Es vergeht aktuell kaum ein Tag, ohne dass Donald Trump neue Strafzölle verkündet. Importe aus China sind seit dem 1. Februar mit einer Abgabe von 10% belegt. Mexiko und Kanada wurden sogar mit 25% bedacht, erhielten dann aber eine einmonatige Gnadenfrist, die für Verhandlungen genutzt werden soll. Bereits verhängt wurden darüber hinaus länderübergreifend 25%ige Zölle auf Aluminium und Stahl. Außerdem stellte Trump sogenannte reziproke Zölle in Aussicht, die das Einfuhrzollniveau der USA auf das der Handelspartner anheben soll. Schließlich wurden zusätzliche Zölle auf bestimmte Produktgruppen wie Kraftfahrzeuge und Medikamente im Bereich von 25% angekündigt.
Angesichts der Breite dieser Maßnahmen stellt sich einmal mehr die Frage, ob es sich dabei lediglich um Drohgebärden handelt, um die Handelspartner zu Zugeständnissen zu bewegen, beispielsweise den Kauf von Rüstungsgütern und Energie. Oder wird Trump dieses Mal ernst machen und tatsächlich nachhaltig Sand ins Getriebe der internationalen Arbeitsteilung streuen?
Abb. 1: US-Importe regional stark konzentriert
Quellen: Census Bureau, Bantleon
USA am längeren Hebel?
Blickt man auf die regionale Verteilung der Handelsströme, sticht eine hohe Konzentration ins Auge. Rund 60% aller Importe in die USA kommen allein aus vier Ländern bzw. Wirtschaftsräumen. Den größten Anteil an den US-Einfuhren hat mit knapp 19% die EU, gefolgt von Mexiko, China und Kanada. Alle anderen Länder sind jedes für sich genommen weit weniger bedeutend (vgl. Abbildung 1). Dass die unmittelbaren Nachbarn im Norden und Süden eine zentrale Rolle spielen, ist nicht verwunderlich. Denn die beiden Staaten sind aufgrund verschiedener Freihandelsabkommen seit den 1990er Jahren im Warenaustausch eng mit den USA zusammengewachsen.
Abb. 2: Große Asymmetrie – einzelne Länder extrem abhängig vom Handel mit den USA
Quellen: WITS, Bantleon
Diese beiden Nationen sind es auch, die am stärksten von Ausfuhren in die USA abhängen. Im Falle Mexikos haben die Exporte in die USA einen Anteil von 32% am Bruttoinlandsprodukt. Bei Kanada sind es 20%. Für China machen die Exporte in die USA immerhin noch 3% des heimischen BIPs aus – ähnlich ist es in der EU (vgl. Abbildung 2).
Schon diese Abhängigkeiten zeigen, dass die Handelspartner der USA im Falle neuer Zölle einen deutlichen Wachstumsdämpfer verkraften müssten. Wird exemplarisch unterstellt, dass die Exporte dieser Länder in die USA bei einem 10%igen Zoll um 10% sinken, würde das mexikanische BIP um 3% schrumpfen, im Falle Chinas und der EU wären es immerhin -0,3%.
Was hätten die USA zu fürchten, wenn es Ihnen die Handelspartner mit gleicher Münze heimzahlen? Mit Blick auf jedes einzelne Land wären die Belastungen wohl zu verschmerzen. Denn die Ausfuhren der USA in die genannten Länder bzw. Wirtschaftsräume sind nicht nur absolut gesehen deutlich geringer, sondern fallen vor allem in Relation zum US-BIP niedriger aus. Im Mittel entsprechen sie jeweils nur rund 1% des US-BIP (vgl. Abbildung 2). Die wachstumsdämpfenden Effekte von Vergeltungszöllen einzelner Handelspartner würden sich entsprechend in Grenzen halten. Aus dieser Perspektive sieht es also so aus, als ob die USA am längeren Hebel sitzen.
USA wird negative Folgen eins Zollkriegs auf vielfältige Weise zu spüren bekommen
Bei genauerer Betrachtung ist die Verhandlungsposition der USA aber doch nicht so gut. Denn zum einen machen die Ausfuhren der USA nach China, Mexiko, Kanada und in die EU zusammengenommen immerhin 4% des US-BIP aus. Bei einem Viel-Fronten-Krieg addieren sich folglich die jeweils drohenden Schäden. Vergeltungszölle würden entsprechend auch in den USA spürbare negative Wachstumseffekte nach sich ziehen.
Ein noch größeres Problem für die USA sind jedoch zum anderen die drohenden Inflationseffekte. Bei der für die Notenbank im Vordergrund stehenden Kerninflationsrate (Kerndeflator der privaten Konsumausgaben), werden rund 10% des entsprechenden Warenkorbs importiert, entweder direkt oder als Vorprodukte für die Herstellung der Güter in den USA.
Die Boston-Fed hat in einer detaillierten Analyse die Inflationseffekte verschiedener Zoll-Szenarien durchgerechnet. Demnach würden in einem ersten Szenario 10%ige Zölle auf chinesische und 25%ige Zölle auf mexikanische und kanadische Einfuhren den Kerndeflator ceteris paribus um 0,4%- bis 0,8%-Punkte steigen lassen, je nachdem, in welchem Ausmaß die Importeure die Importzölle durch Reduktion ihrer Gewinnmargen abfedern. Der aktuell von vielen Beobachtern erwartete Rückgang der Kerninflationsrate im laufenden Jahr würde dadurch komplett zunichte gemacht. Ende 2025 läge die Kernrate vielmehr in etwa auf dem gleichen Niveau wie Ende 2024 (vgl. Abbildung 3, dort wurde ein Anstieg in der Mitte der Boston-Fed-Bandbreite von 0,4%- bis 0,8%-Punkte zugrunde gelegt).
