Das bedeutet wiederum nach dem Willen des BMF, dass die Konsultationen im Sommer 2019 erfolgen. Ist es Zufall, dass der Start der Konsultationsphase gerade dann ausgerufen wird, wenn alle Parlamentarier und die halbe Republik bei 39 Grad – tatsächlich oder gedanklich – im Urlaub sind?
Wenn das BMF die Eingaben der Verbände und Kammern ernst nehmen will, wird das für alle Beteiligten eine sportliche Aufgabe.
7. Prüfung durch Selbsterklärung und BaFin-Check
Für die Wirtschaftsprüfer bringt das Eckpunktepapier schlechte Nachrichten: Sie sind nach dem Willen des BMF bei den „Finanzanlagendienstleistern“ zukünftig außen vor. Die Einhaltung der bisher in §§ 12 bis 23 FinVermV geregelten Verhaltenspflichten will die BaFin ab dem 1. Januar 2021 selber prüfen.
Die jährlichen WP-Testate werden durch jährlich einzureichende Selbsterklärungen der Vermittler ersetzt. Bei Vertriebsgesellschaften soll dies jährlich, bei allen sonstigen Vermittler und Beratern ohne festen Turnus erfolgen. Dieser Wechsel soll nach den Aussagen des BMF für die Dienstleister kostenneutral erfolgen.
Wo die Grenze zwischen jährlich zu prüfenden „Vertriebsgesellschaften mit erweiterten Anforderungen“ und „Sonstigen“ verläuft, ob es für die Unterscheidung bspw. auf Unternehmensgröße oder vermitteltes Volumen ankommen soll, ist unklar. Offen ist auch, wie die BaFin die Prüfungen von knapp 38.000 Einzelpersonen und
Gesellschaften zeitlich und personell stemmen will. Digitale Verarbeitungsprozesse können bei dieser Mammutaufgabe allenfalls unterstützen.
In der Praxis wird es darauf hinauslaufen, dass sich die BaFin schon aufgrund interner Sachzwänge bei der Vielzahl der „Finanzdienstleister mit eigener Erlaubnis“ über Jahre auf deren Selbsterklärungen verlassen wird, möglicherweise flankiert durch eine automatisierte Plausibilitätsprüfung.
Dass dieses Vorgehen besser, einheitlicher und qualitativ hochwertiger sein soll als das im Jahr 2013 eingeführte und seit Jahren etablierte Zusammenspiel von Gewerbeämtern, IHK´en, Wirtschaftsprüfern und Vermittlern, überzeugt nicht.
8. Automatischer Übergang mit Nachprüfungsverfahren
Nach den Vorstellungen des BMF sollen alle Finanzanlagenvermittler – und wohl auch, obwohl nicht genannt: alle Honorar-Finanzanlagenberater – zum 1. Januar 2021 automatisch unter die Zuständigkeit der BaFin fallen.
Bestehende Erlaubnisse nach GewO bleiben also ihrem Umfang und Inhalt nach zunächst bestehen. Die Erlaubnisinhaber werden aber in der Zeit ab dem 1. Januar 2021 durch ein Nachweisverfahren sukzessive durch die BaFin überprüft.
Dabei soll die BaFin mit der .berprüfung der „großen Vertriebsgesellschaften“ beginnen und sich dann sukzessive – bis spätestens Ende 2025 – zu den „kleinen“ Vermittlern und Beratern durcharbeiten.
Die zur Prüfung notwendigen Unterlagen sollen die „großen Vertriebsgesellschaften“ von sich aus bis Ende Juni 2021 einreichen, für die „sonstigen Finanzanlagendienstleister beginnt die 6-Monats-Frist zur Einreichung der Unterlagen erst mit entsprechender Aufforderung der Bafin. Die 6-Monats-Frist ist mit Augenmaß gewählt.
Mit diesem Verfahren könne sich – so das BMF – die BaFin „ein Gesamtbild über die zu beaufsichtigenden Unternehmen […] verschaffen, deren Tätigkeit vor dem Hintergrund der bestehenden gesetzlichen Vorgaben […] bewerten und einheitliche Unterlagen an[…]legen.“
Dieses Kennenlernen ist wichtig und notwendig. Doch das Kennenlernen von 37.975 zu prüfenden Personen und Gesellschaften (Zahlen Stand: 01.04.2019) kostet Personal, Aufwand, Zeit. Schon jetzt sieht das BMF dafür ein Zeitfenster bis zum 1. Januar 2026 vor.
Die Gewerbeämter und Industrie- und Handelskammern vor Ort kennen diese Dienstleister bereits, viele davon seit Anfang 2013.
Dieses Wissen muss sich die BaFin erst aneignen. Und von dem letzten zu prüfenden Vermittler wird sich die BaFin womöglich erst Ende 2025 ein Bild gemacht haben. Zumindest in der Übergangsphase wird dies Prozedere nicht zu einem Mehr, sondern einem Weniger an Aufsicht führen.
9. Hauptkritik bleibt: Keine Kenntnis von Änderungsbedarf
Durch das Eckpunktepapier liegt nun ein Fahrplan für den Aufsichtswechsel auf dem Tisch. Der Hauptkritikpunkt aber bleibt: Bis heute ist nicht klar, an welchen Stellen inhaltlicher Veränderungsbedarf besteht. Der politisch getriebene Wunsch nach einer „neuen Aufsicht“ steht im luftleeren Raum. Denn belastbare Erkenntnisse über den Regulierungsbedarf gibt es nicht.
Im Koalitionsvertrag 2018 (Seite 135) heißt es, der Wechsel sei „zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hochwertigen Finanzaufsicht über die freien Finanzanlagevermittler“ erforderlich.
Seite 4: Ein vorläufiges Fazit