Der Kampf gegen den Klimawandel und die Umsetzung von Strategien für eine nachhaltige Gesellschaft und Wirtschaft sind – so scheint es – ein Mammutprojekt. Dabei ließe sich an vielen kleinen Stellschrauben drehen, um das große Ganze nach vorn zu bringen – wenn der politische Rahmen stimmt.
Vor wenigen Wochen überraschte der Ende Januar aus dem Amt geschiedene Chef der Bank of England, Mark Carney. Er forderte die Finanzwelt zu größerer Transparenz bei ihrer Klimabilanz auf. Rentenfonds beispielsweise müssten ihren Anlegern Rechenschaft darüber abgeben, wie sich Investitionen in Rohstoffe wie Öl und Gas auf das Klima auswirken, sagte der Notenbank-Chef einem Reporter beim Radiosender BBC. „Es ist wichtig, dass du und ich verstehen können, wie unser Geld investiert wird.“
Schaue man sich die derzeitigen Pläne der großen Rentenfonds an, werde das Ziel der Pariser Klimakonferenz von einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau bei Weitem verfehlt, so Carney. Investitionen in fossile Brennstoffe seien zwar zurückgegangen, aber viel zu langsam. Eine ungewöhnliche Meinung. Schließlich war beziehungsweise ist Großbritannien nicht gerade als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und ESG bekannt, wohl aber als glühender Verfechter von freier Marktwirtschaft und der Kräfte der Kapitalmärkte.
Auf beides wird es indes in Zukunft ankommen, wollen Europa und die Welt die Klimawende noch schaffen. Umso bedauerlicher ist es, dass vermutlich Großbritannien in diesem Jahr die EU verlassen wird. Denn gerade der Finanzindustrie wird eine große Gestaltungsmacht unterstellt. In der Tat kann sie dafür sorgen, das die investierten Gelder in die richtigen, sprich ESG-konformen Investitionsvorhaben fließen und so den notwendigen Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität maßgeblich voranzubringen.
„Gesellschaftlich deutlich weiter als die EU“
Das ist umso wichtiger, als auch der jüngste Klimagipfel in Madrid nichts Substanzielles zutage gefördert hat. Darüber hinaus ruhen viele Hoffnungen jetzt auf dem Aktionsplan, mit dem die EU-Kommission ab diesem Jahr die politischen Weichen in Europas Finanzindustrie auf Grün stellen will und damit drei wesentliche Ziele verfolgt. Angestrebt wird, Kapitalflüsse auf den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft auszurichten. Nachhaltigkeit soll stärker in das Risikomanagement integriert und darüber hinaus die Transparenz nachhaltiger Finanzprodukte gefördert werden.
Der Plan sieht hierfür die Umsetzung von insgesamt zehn Maßnahmen vor, die allesamt bis zum zweiten Quartal 2019 auf den Weg zu bringen sind. Mit ihren Vorschlägen zur schrittweisen Einführung eines einheitlichen Klassifizierungssystems (Taxonomie) für Nachhaltigkeit und der Bestimmung der Nachhaltigkeitspflichten von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern hat die EU-Kommission nun mit der konkreten Ausgestaltung begonnen.
„Die mögliche Einflussnahme der Politik auf gewisse unternehmerische Freiheiten sehe ich grundsätzlich kritisch. In vielen Fällen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben, führte das eher zu mehr Bürokratie und nicht zu besserem Verbraucherschutz oder besserer Kundenberatung“, kommentiert Jan Roß, Bereichsvorstand Makler bei der Zurich Gruppe, den Plan der Kommission. Und Jan Sachau, Partner und Chef von ecoplanfinanz aus Hamburg, sekundiert: „Ich habe das Gefühl, dass wir gesellschaftlich deutlich weiter sind als die EU. Die Menschen gehen bereits für die ESG-Themen auf die Straße. Ein Aktionsplan der EU hätte schon vor zehn Jahren passieren müssen und nicht erst jetzt. Zu kritisieren ist sicherlich auch die Praxisferne eines solchen Maßnahmenkatalogs.“
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