine generelle Verrohung in der Gesellschaft.
All das kann unser Thema wieder zurückholen, weil vernünftigeMenschen doch grundsätzlich nach Harmonie streben und niemand Lust hat, von Elon Musk oder Donald Trump, die jetzt auch noch Mark
Zuckerberg für ihre Zwecke zu gewinnen scheinen, dominiert zu werden. Deshalb werden wir bei den Menschen wieder punkten, die keinen Trend am Kapitalmarkt kaufen wollen, sondern einen Inhalt,
und die nicht wollen, dass die Aktie zum Spielball des Kapitalmarktes wird. Menschen, die sich kritische Gedanken und auch durchaus Sorgen machen, die Einfluss nehmen wollen. Das wird aus meiner
Sicht hoffentlich in der zweiten Jahreshälfte 2025 und Anfang 2026
soweit sein.

Fischer: Wir haben enorme globale Herausforderungen, die über kurz oder lang adressiert werden müssen. Dabei geht es nicht nur um das Thema Ökologie, sondern zunehmend auch um soziale Aspekte. Zurauch: Es nützt nichts, noch so nachhaltig oder ethisch ausgerichtet zu sein, wenn die Performance nicht stimmt. Auch wir müssen hier liefern, um die Investoren für uns zu gewin-
nen. Besser ist es natürlich, die Menschen gewinnen, ihnen deutlich zu machen, warum es wichtig ist, Verantwortung bei der Geldanlage zu übernehmen. Wir wollen uns aber nicht hinter der Ethik verstecken, sondern vielmehr eine marktkonforme Rendite erwirtschaften, um noch mehr Menschen zu erreichen. Also im Klartext: Trotz strenger Ethik passable Ergebnisse generieren! Das ist auch unser Anspruch, den wir seit August 2021 auch ganz gut umsetzen können. Auf Fondsmanagementebene wurden vor drei Jahren Anpassungen vorgenommen. Unter anderem wurden die Portfolios deutlich konzentrierter ausgerichtet und die Reaktionszeit durch die stärkere Berücksichtigung der Chartanalyse deutlich erhöht. Somit wurde die historisch verbesserungswürdige Performance «neutrali-
siert», was man der Fondsentwicklung auch ansieht.

Schäfer: Wenn man sich die Ergebnisse über das Jahr 2024 anschaut, können wir mit den Fonds
grundsätzlich zufrieden sein, weil sie das, wofür sie quasi aufgelegt sind, also der Prime Values Income
mit bis 30 Prozent Aktien fünf Prozent Performance und der Prime Values Growth mit bis zu 80 Pro- zent Aktien ein Plus von acht Prozent im Jahreshoch erzielt haben – nach Kosten. Leider schwächelte die Performance in der zweiten Dezemberhälfte kurz vor Jahresultimo und wir sind entsprechend leichter aus dem Jahr gegangen als erhofft.

Aufgrund fehlender Standards und oft auch Daten, ist ESG-konformes Investieren zuweilen eine echte Herausforderung. Wie stellt sich die Situation bei ethischen Investments dar?
Fischer: Auch wir nutzen ESG-Daten, die wir als Ausgangsbasis für weitere Analysen verwenden. Das Ethik-Research wird von uns bzw. unseren Ethik-Analysten selbst vorgenommen. Hierzu haben wir einen
umfassenden Prozess entwickelt, bei dem unser Ethik-Research unter Einbindung des Ethik-Komitees insgesamt 200 Indikatoren analysiert und beurteilt. Beim Thema ESG bin ich ohnehin eher skeptisch eingestellt, da es diverse Kritikpunkte gibt. Es gibt beispielsweise kein einheitliches Verständnis des Begriffs Nachhaltigkeit und dementsprechend ergeben sich auch unterschiedliche ESG-Ratings der entsprechenden Agenturen. Im Grunde misst ESG den Abfallberg, den ein Unternehmen produziert. Unser Ethik Research schaut dagegen hinter die Kulissen und versucht, zu analysieren, weshalb es überhaupt zum Abfallberg kommt und wie das Geschäftsmodell in dieser Hinsicht konzipiert ist. Reine ESG-Kriterien zu verwenden, sagt unserer Auffassung nach viel zu wenig über das Stakeholderkonzept, die Unternehmenskultur oder die Geschäftsprinzipien aus.

