Bancassurance: „Vorsorge auf der Customer Journey“

Holm Diez, HDI
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Holm Diez, HDI

Banken werden als Anbieter von Versicherungen wichtiger. Holm Diez, der als Vorstand das Bancassurance-Ressort der HDI Deutschland AG verantwortet, erläutert die Trends.

Welche technischen und regulatorischen Voraussetzungen erfordert Bancassurance?
Diez: Bei den technischen Voraussetzungen ist eine zuverlässige IT-Infrastruktur sowohl bei der Bank als auch bei der Versicherung unabdingbar. Durch die Integration in die Systeme des jeweils anderen wird eine nahtlose Verbindung hergestellt, die insbesondere bei End-to-End-Abschlussprozessen eine durchgängige Customer Journey gewährleistet.

Wir entwickeln neue Prozesse nach den Wünschen unseres Partners und bieten sowohl White Label-Lösungen als auch vollständig in das Corporate Design des Partners eingebundene Verkaufsstrecken.
Eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten ist auf beiden Seiten wesentlich, um reibungslos miteinander die optimale Customer Journey für unsere gemeinsamen Kunden abzubilden.

Regulatorisch ist die Umsetzung der IDD sowie das Vorhandensein eines passenden Vermittlerstatus auf Seiten des Partnerunternehmens notwendig. Wir unterstützen umfassend – insbesondere durch Schulungen und regelmäßige Side by Side-Coachings, um eine IDD-konforme und qualitativ hochwertige Beratung zu gewährleisten.

Als HDI Bancassurance verstehen wir uns als „Enabler“, der alle Voraussetzungen abdeckt, auf Augenhöhe kooperiert und nicht nur Produkte liefert. Dadurch unterscheiden wir uns von Wettbewerbern und sind mit unseren langjährigen Kooperationen auf Basis unterschiedlicher Geschäftsmodells seit über 60 Jahren deutschlandweit sehr erfolgreich.

Was ist schon gut umgesetzt, was muss sich noch weiterentwickeln?
Diez: Wir müssen unsere Wettbewerbsvorteile – fundiertes Kundenwissen, hohes Vertrauenskapital und anspruchsvolle Finanzkonzepte – noch konsequenter in die reaktionsschnelle, personalisierte Smartphone-Welt unserer Kunden transformieren, um für sie Mehrwerte zu schaffen und uns einzigartig und wettbewerbsfähig am Markt zu positionieren.

Wesentlich ist dabei der Altersvorsorgemarkt: Hier haben wir bereits einen vielfach gut funktionierenden Versicherungsvertrieb innerhalb von Banken aufgebaut, mit Hilfe dessen wir unsere Kunden nachhaltig und bedarfsgerecht für die Zukunft absichern.

Wo sehen Sie derzeit die hauptsächlichen Herausforderungen von Bancassurance?
Diez: Bancassurance gilt als Erfolgsmodell auf dem deutschen und europäischen Versicherungsmarkt. Laut Studien zählen Banken zu den Top 3 der Vertriebswege für Lebensversicherungen. Der Bankenvertrieb generell baut seinen Neugeschäftsanteil seit 2016 nahezu jährlich aus und bleibt dabei weiterhin profitabel – für Banken wie Versicherer gleichermaßen.

Wir nehmen die Herausforderungen dieses Erfolgswegs, bei dem sich Markt und Kundenbedürfnisse rasant wandeln, weiterhin an und wollen von der reinen Filialberatung zu einer zeitgemäßen Customer Journey kommen, die in einem hybriden Modell digitale Infoangebote und Kaufanreize mit stationärer Beratung zu werthaltigen Bank- und Versicherungsprodukten verknüpft.

Wir sind am Ziel, wenn Kunden in einer Bank ganzheitlich in allen Allfinanzthemen beraten und versorgt werden – über jeden Kanal und jede Lebensphase hinweg.

Welche Produkte werden über Bancassurance hauptsächlich abgeschlossen?  
Diez: Die Nachfrage nach Versicherungslösungen über den Bankschalter wird von Jahr zu Jahr diverser. Der Bereich Leben mit seinen vielen Altersvorsorgelösungen ist der stärkste Absatzmarkt, Sachversicherungen werden wegen der einfachen digitalen Abschlussmöglichkeit und auch als Kombiprodukt zu Bankangeboten bedeutender.

Hinzu kommt Embedded Insurance, das zwar der Bancassurance zuzurechnen ist, aber eher über andere Partner abgewickelt wird. Diesen Trend haben Banken bislang eher verschlafen – obwohl diverse Studien hier einen Wachstumsmarkt mit einem Potenzial von bis zu 18 Milliarden Euro bis 2030 in Europa sehen!

