Jeder dritte Deutsche ist der Meinung, dass man auf sein Erbe verzichten sollte, wenn die Familie darum bittet. Dies ergibt eine aktuelle Postbank Umfrage. Als Erbe muss man einen solchen Verzicht aber genau abwägen, denn er hat weitreichende Folgen.
Selbst wenn jemand per Testament enterbt wurde: Das Gesetz garantiert jedem nahen Verwandten einen Pflichtteil, solange er sich keines schweren Vergehens schuldig gemacht hat. Anspruch auf konkrete Gegenstände aus dem Erbe hat der sogenannte Pflichtteilsberechtigte nicht. Aber er hat Anspruch auf die Auszahlung einer bestimmten Summe: die Hälfte des Betrags, der ihm als gesetzliches Erbteil zustehen würde. „Fordern die Pflichtteilsberechtigten ihren Anteil ein, kann das zu Problemen führen, etwa, wenn das Erbe hauptsächlich aus einer Immobilie oder einem Familienunternehmen besteht“, sagt Anja Maultzsch von der Postbank.
„Unter Umständen sind die Erben sogar gezwungen, den Besitz zu verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können.“ Retten könnte den Familienbesitz in so einem Fall der Verzicht des „Enterbten“ zugunsten der anderen Erben oder eines Alleinerben. Eine aktuelle TNS-Emnid-Umfrage im Auftrag der Postbank belegt, dass dies durchaus gängige Praxis zu sein scheint: 36 Prozent der Deutschen meinen, dass man der Familie zuliebe auf sein Erbe verzichten sollte. Mit 41 Prozent halten das vor allem Männer für legitim, von den Frauen sind es nur 31 Prozent.
Den Familienfrieden wahren
Aus Sicht der Deutschen gibt es gute Gründe für einen Verzicht aufs Erbe: den Frieden in der Familie wahren (50 Prozent), den Alleinerben für eine besondere Leistung belohnen (46 Prozent) und das vererbte Vermögen zusammenhalten (34 Prozent). Nur knapp neun Prozent würden verzichten, weil das Erbe dem ältesten männlichen Nachkommen zusteht. Welcher Grund auch hinter der Bitte um Erbverzicht steht: „Jeder, der gebeten wird, sein Erbe abzutreten, sollte sich gut beraten und nicht von seiner Familie unter Druck setzen lassen“, empfiehlt Anja Maultzsch.
Berliner Testament
Hat der Erbberechtigte sich entschlossen, sogar auf seinen Pflichtteil zu verzichten, muss er gar nichts tun, da der Pflichtteil aktiv eingefordert werden muss. In der Regel erhält der „Enterbte“ als Gegenleistung eine Einmalzahlung, mit der dann alle Ansprüche abgegolten sind. Üblicherweise wird eine solche Übereinkunft in einem notariell beglaubigten Vertrag festgeschrieben, und zwar schon zu Lebzeiten des künftigen Erblassers. Mit solch einem Vertrag kann das gesetzliche Erbrecht aufgehoben werden. Die Folge: Der Verzichtende und auch seine Nachkommen sind vollständig von der Erbfolge ausgeschlossen.
Man kann den Verzicht durch den Vertrag aber auch beschränken. Dies ist eine häufig angewandte Praxis im Rahmen des sogenannten Berliner Testaments. Dabei setzen sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein. Die Kinder verzichten zugunsten des verbleibenden Elternteils auf ihren Pflichtteil und erhalten das gesamte Erbe nach dessen Tod. Laut Postbank Umfrage schließen 29 Prozent einen Erbverzicht übrigens kategorisch aus. Sie meinen, dass man seinen Teil des Erbes gegebenenfalls mit aller Konsequenz einfordern sollte. (fm)
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