„Attraktiv für über 60-Jährige“

Cash.: Die der Rürup-Rente unterlegte Lebenserwartung steht in der Kritik. Setzen die Versicherer diese zu hoch an?

Rürup: Ich will nicht ausschließen, dass einige Versicherer hier über das Ziel hinausschießen. Aber es gibt gute Gründe, bei den Annahmen zur Lebenserwartung vorsichtig zu sein. Denn Leistungen über viele Jahrzehnte garantieren zu können, muss vor dem Hintergrund der kräftigen Zunahme der Lebenserwartung der Älteren mit Sicherheitszuschlägen kalkuliert werden. Wichtiger ist aber das Folgende: Einen Rürup-Vertrag schließt man freiwillig ab mit der Folge, dass es zu einer Selbstselektion der Versicherten kommt. Menschen, die erwarten, dass sie beispielsweise krankheitsbedingt eine niedrigere Lebenserwartung haben, werden kaum freiwillig Rentenversicherungen abschließen oder diese aus individuell nachvollziehbaren Gründen bereits vor Beginn der Rentenphase wieder kündigen. Einen Rürup-Vertrag oder eine private Leibrente werden daher eher solche Menschen abschließen, die Grund zu der Annahme haben, länger als der Durchschnitt zu leben. Deshalb sind die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes zur Kalkulation von Basisrenten ungeeignet und andere wie die der Deutschen Aktuarvereinigung aufsichtsrechtlich vorgeschrieben. Wenn dennoch die in den Tarifen unterlegte Lebenserwartung höher sein sollte als die tatsächliche, entstehen sogenannte Risikogewinne. Diese fallen aber nicht an die Versicherer, sondern müssen zum ganz überwiegenden Teil an das Versichertenkollektiv ausgeschüttet werden und erhöhen so die Rendite dieser Produkte.

Cash.: Die letzte Frage richtet sich an Sie als Ökonom: Derzeit wird viel über L-, W- oder V-förmige Konjunkturverläufe diskutiert. Haben wir das Schlimmste hinter uns?

Rürup: Ja. Mittlerweile haben sich die Finanzmärkte stabilisiert, und der rezessive Einbruch der Realwirtschaft liegt hinter uns. Die deutsche Wirtschaft wächst wieder, die Stimmungsindikatoren zeigen sogar recht steil – möglicherweise zu steil – nach oben. Aber ich erwarte, dass es in 2010, wenn die Konjunkturprogramme auslaufen und die Geldpolitik wieder einen restriktiveren Kurs einschlagen wird, einen kleinen Dämpfer geben wird. Auch wird es meiner Einschätzung nach noch etwa drei Jahre dauern, bis unser Bruttoinlandsprodukt wieder das Niveau vor der Krise erreicht haben wird.

Interview: Mathias Ohanian

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