Atradius: Das Insolvenzrisiko im Baugewerbe steigt deutlich

Bildagentur PantherMedia / Helmut Knab
Disruption im Baugewerbe: Inflation und Zinsanstieg sorgen für einen drastischen Anstieg bei den Insolvenzen im Baugewerbe, erwartet Atradius.

Der deutschen Bauindustrie droht auch im Jahr 2023 aufgrund anhaltender Probleme in der Lieferkette, hoher Energie- und Rohstoffpreise und gestiegener Zinssätze starker Gegenwind. Insbesondere kleinere und mittlere Bauunternehmen geraten zunehmend in Insolvenzgefahr. Aufwärts dürfte es erst in 2024 gehen, erwartetet der Kreditversicherer Atradius.

Der deutschen Bauindustrie droht auch im Jahr 2023 aufgrund anhaltender Probleme in der Lieferkette, hoher Energie- und Rohstoffpreise und gestiegener Zinssätze starker Gegenwind. „Die Produktion der Branche ist in allen wichtigen Teilsektoren geschrumpft. Dieser Trend wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich fortsetzen“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland bei Atradius.

Die Zahlungsverzögerungen und Insolvenzen haben zugenommen und gefährden besonders die kleinen und mittleren Bauunternehmen. Das geht aus einem aktuellen Branchenreport des internationalen Kreditversicherers hervor. Nach den Worten Liebolds besteht jedoch angesichts des Mangels an Wohnraum und des großen Bedarfs an Infrastrukturinvestitionen Hoffnung auf einen Aufschwung im Jahr 2024.

Rückgang in allen wichtigen Teilsektoren

Die deutsche Bauwirtschaft, die sich 2021 relativ gut entwickelt hat, verzeichnete seit Anfang 2022 einen Produktionsrückgang in allen wichtigen Teilsektoren. Diese Verschlechterung werde sich laut Atradius voraussichtlich 2023 fortsetzen.

Neben den Herausforderungen durch die Lieferkettenproblematik, den hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie der gestiegenen Zinsen käme zusätzlich der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften erschwerend hinzu, der zu höheren Lohnkosten beiträgt. „Die gestiegenen Kosten für die Finanzierung von Bauprojekten haben zu Projektverschiebungen oder Auftragsstornierungen geführt“, sagt Liebold.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, aber dieses Ziel wurde 2022 weit verfehlt. „Dieses Jahr ist keine Besserung der Entwicklung zu erwarten“, schätzt der Atradius-Manager. Höhere Zinsen und Inflation erschweren den Haushalten den Immobilienerwerb.

Rückgang in der Wohnungsbauproduktion um 3,5 Prozent

Laut Oxford Economics dürfte die Wohnungsbauproduktion in Deutschland im Jahr 2023 um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Nicht zuletzt auch, weil sich die Preise für den Wohnungsbau stetig erhöhen. So stiegen die Preise für den Bau von Wohngebäuden aufgrund gestiegener Baumaterialkosten und Zinsen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr um 16,4 Prozent.

Für die Bauunternehmen ist es schwierig, diese Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben, es sei denn, die Verträge enthalten Preisgleitklauseln, was laut Atradius häufig nicht der Fall sei. Aufgrund all dieser Probleme hätten die Gewinnspannen der Bauunternehmen begonnen, sich zu verschlechtern, und dieser negative Trend werde sich in den kommenden Monaten fortsetzen.

Zahlungsverzögerungen in der Bauindustrie nehmen zu

Diese Entwicklung schlägt sich auch auf die Zahlungsmoral durch. Atradius zufolge dauern die Zahlungen in der Branche im Durchschnitt 30 bis 60 Tage. „2021 und Anfang 2022 war die Zahlungsmoral gut. Seitdem haben jedoch sowohl die Zahlungsverzögerungen als auch die Insolvenzen zugenommen“, sagt Liebold. Atradius schätzt, dass die Insolvenzen im Baugewerbe bis 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 25 bis 30 Prozent steigen werden, wobei kleine und mittlere Unternehmen am stärksten gefährdet sind.

Ein Plus von 3,5 Prozent – erst in 2024

In Anbetracht der sich verschlechternden Kreditrisikosituation und der Geschäftsentwicklung in der Branche wurde die Bewertung des Sektors zuletzt von „moderat“ auf „schlecht“ herabgestuft. Nach Angaben von Atradius könnte sich der Sektor im Jahr 2024 wieder erholen und um mehr als 3,5 Prozent wachsen.

Der Mangel an Wohnraum und der große Bedarf an Infrastrukturinvestitionen dürften die Bautätigkeit in den kommenden Jahren unterstützen. Das Fazit von Liebold fällt dennoch nüchtern aus: „Vor zwei Jahren boomte die Branche noch und man blickte zuversichtlich nach vorn. So schnell und unvorhersehbar kann sich das Blatt wenden.“

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