„Wir erwarten rund 25 Prozent mehr Insolvenzen im Jahr 2025“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland beim internationalen Kreditversicherer Atradius. 32 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und rund 54 Prozent rechnen mit keiner Veränderung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Atradius unter mehr als 470 Unternehmen.
Entsprechend negativ ist auch die Einschätzung zum Insolvenzrisiko. Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen schätzt die Gefahr einer Pleite in ihrer Branche als hoch ein. Unverändert beurteilen 53 Prozent der Unternehmen die Insolvenzlage und lediglich 17 Prozent sehen nur ein geringes Insolvenzrisiko in ihrem Sektor.
Angesichts dieser Aussichten haben die befragten Unternehmen bereits Maßnahmen ergriffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So haben 81 Prozent der Unternehmen ihre Kosten und 75 Prozent ihre Prozesse optimiert. 39 Prozent passten bislang bereits ihre Preise an. Zu den weiteren Maßnahmen zählen unter anderem die Stärkung der Liquidität sowie die Optimierung des Forderungsmanagements.
Die Insolvenzgefahr bleibt hoch
Maßnahmen, die von zahlreichen Unternehmen bereits im Laufe des Jahres 2024 angestoßen wurden, verhindern konnten sie allerdings viele Pleiten nicht. Die Zahl der Firmenpleiten stieg laut Creditreform im Jahr 2024 auf rund 22.400 Fälle (2023: 18.020 Unternehmensinsolvenzen). „Zahlreiche Firmen, insbesondere Zombie-Unternehmen, die nur dank großzügiger Corona-Kredite überlebten und nach wie vor schlecht aufgestellt sind, beginnen nun zu fallen“, sagt Liebold. Er geht davon aus, dass solche Unternehmen in den nächsten ein bis zwei Jahren vom Markt verschwunden sein werden.
Fortsetzen wird sich nach seinen Worten die Krise der Baubranche sowie der Automobilindustrie sowie in den energieintensiven Branchen wie Stahl, Papier oder Chemie. „Es wird weder ein kurzfristiges Ende der Bauflaute geben noch eine kurzfristige Lösung für die kriselnde Automobilbranche“, glaubt Liebold. Das Risiko einer Deindustrialisierung in Deutschland hält er für real. „Wenn die Produktion in Deutschland schwindet, dann zieht das viele weitere Branchen in Mitleidenschaft. Auch würden sehr gut bezahlte Jobs hierzulande wegfallen, man denke nur an die Automobilindustrie. Das wiederum bedeutet eine Verringerung der Konsumkraft.“
Kaum Stellenabbau, mehr Neueinstellungen
Trotz der allgemein schwierigen Lage planen nur 6,7 Prozent der befragten Unternehmen im kommenden Jahr Stellen abzubauen, 19,7 Prozent antworteten mit „Vielleicht“, aber die deutliche Mehrheit (74,4 Prozent) wollen im Jahr 2025 keine Arbeitsplätze streichen. 32,1 Prozent der befragten Firmen planen im kommenden Jahr Neueinstellungen, 29,9 Prozent wollen vielleicht neue Mitarbeiter ins Unternehmen holen, während 38,8 Prozent keine Neueinstellungen erwägen.
Neben internen Maßnahmen ist nach Angaben der Atradius-Umfrage aber insbesondere auch die Politik gefragt. Damit der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder in Schwung kommt, müssten dabei insbesondere vier Themen angepackt werden: So fordern 82 Prozent der Unternehmen einen Abbau der Bürokratie, 73 Prozent eine Senkung der Energiekosten, 61 Prozent Steuererleichterungen und schließlich 54 Prozent politische Stabilität.
„Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind richtig und wichtig, aber aus einer Position des Wohlstands heraus kann mehr für die Umwelt getan werden“, sagt der Atradius-Manager. Weitere Forderungen der Wirtschaft sind unter anderen die Reduzierung der Sozialabgaben, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, die Erleichterung von Investitionen sowie die Schaffung eines Innovationsklimas. „Bürokratiemonster wie das Lieferkettengesetz oder die Verpackungsrichtlinie belasten die Unternehmen – sie wollen sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können“, so Liebold weiter.
Politik: die richtigen Weichen stellen
Deutschland habe viele Krisen erlebt und überstanden, daraus eine gewisse Resilienz entwickelt. Nun müsste den Unternehmen von Seiten der Politik die Möglichkeit gegeben werden, zu reagieren. „Wir haben die Fähigkeit, uns wieder nach vorne zu bringen, es müssen nur die richtigen Weichen gestellt werden.“ Während aus Deutschland selbst kaum Impulse für das nächste Jahr kommen, sieht es für ganz Europa anders. 41 Prozent der befragten Unternehmen erwartet die meisten Impulse für die Wirtschaft im nächsten Jahr aus Europa. An zweiter Stelle folgt mit 26 Prozent Asien, worauf alleine auf China 14 Prozent entfallen. Aus Nordamerika erwarten nur 17 Prozent die meisten Impulse für 2025.
Für die Ende November durchgeführte Umfrage wurden mehr als 470 Unternehmen unter anderem aus den Branchen Automotive, Bau und Baumaterial, Chemie, Dienstleistungen, Elektronik, Finanzen, IT/Software, Konsumgüter, Landwirtschaft, Lebensmittel, Maschinenbau, Metall, Papier, Textil sowie Transport befragt. Der Umsatz der Unternehmen liegt zwischen weniger als fünf Millionen und mehr als einer Milliarde Euro. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei den befragten Unternehmen zwischen unter 100 und mehr als 1.500.