Die jüngsten deutschen Konjunkturdaten sind eigentlich ein Mutmacher. So ist der ifo-Index im November zum dritten Mal in Folge gestiegen. Gleichzeitig hat sich der Composite-Einkaufsmanagerindex inzwischen von seinem August-Tief erholt. Vor allem bei den stark gebeutelten energieintensiven Industriezweigen – unter anderem Chemie und Metallerzeugung – zeichnete sich eine Bodenbildung ab. Dazu trug auch das Anfang November beschlossene Strompreispaket der Bundesregierung bei, das Unternehmen mit hohem Energieverbrauch über die nächsten Jahre einen relativ niedrigen Strompreis garantieren sollte.
Die positiven Impulse dürften jedoch bereits wieder verpufft sein. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich eine langwierige Haushaltskrise ab – auch das Strompreispaket steht zur Disposition. Mit Ausnahme des Bundeswehr-Fonds gelten inzwischen fast alle von der Ampelregierung ins Leben gerufenen Sondervermögen als verfassungswidrig. Mithin fehlen in der Finanzplanung des Bundes für die kommenden Jahre mehr als 100 Mrd. Euro. Wie kann diese Lücke geschlossen werden?
Für den Haushalt 2023 ist geplant, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Dies hilft aber nicht weiter, sondern schafft nur Rechtssicherheit für bereits in diesem Jahr getätigte Ausgaben, etwa für die Strom- und Gaspreisbremse. Um die Etatlücke des kommenden Jahres zu stopfen, die auf 40 Mrd. bis 50 Mrd. Euro taxiert wird, wollen einige Regierungsvertreter nochmals die Notlage ausrufen lassen. Dies könnte jedoch zum einen verfassungsrechtlich problematisch werden, da die Energiekrise kaum noch als Rechtfertigung herangezogen werden kann. Zum anderen ist dies keine langfristige Lösung, weil die meisten Programme zur Förderung der Energiewende und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands – zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung und bei Halbleitern – auf mehrere Jahre angelegt sind. Es müssten also für 2025 und darüber hinaus weitere Notlagen erklärt werden. In Italien ist ein solches Vorgehen bereits gängige Praxis, es würde jedoch die deutsche Fiskalregel ad absurdum führen.
Im Ergebnis bleibt nichts anderes übrig, als die Schuldenbremse anzupassen. Viele fordern bereits, öffentliche Investitionen bei der Schuldenberechnung auszuklammern und damit die sogenannte goldene Investitionsregel umzusetzen. Eine solche Reform bedarf jedoch einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Teile der Union sind zwar einer Neuregelung nicht abgeneigt, die Opposition wird sich aber einen solchen Deal teuer bezahlen lassen und im Gegenzug auf Ausgabenkürzungen bestehen. Die Verhandlungen darüber dürften sich über Monate hinziehen. Eine andere Lösung wäre es, in Anlehnung an den Bundeswehr-Fonds ein Sondervermögen für den Klimaschutz zu schaffen, das im Grundgesetz verankert wird. Aber auch dafür ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Bis der große Durchbruch gelingt und alle bereits bestehenden Förderprogramme wieder sauber finanziert sind, werden Monate ins Land ziehen. Eine lange Hängepartie ist aber für alle Unternehmen Gift, die bereits in den Startlöchern stehen, um zu investieren. Geschieht nicht noch ein Wunder, dürften zahlreiche Unternehmen ihre Investitionsvorhaben im Bereich der Klimatransformation erst einmal auf Eis legen oder sich im Ausland nach günstigeren Gelegenheiten umsehen.
Alles in allem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die deutsche Konjunktur durch das Hickhack in Berlin einen weiteren Rückschlag erleidet. Deutschland dürfte somit in den kommenden Quartalen noch tiefer in die Rezession abgleiten. Dies gilt umso mehr, als von der Außenwirtschaft zusätzliches Ungemach droht, denn auch in den USA deutet sich für 2024 eine scharfe Wachstumsabkühlung an.