„Erhöhte Qualitätsstandards werten Image des Finanzberaters auf“

Götz Wenker, Geschäftsführer Vertrieb AWD, künftig Swiss Life Select, sprach im Cash.-Interview über künftige Herausforderungen und Wachstumssegmente sowie die Folgen der aktuellen Regulierungen.

Götz Wenker, AWD

Cash.: Wo sehen Sie 2013 die größten Chancen beziehungsweise Herausforderungen für den Vertrieb?

Wenker: Wir sehen die aktuelle Marktsituation gleichermaßen für Marktteilnehmer und Verbraucher als eine Herausforderung für das kommende Jahr. Denn angesichts der Unsicherheiten auf dem Finanzmarkt, der Instabilität einzelner EU-Länder oder drohender Inflation ist die Nachfrage nach qualifizierter Aufklärung in Finanzfragen sehr hoch.

Dies sehen wir als Chance für unser Unternehmen, da diese ganzheitliche und zeitintensive Beratungsleistung nur lizenzierte und hauptberufliche Berater erbringen können, die neben einer fundierten Qualifikation über weiterentwickeltes Fachwissen und breite Marktkenntnisse verfügen. Hier sehen wir uns gut aufgestellt.

Eine Herausforderung, der sich die gesamte Branche gegenübersieht, ist sicherlich die Gewinnung engagierter Fachleute, die eine hauptberufliche Tätigkeit als IHK-lizensierte Finanzberater auf Dauer anstreben. Dies hängt maßgeblich auch mit den Marktturbulenzen der vergangenen Jahre zusammen, in denen unsere Branche leider an Ansehen eingebüßt hat.

Doch ein Blick auf unseren europäischen Nachbarn Großbritannien zeigt: Dort genießt ein Independent Financial Advisor (IFA) heute dasselbe Renommee wie beispielsweise ein Steuerberater oder Anwalt. Seine qualifizierte Beratungsleistung erfährt also eine entsprechende Wertschätzung!

Ich bin jedoch zuversichtlich, dass die anhand der gesetzlichen Neuanforderungen hierzulande verfolgte Professionalisierung der Finanzbranche der richtige Schritt ist, um das Ansehen qualifizierter Fachleute in der Finanz- und Vorsorgeberatung zu stärken.

 

Cash.: Welche Erwartungen haben Sie an die Geschäftsentwicklung im nächsten Jahr? Welche Produktbereiche werden am besten laufen?

Wenker: Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben ein erhöhtes Sicherheitsdenken und eine Zurückhaltung der Kunden bei langfristigen Anlagen bewirkt. Dazu ist die zunehmende Regulierungsdichte als weitere Herausforderung für die Finanzdienstleistungsbranche zu nennen.

Allerdings hat beides eine positive Komponente, da die neuen Bestimmungen der Nachfrage nach einem erhöhten Qualitätsstandard der Beratung gerecht werden und damit auch das Image des Finanzberaters aufwerten. Diese Vertrauensbildung wird uns zu gute kommen.

Wir gehen dabei weiterhin von einer verstärkten Nachfrage bei der Absicherung von privaten Risiken (Berufsunfähigkeitsversicherungen, Sachversicherungen, private Krankenzusatz-versicherungen) und bei ausgewählten Produkten der privaten Altersvorsorge wie die geförderten Lebens- und Rentenversicherungsprodukte (zum Beispiel die betriebliche Altersvorsorge) aus. Dies ist der Beratungsschwerpunkt von AWD. Damit sind wir in dem größten Wachstumsmarkt der Finanzdienstleistungsbranche der privaten Absicherung- und Altersvorsorge gut positioniert.

 

Cash.: Welchen Rat geben Sie dem Berater für den Kundenkontakt im nächsten Jahr?

Wenker: Die Nachfrage nach qualifizierter Aufklärung in Finanzfragen und der Wunsch, in die Zukunft zu investieren, sind bei unseren Kunden ungemindert. In den Beratungsgesprächen stehen Fragen zu Flexibilität, Rendite und zunehmend auch zur Sicherheit der Produkte im Fokus der Kunden.