Einfache und passende Versicherungsprodukte lassen sich beim Fahrradkauf oder der Urlaubsbuchung gut mit Finanzdienstleistungen kombinieren. Wir kooperieren auch mit Finanzdienstleistern und -plattformen und erreichen Kunden dann, wenn sie Absicherungsbedarf haben.

Gibt es bestimmte Zielgruppen für Bancassurance?
Diez: Das ist sehr heterogen: Zum einen haben wir die unterschiedlichen Zielgruppen unserer Partner im Blick. Das sind Privatkunden, denen wir über unseren Konzern von privater und betrieblicher Altersvorsorge über Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherungen bis hin zu Baufinanzierungsabsicherungen und zahlreichen Sachversicherungen einen großen „Blumenstrauß“ an Produkten anbieten können.

Zum anderen sind es Geschäfts- und Firmenkunden, die wir ebenfalls bedarfsgerecht versichern können.

Nicht zuletzt sind neue Kooperationen eine für uns wichtige Zielgruppe, die mit uns den Bancassurance-Markt weiter erobern möchten. Unser Wachstumskurs ist klar definiert.
Bancassurance will Kaufanreize über Social Media triggern, im Idealfall läuft dann alles über eine App.

Besteht ein Widerspruch zwischen den Digitalisierungsmöglichkeiten und der Komplexität von Versicherungen?
Diez: Bei „jungen Erwachsenen“ wird das Smartphone immer mehr zur Schaltzentrale ihres Lebens und Social Media beeinflusst mehr als 90 % ihrer Kaufentscheidungen. Diese digitalen Kanäle spielen daher für unsere gezielte Kundenansprache eine große Rolle. Beim Produktabschluss eignen sich natürlich einfache, schnelle und transparente Lösungen, die nach Eingabe weniger Daten und einem Klick vom Abschluss entfernt sind, wie – gerade in der Sachversicherung – Embedded Insurances. Dagegen stoßen bei Altersvorsorge oder Berufsunfähigkeit Apps und Co. wegen des hohen individuellen Beratungsaufwands noch immer an ihre Grenzen. Eine Ausspielung passgenauer Produkte ist hier innerhalb digitaler Kanäle beschränkt und die persönliche Beratung weiterhin führend – auch in der Kundengunst. Aber: Niemand steht morgens auf und kommt auf die Idee: „Heute mach ich was für meine Rente“ und läuft dann in seine Bank.

Intelligente Bancassurance schafft digitale Transparenz zu Versicherungslösungen, reduziert die Barrieren zum Thema Versicherung, weckt Kundenbedürfnisse und ebnet damit den Weg zur Bank für die ganzheitliche Finanzberatung und -planung.

Welche Folgen für Bancassurance hat das Filialsterben bei Banken? 
Diez: Es gibt immer weniger Orte mit persönlicher Beratung, dafür immer mehr Menschen, die eine große Notwendigkeit im Bereich der komplexen Absicherung der privaten Altersvorsorge haben. Ein hybrides Modell muss hier ausgleichen.

Über die inzwischen gut verbreiteten Multi-Banking-Apps können Kunden ihre Bankgeschäfte regeln. Und darin ist sicher noch Platz für eine digitale Rentenprognose. Über diese können wir als Versicherer Finanzentscheidungen beeinflussen und personalisierte Mehrwerte aufzeigen – zum Beispiel als Absicherungsvorschläge für ein finanziell sicheres Morgen.

Wie stark konkurriert Bancassurance mit den freien Versicherungsvermittlern? Und wie wird gewährleistet, dass Bankberater kompetent zum Thema Versicherungen beraten?
Diez: Allfinanz ist im Trend: Kunden wünschen sich alles rund um Finanzen aus einer Hand. Das spielt der Bancassurance natürlich im Vergleich zu freien Versicherungsvermittlern in die Karten, was die Neugeschäftszahlen belegen. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Kooperation ist es, dass Vertriebsmitarbeiter unserer Partner befähigt sind, Versicherungen kompetent und kundenorientiert zu verkaufen. Während unser Partner den Vertrieb stellt, über den unsere Produkte verkauft werden, schulen wir die Mitarbeiter für den Versicherungsverkauf mit einer eigenen Akademie und begleitenden Coaches, auch mit Themen wie Persönlichkeitswahrnehmung und Rhetorik. Wir sind stolz auf dieses am Markt einzigartige Multiplikatorenmodell, das bei den Beratern super ankommt!

Interview: Silvia Fischer ist Diplom-Betriebswirtin und Journalistin (FJS).

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