In einem zweiten Szenario simulierte die Boston-Fed das von Trump im Wahlkampf angekündigte Szenario 10%iger Zölle auf alle Einfuhren und 60%iger Zölle auf Importe aus China. In diesem Fall wäre sogar mit einer um 1,3%- bis 2,2%-Punkte höheren Kerninflationsrate zu rechnen (vgl. Abbildung 3).
Abb. 3: Umfangreiche Zölle würden Inflation deutlich in die Höhe treiben
Quellen: BEA, Boston-Fed, Bantleon
Wir haben die Daten der Boston-Fed genutzt, um abzuschätzen, welche Inflationswirkungen von den in Aussicht gestellten25%igen Zöllen auf einzelne Güter ausgehen. Allein die Verteuerung von importierten Medikamenten, die einen Anteil von knapp 1% am Kerndeflator haben (vgl. Abbildung 4), würde demnach die Kerninflationsrate um gut 0,2%-Punkte nach oben treiben. Bei Kraftfahrzeugen wären es ebenfalls rund 0,2%-Punkte.
Abb. 4: Importe spielen bei einzelnen Konsumgütern eine große Rolle
Quellen: Boston-Fed, Bantleon
Finanzminister Scott Bessent versuchte, den drohenden Inflationsschub durch den Verweis zu relativieren, es handele sich dabei nur um einen einmaligen Effekt. In der Tat wären in den Inflationsraten die zollinduzierten Preissteigerungen nach einem Jahr nicht mehr sichtbar. Diese »Normalisierung« kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Preisniveau erhöht bleibt, die betroffenen Güter also dauerhaft teurer sind. Dies kommt in der Bevölkerung gar nicht gut an. So dürfte der pandemiebedingte Inflationsschub im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf mit ein Grund für die Abwahl der Demokraten gewesen sein.
Abb. 5: Untere Einkommensklassen würden besonders unter Zöllen leiden
Quellen: PIIE, Bantleon; * 10% auf chinesische, 25% auf mexikanische und kanadische Importe
Die schädigende Wirkung der Zölle kann nicht nur an den Inflationszahlen abgelesen werden. Sie kommt auch in den Realeinkommensverlusten zum Ausdruck, die mit den höheren Preisen verbunden sind. In einer Studie des renommierten Peterson Institute wurden die finanziellen Belastungen unterschiedlicher Zollszenarien für die einzelnen Einkommensklassen untersucht. Es zeigt sich, dass die mittleren Einkommensbezieher im Falle 10%iger Zölle auf Chinas Einfuhren und 25%iger Zölle auf die Einfuhren aus Mexiko und Kanada einen Wohlstandsverlust von rund 1.100 USD bzw. knapp 2% ihrer Einkommen hinnehmen müssten. Im extremeren Szenario eines 20%igen Globalzolls und 60%iger Zölle für China, das von Trump gelegentlich erwähnt worden war, wären die Einbußen sogar doppelt so hoch. In beiden Fällen tragen die unteren Einkommensklassen relativ gesehen die größte Last (vgl. Abbildung 5).
Fazit: Es gibt nichts Schönzureden – Zölle schaden allen Beteiligten
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die USA auf verschiedene Weise unter einem selbst angezettelten Zollkrieg leiden würden. Erstens müsste das Land negative Wachstumseffekte aufgrund von Vergeltungszöllen hinnehmen. Zwar ist die weltweit größte Volkswirtschaft weniger abhängig von Exporten als ihre Handelspartner und könnte somit Gegenmaßnahmen einzelner Länder besser verkraften. Bei einem Viel-Fronten-Krieg würden sich die Exportausfälle jedoch zu einem empfindlichen Schaden summieren.
Zweitens sollte durch umfangreiche Einfuhrzölle die Inflation in den USA spürbar angeschoben werden. Selbst wenn es sich dabei um Einmaleffekte handelt, stünde diese Entwicklung im kompletten Gegensatz zum Versprechen Trumps, für tiefere Preise zu sorgen.
Schließlich dürfte sich am eigentlichen Problem der USA – dem dauerhaft hohen Handelsbilanzdefizit – durch einen Schutzwall aus Importzöllen nichts ändern. Denn die USA sind als Emittent der Weltreservewährung aufgrund der stetig wachsenden Nachfrage nach USD quasi zu einem negativen Handelsbilanzsaldo verdammt. Strafzölle können daran nichts ändern. Nur eine schwere US-Rezession würde zu einem Abbau des Handelsbilanzdefizits führen.
Wir gehen davon aus, dass sich die US-Regierung der negativen Folgen von umfangreichen Strafzöllen bewusst ist. Mithin zielen in unseren Augen die Zolldrohungen tatsächlich primär auf Zugeständnisse der Handelspartner in anderen Bereichen ab, beispielsweise beim Export von Rüstungsgütern und Energie. Dass Trump im großen Stil Sand ins Getriebe des Welthandels streut, halten wir daher nach wie vor für unwahrscheinlich. Angesichts der mannigfachen und zum Teil extremen Kurswechsel, die Trump den USA in den vergangenen Wochen in vielen Politikbereichen verordnet hat, muss das Risiko eines eskalierenden Zollkriegs allerdings weiterhin ernst genommen werden.
Autor Dr. Andreas A. Busch ist Senior Economist bei Bantleon.