Letztlich stehen diese drei Punkte in einem Spannungsfeld zueinander, bei dem es nicht das optimale Produkt für alle Kunden in der augenblicklichen Finanzkrise geben kann. Umso wichtiger ist es, das für den Kunden entsprechend seiner individuellen Erwartungshaltung und Risikoneigung passende Produkt herauszufiltern, das Charakteristikum der Produktgattung zu verdeutlichen und dabei auch auf Chancen und Risiken des Lösungsvorschlages einzugehen.

Hier sehen wir uns gut aufgestellt. Hier ist auch unsere Methode der Risikoklassifizierung eine große Chance, um weitgehende Übereinstimmung zu gewährleisten und den Kunden im Voraus mit einer realistischen Erwartungshaltung zu versorgen.

 

Cash.: Welche Folgen wird die Einführung des Paragrafen 34f GewO haben?

Wenker: Die Finanz- und Vorsorgeberatung wird durch die aktuellen politischen Bestrebungen eine Professionalisierung erfahren, von der die gesamte Branche profitieren wird. Im Markt wird es jedoch voraussichtlich zu einer Konsolidierung kommen: Denn in Anbetracht der verabschiedeten Neuregelungen könnten der erhöhte Organisationsaufwand und die damit verbundenen Kosten für kleine Vermittlungsgesellschaften und Einzelvermittler eine größere Herausforderung darstellen.

Dies könnte dann eine neue Orientierung des Marktes nach sich ziehen. Einzelne Finanzberater könnten sich den größeren Unternehmen anschließen. Durch den bereits bestehenden Anspruch auf hochqualifizierte Berater haben wir als großer Finanzvertrieb einen Wettbewerbsvorsprung und sind einer Ausbildung mit erhöhten Qualitätsanforderungen gewachsen.

Wir bilden bereits über Ausbildungsstandards per Gesetz aus. Die neuen Regelungen des 34f GewO werden ergänzend in die hohen Ausbildungsstandards einfließen. AWD wird den neuen Bestimmungen vollumfänglich entsprechen können.

 

Cash.: Das Bundesministerium der Finanzen hat einen Gesetzentwurf zur Honorar-Anlageberatung vorgelegt. Welche Folgen erwarten Sie, sollte der Entwurf so umgesetzt werden?

Wenker: Eine qualifizierte und zeitaufwendige Beratungsleistung ist ohne eine angemessene Vergütung nicht zu bekommen. Der deutsche Markt ist aber heute noch nicht reif für die Honorarvergütung. Laut einer Forsa-Umfrage sind lediglich ein Fünftel der Befragten dazu bereit, für eine Finanzberatung auch dann zu bezahlen, wenn im Anschluss kein Vertrag abgeschlossen wird. Rund ein Drittel der Befragten ist nicht dazu bereit, mehr als 50 Euro für eine Beratungsleistung zu investieren und 50 Prozent der Teilnehmer würden maximal 100 Euro zahlen.

Diese kaum vorhandene Wertschätzung und Akzeptanz einer qualifizierten Dienstleistung, ausgedrückt in einer geringen Zahlungsbereitschaft auf Seiten der Verbraucher, muss im Umkehrschluss dazu führen, dass breite Bevölkerungsschichten bei Umstellung des Marktes auf eine Honorarvergütung von jeder Beratung gänzlich abgeschnitten würden – denn die Honorarberatung wird auf Stundenbasis vergütet.

Für unseren konzeptionellen und ganzheitlichen Beratungsansatz muss ein Berater für die Erstberatung einer Familie aber im Durchschnitt 12 Stunden Aufwand erbringen, das entspräche einem marktüblichen Honorar von über 1.000 Euro. Wir möchten unsere Beratungsleistung gerne auch weiterhin allen Verbrauchern anbieten, unabhängig von deren Einkommens-, Bildungs- oder Sozialsituation.

 

Interview: Julia Böhne

Foto: Stefan Malzkorn

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