Schäfer: Gegenwärtig nutzen wir in der Kommunikation das Thema Mikroplastik. Auch dort ist die Da-
tenlage noch sehr dünn. Diese Tatsache wird dann aber auch von uns nicht irgendwie übertüncht, sondern wir gehen mit den Unternehmen in den Austausch und wollen erreichen, dass das Datenfeld Mikroplastik in den nächsten zwei, drei Jahren intensiver befüllt wird. Wenn wir dann solche Big Caps wie Colgate Palmolive oder Beiersdorf sehen, die sich hier nachprüfbar in die richtige Richtung bewegen, dann belohnen wir das. Aber das heißt noch lange nicht, dass das ein Grund ist, zu applaudieren und „Hurra“ zu schreien. Aber Colgate-Palmolive gehört zu den Innovatoren hin-
sichtlich der Vermeidung von Plastik im Konsumgüterbereich und war auch das erste Unternehmen, dass rezyklierbare Zahnpastatuben entwickelte. Wenn ein Unternehmen mit einem riesigen globalen
Absatz von Verpackungsmaterial so einen Schritt geht, so zeigt dies tatsächlich mehr Wirkung, als wenn ich in ein so oder so schon dunkelgrünes Nebenwerteunternehmen investiere. Dito Beiersdorf, die
wie in ihrer Umweltrichtlinie verbindlich festgehalten, 50% weniger und 30% rezykliertes Plastik in Verpackungen bis 2025 erreichen wollen. Es ist eine mühsame Arbeit und man kommt nur in sehr klei-
nen Schritten voran. Aber es ist in unseren Augen ein Weg, der sich lohnt. Unsere Analystin Dr. Marlene Waske hat es einmal sehr schön formuliert als sie sagte: „Es fühlt sich manchmal so an, als ob man
einem Elefanten das Tanzen beibringt“.

Wie gehen Sie überhaupt bei der Auswahl eines Unternehmens vor?
Fischer: Am Anfang steht die Finanzanalyse, bei der wie üblich, die Identifizierung von interessanten und gut performenden Unternehmen im Vordergrund steht. Unsere Portfoliomanager analysieren weltweit interessante Themen, Titel und Emittenten. Dabei spielen u.a. Bewertungen, das Momentum und das Geschäftsmodell eine Rolle. Anschließend wird der Titel dem Ethik-Inhouse-Research vorgestellt, dass das Unternehmen oder den Emittenten aus ethischer Sicht hinsichtlich
Ausschluss- und Positivkriterien beleuchtet und eine umfangreiche Ethik-Analyse erstellt. Diese Ethik-Analyse ist dann auch die Grundlage für das Ethik-Komitee welches auf monatlicher Basis zusammen-
kommt und eine autarke Bewertung aus ethischer Sicht vornimmt. Sollte das Unternehmen dann seitens des unabhängigen Ethik-Komitees in deren Sitzung grünes Licht erhalten, wird dem Portfolioma-
nagement signalisiert: „Du darfst investieren.“ Um beispielsweise Momentum gut zu nutzen, kann das Portfoliomanagement aber auch bereits nach erfolgter Prüfung durch das Ethik-Research investieren.
Allerdings muss der Titel in der nächsten Ethik-Komitee Sitzung auf den Tisch und von dem unabhängigen Gremium beurteilt werden. Sollte es dann zu einer anderweitigen Einschätzung seitens des Ethik-Komitees kommen, muss der Titel selbstverständlich wieder verkauft werden. Die monatlichen Ethik-Komitee-Sitzungen sind übrigens öffentlich. Jeder unserer Kunden und die, die es werden wollen, haben also die Möglichkeit, bei den Sitzungen dabei zu sein um sich so selbst ein Bild machen zu können, wie das Thema Ethik im Hause Arete seit mittlerweile 30 Jahren umgesetzt und gelebt wird

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments