Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr stößt auf Kritik. Das zeigt eine aktuelle Kundenumfrage des internationalen Kreditversicherers Atradius. Nur 38 Prozent der befragten Firmen glauben, dass sie die geplante Verordnung in ihrer Branche umsetzen können.
Dass sie sie teilweise umsetzen können, denken 45 Prozent und 17 Prozent schätzen, dies in ihrem Geschäftsbereich nicht zu können. „Die Idee der Verordnung, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen vor verspäteten Zahlungen zu schützen, ist grundsätzlich gut. So wie die Verordnung bislang ausformuliert ist, sind als Folge aber auch zunehmende Liquiditätsprobleme und Insolvenzen bei KMU zu befürchten“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland der Atradius Kreditversicherung.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll die Zahlungsfrist im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) und zwischen Behörden und Unternehmen (G2B) grundsätzlich 30 Tage betragen. Im B2B-Bereich kann eine Verlängerung auf bis zu 60 Tage vertraglich vereinbart werden. Für Waren, die länger als 60 Tage im Handel bleiben, und Saisonartikel sollen Zahlungsfristen bis zu 120 Tage möglich sein. Für den G2B-Bereich sind laut Vorschlag vertragliche Fristverlängerungen nicht zugelassen, Behörden müssten Rechnungen binnen 30 Tagen begleichen.
Zahlreiche Kritikpunkte am Verordnungsentwurf
Nach einer Analyse von Atradius beträgt das durchschnittliche Zahlungsziel in Osteuropa 40 Tage. In Westeuropa verlängern sich die Zahlungsfristen ebenfalls und liegen derzeit bei durchschnittlich 52 Tagen. Laut Atradius-Zahlungsmoralbarometer waren bei deutschen Lieferanten zuletzt 57 Prozent der Rechnungen am Fälligkeitstag unbezahlt.
Es gibt zahlreiche Kritikpunkte am Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Zahlungsfristen. Einwände kommen von Verbänden und Unternehmen, die von der EU-Verordnung betroffen wären. „Angesichts der frei verhandelbaren Verträge und Zahlungsziele muss das Europäische Parlament eine alltagstaugliche Lösung finden, um keine zusätzliche Belastung für die deutsche Wirtschaft zu schaffen“, sagt Frank Liebold.
Kritisiert wird auch, dass länder- und branchenspezifische Besonderheiten ignoriert werden, was Liquiditätsprobleme verursachen könnte. Eine Umsetzung der Verordnung erfordert die Neuverhandlung von Zahlungsbedingungen, wodurch europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt werden könnten, da Konkurrenten längere und flexiblere Zahlungsziele bieten.
Zahlungsziele kaum umsetzbar
Hinzukommt, dass Zahlungsziele von 30 oder 60 Tagen in manchen Branchen schwer umsetzbar sind. Im Bausektor etwa liegt die Forderungslaufzeit bei 68 Tagen, was die Umsetzung erschwert. „Ein großes Problem ist, dass der Lieferantenkredit als wichtigstes Finanzierungsinstrument massiv eingeschränkt wird. Viele Unternehmen finanzieren sich erheblich über den Lieferantenkredit. Angesichts der zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken könnten Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten“, erklärt Liebold.
56,7 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine Verringerung der Zahlungsverzögerungen durch die Verordnung. 51,3 Prozent rechnen mit einer besseren Liquidität, 11,7 Prozent hingegen mit einer Verschlechterung. „Die Verordnung sollte vor allem für mittelständische Unternehmen Verbesserungen bringen und keine versteckten Nachteile“, betont Liebold.
Für die Umfrage im Mai wurden mehr als 500 Unternehmen aus 15 Branchen wie Automotive, Bau, Chemie, Finanzen und IT befragt. Die Umsätze der Unternehmen lagen zwischen weniger als fünf Millionen und über einer Milliarde Euro, die Zahl der Beschäftigten zwischen unter 100 und über 1.500.