Können Maschinen denken? Diese Frage stellte sich Alan Turing bereits 1950. Der Logiker, Mathematiker und Kryptoanalytiker in Personalunion gilt als der Vater der künstlichen Intelligenz. Turing war der Erste, der behauptete, dass Computer irgendwann wie Intelligence“, der als KI-Manifest in die Geschichte einging, sagte er voraus, dass Computer um das Jahr 2000 in der Lage sein würden, Fragen ähnlich wie Menschen zu beantworten – wenn ein Mensch diese stellt.
Dass Fahrzeuge autonom fahren können, Roboter im Krankenhaus operieren und Deep-Learning-Fähigkeiten Rechnern dazu verhelfen, Informationsverarbeitungsmuster des menschlichen Gehirns zu erlernen und nachzuahmen, hätte sich auch Turing nicht träumen lassen. Daher verwundert kaum, dass künstliche Intelligenz auch in der Vermögensverwaltung zunehmend Einzug hält.
In der Umfrage „AI Integration in Investment Management 2024“ der Beratungsfirma Mercer berichten neun von zehn Managern über den aktuellen oder geplanten Einsatz von KI in ihren Anlageprozessen. „Die Frage ist also nicht mehr, ob, sondern wie die Manager KI-Funktionen einsetzen“, folgern die Autoren. Das am häufigsten genannte Hindernis für die Ausschöpfung des vollen Potenzials der Technologie ist die Datenqualität und -verfügbarkeit, gefolgt von Bedenken hinsichtlich Integration und Kompatibilität sowie ethischen und rechtlichen Erwägungen. Knapp die Hälfte der befragten Investmentmanager betrachtet die Regulierungsrisiken als „erheblich“.
Im Wilden Westen der KI-Fonds
„Wo KI draufsteht, sollte auch KI drin sein“, mahnt auch Marvin Labod, Portfoliomanager Alternative Solutions bei Lupus alpha. Mitunter stecke hinter einem Fonds, der KI im Namen trägt, lediglich eine quantitative Strategie. Gerade im Privatkundenbereich dürfte KI das nächste Label sein, mit dem Marketing betrieben wird, blickt der quantitative Analyst voraus, „bald könne der Begriff „KI-Washing“ in der Anlegerpresse auftauchen. Mehr noch: „Ein Asset-Manager weiß im Zweifel selbst gar nicht mehr, was genau die KI in seinem Fonds tut.“ Dem Kunden werde eine Blackbox verkauft. „Wir befinden uns quasi noch im Wilden Westen der KI-Fonds“, resümiert Labod.
„KI ist wie ein hoch motivierter, aber unzuverlässiger und schlampiger Mitarbeiter, dem man ständig auf die Finger schauen muss“, ergänzt Sandra Wachter, die am Oxford Internet Institute in den Bereichen Datenethik, künstliche Intelligenz, Robotik, Algorithmen und Regulierung forscht. Andere Experten geben zu bedenken, dass KI-Analysen immer auf vergangenen Daten basieren. Dabei gilt gerade an der Börse, dass die vergangene Performance kein zuverlässiger Indikator der Zukunft ist.
Die meisten Asset Manager halten das Thema künstliche Intelligenz in der Geldanlage dennoch für aussichtsreich, auch wenn ein flächendeckender Einsatz oft noch in weiter Ferne ist. Schaut man sich allerdings die Produkte an, die aktuell mit dem Schlagwort KI beworben werden, sieht man beim Blick hinter die Kulissen eher gewöhnliche Algorithmen, die nun mit hippem Buzzword vermarktet werden. Die Analysegesellschaft Scope hat eine ganze Reihe von Fonds untersucht, die vermeintlich auf KI setzen. „Wir haben 17 Fonds mit KI-Bezug identifiziert. Zum einen natürlich Fonds mit KI-Themenansatz. Das heißt, das sind nicht zwangsläufig Fonds, die einen KI-gestützten Investmentprozess nutzen, sondern eher Fonds, die in das Thema KI investieren“, sagt Barbara Claus, Head of Mutual Funds Mutual Funds Analysis bei Scope und ergänzt: „Dann gab es unter diesen Themenfonds einen, der einen Teil des Anlageprozesses KI-basiert nutzt, indem das Anlageuniversum mit Hilfe von KI-Textanalysen zusammengestellt wird. Das heißt, es werden KI-Schlagworte definiert, durch KI-Einsatz wird dann nach Unternehmen gesucht, die damit in Verbindung gebracht werden. Ohne KI wäre der Fondsmanager selbst hergegangen und hätte nach Unternehmen mit KI-Themenbezug gesucht. Darüber hinaus gab es in der Auswertung noch KI-Fonds, die rein KI-basierte Anlageprozesse verwenden.“ Gespannt darf man dem Zeitpunkt entgegenblicken, zu dem sich ein flächendeckender Einsatz abzeichnet.
