„Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es nicht eilig, an diesem Donnerstag die Leitzinsen zu ändern. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung liegt nahe bei 0 Prozent und die Chancen einer Anhebung sind noch geringer. Der ‘Modus des Abwartens‘ scheint für die Sitzung in dieser Woche in vollem Gange zu sein. Das Gleiche gilt für den April.
Die jüngsten Wirtschaftsveröffentlichungen und die erwarteten Prognosen aus dem Mitarbeiterstab verdeutlichen, warum.
- Es wird erwartet, dass die Gesamtinflation nach unten korrigiert wird. Der gewichtete Durchschnitt der Öl- und Gaspreise liegt heute 10 Prozent niedriger als bei der letzten EZB-Prognose, aber die Korrekturen der Kerninflationsprognosen für 2025 und 2026 dürften bescheiden ausfallen und auf eine Rückkehr zum Zielwert im Laufe des nächsten Jahres hindeuten. Die Disinflationserwartung dürfte fortbestehen, aber auch die Unsicherheit darüber, wo die Preise letztendlich landen werden.
- Bei den Wirtschaftsindikatoren überwiegt die Ambivalenz. Die EZB befindet sich in einer Zwickmühle zwischen den abflauenden Frühindikatoren (die Einkaufsmanagerindizes liegen im Kontraktionsbereich) und Fortschritten bei den zukunftsweisenden Komponenten (Auftrags-eingänge, Neugeschäft und künftige Produktion sind auf einem 10-Monatshoch). Darüber hinaus ist der Arbeitsmarkt nach wie vor angespannt, aber die Löhne verlangsamen sich (das angekündigte durchschnittliche Lohnwachstum ist weniger signifikant, und die Tariflöhne in Deutschland nähern sich dem Vor-Corona-Niveau).
Da die Daten noch keinen klaren Weg in die Zukunft weisen, erwarten wir nicht, dass die EZB ihre Leitzinsen vor Juni senkt, es sei denn, es kommt zu größeren ‘Unfällen‘.
Was sind die Folgen für die Anleger?
Die Aussicht auf Zinssenkungen auf beiden Seiten des Atlantiks wirft Fragen auf. Die Märkte gehen davon aus, dass die beiden Zentralbanken die gleiche Anzahl von Zinssenkungen vornehmen werden, und zwar in etwa zum gleichen Zeitpunkt. Allerdings ist die wirtschaftliche Lage in den beiden Regionen sehr unterschiedlich. Die US-Wirtschaft wächst 1,5 mal stärker als ihr Potenzial, die Eurozone liebäugelt dagegen mit Stagnation.
Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir europäische Kernzinsen gegenüber ihren amerikanischen Pendants. Und generell bevorzugen wir bei festverzinslichen Wertpapieren renditestarke Vermögenswerte. Carrys sind attraktiv und zeigen den Anlegern, inwieweit die Zeit zu ihren Gunsten spielt, denn Anleiheinvestoren werden fürs Warten bezahlt.“
Autor Kevin Thozet ist Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac.