In Deutschland sieht jeder zweite Bürger erhebliche Risiken für die Gesellschaft in den kommenden fünf bis zehn Jahren durch zunehmende gesellschaftliche Spannungen. Kein anderes Land schätzt dieses Risiko so hoch ein wie Deutschland, das bereits im vergangenen Jahr eine Sonderstellung in dieser Frage einnahm. Laut dem aktuellen Axa Future Risks Report, einer internationalen Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im Auftrag von Axa, belegt das Thema gesellschaftlicher Spannungen in Deutschland Platz zwei der größten Zukunftsrisiken – nur übertroffen vom Klimawandel.
Die Studie, die die Wahrnehmung von Zukunftsrisiken in 15 Ländern untersucht, zeigt, dass gesellschaftliche Spannungen weltweit eine große Rolle spielen und im Durchschnitt der Befragten auf Platz vier rangieren. Besonderes Augenmerk legt der Bericht in diesem Jahr auf den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Spannungen und der Verbreitung von Fake News, die als potenzieller Verstärker sozialer Konflikte gelten.
Polykrisen verschärfen soziale Spannungen
Zusätzlich zur Risikoanalyse beleuchtet der Bericht die Wahrnehmung der aktuellen sogenannten Polykrisensituation, also die gleichzeitige Existenz und gegenseitige Verstärkung mehrerer Krisen. In Deutschland berichten 91 Prozent der Befragten von einer Zunahme solcher Krisen in den vergangenen Jahren. Die überwiegende Mehrheit (92 Prozent) glaubt zudem, dass diese Krisen immer mehr Einfluss auf das alltägliche Leben in Deutschland haben.
„Der Axa Future Risks Report zeigt, dass die Menschen die Auswirkungen der zahlreichen Krisen und deren miteinander verbundenen Risiken zunehmend spüren“, erklärt Thilo Schumacher, CEO der Axa Deutschland. Für viele Menschen seien gesellschaftliche Spannungen dabei nicht nur ein zukünftiges Risiko, sondern bereits heute eine Realität. Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) sieht das Risiko gesellschaftlicher Spannungen als bereits vorhandene Bedrohung. Rund 19 Prozent der Deutschen befürchten, dass ein mögliches Versagen staatlicher Institutionen sowie ein Rückgang demokratischer Werte durch soziale Spannungen forciert werden könnten.
Wachsende Sorge um eigene Angreifbarkeit
Mit den steigenden gesellschaftlichen Spannungen wächst auch das Gefühl der persönlichen Bedrohung: Während sich 2023 noch 61 Prozent der Deutschen aufgrund von gesellschaftlichen Spannungen im Alltag angreifbarer fühlten, ist dieser Wert in diesem Jahr auf 68 Prozent gestiegen. Das Vertrauen in die Fähigkeit staatlicher Stellen, gesellschaftliche Spannungen effektiv zu managen, ist gering: 76 Prozent der Deutschen halten die Behörden für nicht ausreichend vorbereitet.
Die Gründe für gesellschaftliche Spannungen werden unterschiedlich bewertet: Während 35 Prozent der Männer die Ursachen vor allem in Migrationsbewegungen sehen, glauben 34 Prozent der Frauen, dass zunehmende Ungleichheiten und steigende Lebenshaltungskosten die Hauptursachen sind.
Zwischen Fake News und Meinungsfreiheit
Ein weiterer Schwerpunkt des diesjährigen Reports liegt auf der Frage, wie Fake News gesellschaftliche Spannungen beeinflussen. Eine deutliche Mehrheit von 87 Prozent ist der Ansicht, dass Fake News Hass und Gewalt im Land verstärken. Die Frage, ob der Schutz der Bevölkerung vor Fake News wichtiger ist als die freie Meinungsäußerung, spaltet die Bevölkerung: 60 Prozent der Befragten plädieren dafür, Fake News zu verhindern, selbst wenn dies die Redefreiheit einschränkt. Mehr Männer (43 Prozent) als Frauen (37 Prozent) halten hingegen die freie Meinungsäußerung für wichtiger, selbst wenn dadurch Fehlinformationen leichter verbreitet werden können.
„In einer polarisierten Gesellschaft fallen Fake News auf fruchtbaren Boden“, warnt denn auch Schumacher. Er betont, dass mehr Dialog und weniger einseitige Meinungen helfen könnten, die Spaltung zu verringern und die Anfälligkeit für Fehlinformationen zu senken.
Studienhintergrund
Der Axa Future Risks Report erscheint in diesem Jahr zum elften Mal und erfasst die Einschätzung zukünftiger Risiken in einer repräsentativen Umfrage in Deutschland und 14 weiteren Ländern. Ipsos befragte hierfür im Mai und Juni 2024 insgesamt 1.000 Deutsche ab 18 Jahren online. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.