Deutlich weiter sind bereits die Experten von LAIC, dem KI-Spezialisten des Vermögensverwalters LAIQON AG aus Hamburg so. Wichtig sei eine klare begriffliche Abgrenzung, um Missverständnisse zu vermeiden. „Wenn wir über KI sprechen, sprechen wir immer über Deep KI, also zumindest neuronale Netze. Dort herrscht ein tiefes Verständnis für KI-Anwendungen, und ganz wichtig ist immer, wir sprechen über partielle versus ganzheitliche Anwendungen. Wenn Sie die gesamte Stärke von KI nutzen wollen, dann müssen Sie diese ganzheitlich anwenden, das heißt, mit möglichst vielen Daten, mit möglichst vielen Assets und mit möglichst vielen Themen, die Sie untersuchen wollen“, sagt Christian Sievers, Geschäftsführer bei LAIC, und ergänzt: „Wir nutzen KI bzw. qualitative Algorithmen vom gesamten Investmentprozess bis hin zur finalen Anlageentscheidung. Nur dann erhalte ich ein systematisches Alpha. Das ist enorm wichtig. Schließlich schaffen es 97 Prozent der aktiven Fondsmanager nicht, nach herkömmlichen Methoden Alpha zu erzielen. Hier liegt eine große Chance für die KI.“
Das Hamburger Fondshaus hat mit dem LAIC ADVISOR eine eigene künstliche Intelligenz entwickelt. Basierend auf einem komplexen Algorithmus errechnet der Robo Advisor der nächsten Generation täglich die optimale Zusammensetzung die Anlagelösungen der früheren Lloyd Fonds AG. Für den LF – AI Impact Equity US analysiert das System 800 Millionen Datenpunkte. Zu den Daten gehören harte Fakten, wie makroökonomische Kennzahlen, Bilanz- und Bewertungsdaten der Unternehmen oder Insider-Transaktionen.
Und auch der Frankfurter Vermögensverwalter ACATIS setzt KI bereits zur Steuerung von Fonds ein. „Auch ein menschlicher Fondsmanager ist nicht allwissend, sondern jeder hat sein Spezialgebiet. Ähnlich haben wir unser Modell aufgesetzt. Wir betrachten jede Branche separat. Das Modell lernt immer in jeder Branche, spezifische Muster zu finden, erläutert Kevin Endler, Head of Quantitative Fund Management bei ACATIS Investment. Anschließend lege man immer zwei Firmen nebeneinander. Beispielsweise lasse man im IT-Sektor eine Intel gegen eine Nvidia antreten, und dann schaue sich das Modell die Zeitreihen an und müsse Fragen für 6 bis 12 Monate beantworten wie: In welche Firma willst du lieber investieren? „Das KI-Modell schlägt uns für jeden Sektor seine Favoriten vor. Dabei geht es nicht um die beste Performance in dem Sektor, sondern um Wahrscheinlichkeiten. Wir wollen, dass die Firma, die ganz oben steht, mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit überhaupt eine Outperformance generiert. Am Ende haben wir laut KI pro Branche eine Liste mit den aussichtsreichen Kandidaten. Anschließend folgt eine klassische Optimierung, bei der wir einen Best-in-Class-Ansatz gegen unsere Benchmark fahren“, sagt Endler.
Dieser Artikel ist teil des EXTRA KI im Asset Management. Alle Artikel des EXTRA finden Sie hier.