In zehn bis fünfzehn Jahren wird die Branche kaum wiederzuerkennen sein. Welche Änderungen und Herausforderungen auf die einzelnen Geschäftsbereiche jetzt zukommen.
Gastbeitrag von Dr. Holger Rommel, Adcubum AG und Vincent Wolff-Marting, Versicherungsforen Leipzig
Schon lange wird in der Versicherungsbranche über die Digitalisierung ausführlich diskutiert. Doch während dieser fortschreitende Prozess, der auch Industrie 4.0 genannt wird, andere Branchen schon spürbar verändert hat, blieb in der Assekuranz bislang fast alles beim Alten.
Zwar schießen so genannte Insurtechs wie Pilze aus dem Boden und erfinden die Branche technologisch neu. Da die meisten von ihnen sich jedoch nur auf Teillösungen für das Geschäftsmodell Versicherung konzentrieren, sehen etablierte Anbieter in ihnen inzwischen eher Kooperationspartner, von denen man Leistungen zukauft, statt echte Konkurrenten.
Einige Insurtechs bieten seit kurzem nun aber auch selber Versicherungen an und werden so doch zu Wettbewerbern. Sie machen ihre Produkte von vorherein onlinefähig und haben damit deutliche Kostenvorteile. Dass dies den Druck auf etablierte Anbieter weiter erhöht, ist klar.
Gänzlich neue Geschäftsmodelle
Der Weg zum digitalen Versicherer wird der Versicherungsbranche einschneidende Veränderungen abverlangen. Das zeigt die aktuelle Studie „Assekuranz 4.0 – Versicherungen im digitalen Dreieck“, die der Softwarehersteller Adcubum zusammen mit den Versicherungsforen Leipzig ausgearbeitet hat.
Die Studie stützt sich auf die Analyse relevanter Zukunftstrends, aktuelle technologische Best Practices sowie auf die Befragung von Versicherungsvorständen und Experten für die digitale Transformation hin zur Assekuranz 4.0.
Durch die Digitalisierung werden auf längere Sicht gänzlich neue Geschäftsmodelle entstehen. Betroffen von Veränderungen sind alle großen Geschäftsbereiche eines Versicherers, also Produktentwicklung, Vertrieb, Schaden- und Leistungsmanagement sowie Betriebs- und Kundenservice.
Mehr individualisierte Versicherungsprodukte
Hier werden sämtliche Prozesse künftig stärker datenbasiert, aber auch automatisiert ablaufen. Erste Anwendungsbeispiele sind bereits Realität und deuten an, worauf sich Versicherer, Kunden, Vertriebspartner und die eigenen Mitarbeiter künftig einstellen müssen.
Derzeit ist die Entwicklung von Versicherungsprodukten ein langwieriger, analoger Prozess. Das Ergebnis sind in der Regel Standardtarife mit wenigen Ausprägungen. Schon in naher Zukunft wird es jedoch mehr individualisierbare Produkte geben.
Der Versicherer stellt dafür möglichst kleinteilige Module zur Verfügung, die sich der Kunde für den individuellen Bedarf zusammenstellen kann. In fernerer Zukunft wird es dann keine Module mehr geben, sondern kontinuierliche Risikomengen, aus denen das System unendlich viele Produktvarianten herstellen kann.
Versicherungsschutz gemäß dem Lebensrisiko
Die für den Kunden passende Variante wird dann ad hoc zusammengestellt und mit einem konkreten Preis versehen. Denkbar sind auch Produkte, die das individuelle Verhalten absichern.
Die dazu erforderlichen Daten werden zum Beispiel mit Hilfe von Sensoren erhoben, die man mit sich führt oder die mit dem versicherten Objekt verbunden sind.
Der Versicherungsschutz basiert dann auf dem persönlichen Lebensrisiko. Erste kleinere Ansätze in dieser Richtung existieren bislang in Form von Telematik-Tarifen in der Kfz-Versicherung und so genannten Pay-as-you-live-Modellen.
Seite zwei: Mehrheit würde Versicherung online abschließen