Trotz der scheinbar schwächeren Wirtschaftsdaten sind am deutschen Aktienmarkt unserer Ansicht nach auch weiterhin interessante Anlagechancen vorhanden.
Marktkommentar: Robert Smith, Baring Asset Management
Wir gehen davon aus, dass eine noch expansivere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu einem schwächeren Euro führen wird, was den Unternehmensgewinnen bis ins Jahr 2015 hinein Auftrieb verschaffen dürfte.
Aktien auf niedrigem Preisniveau
Aktuell liegt das Preisniveau deutscher Aktien unter dem anderer europäischer Länder, weshalb wir die Anlageklasse als Kaufgelegenheit betrachten.
Sobald Mitte November die offiziellen Bip-Daten veröffentlicht werden, wissen wir mehr über die Details der deutschen Wirtschaftsaktivität im dritten Quartal. Was wir jetzt schon wissen, ist, dass ein Rückgang der Industrieproduktion im August in Höhe von vier Prozent die Besorgnis der Marktteilnehmer über ein eventuell enttäuschend ausfallendes Wachstum erregt hat.
Unserer Ansicht nach kam der Rückgang jedoch überraschend. Er stimmte nicht mit den Informationen überein, die wir vor Ort erhalten und die wir in unseren Besprechungen und Treffen mit Geschäftsführungen zusammentragen. Bei vielen dieser Treffen haben uns die Geschäftsführer sogar gesagt, dass die Daten und der Stimmungsumschwung sie ebenfalls überraschten.
Erklärung für schwache Daten
Vor diesem Hintergrund möchten wir zwei mögliche kurzfristige Faktoren hervorheben, die zur Erklärung der schwachen Daten beitragen könnten. Erstens gab es in diesem Jahr in wichtigen Industriegebieten Veränderungen hinsichtlich des Zeitraums der Schulferien, was sich in den entsprechenden Phasen negativ auf die Produktivität ausgewirkt haben dürfte. Viele Firmen, wie beispielsweise Volkswagen, haben ihre Urlaubszeit entsprechend der Schulferien von Juli auf August verlagert.
Zweitens möchten wir auf die Auswirkungen der strengeren Abgasnormen auf den Lkw-Absatz hinweisen. Die Einführung der verschärften Vorgaben dieses Jahr sorgte dafür, dass Käufe in das Jahr 2013 vorgezogen wurden, damit noch gespart werden konnte, bevor die teureren Motoren im Zuge der neuen Emissionsregelung auf den Markt kamen.
Beide Situationen erachten wir als einmalige Vorkommnisse und gehen davon aus, dass sich 2015 die Aktivitäten in diesen Bereichen wieder normalisieren werden. Diese beiden Faktoren behalten wir bei dem Versuch, die deutsche Wirtschaft zu beurteilen, im Hinterkopf.
Automobilsektor unterschätzt
Wenn wir nach vorne blicken, deuten die uns vorliegenden Daten darauf hin, dass noch Raum für positive Überraschungen hinsichtlich der Gewinnentwicklung vorhanden ist, insbesondere in einer Zeit, in der Deutschland nicht mehr in der Gunst der Anleger steht. Am deutlichsten ist dies unserer Meinung nach im Automobilsektor zu erkennen. Die Branche ist das Rückgrat der deutschen Industrie, ist jedoch bei den Anlegern in Ungnade gefallen. Wenn wir uns das Wachstum des Pkw-Absatzes in Höhe von mehr als fünf Prozent anschauen, was über den Erwartungen des Marktes liegt, erachten wir die aktuelle Marktstimmung als möglicherweise übermäßig pessimistisch.
Die Prognosen von Alcoa, einem globalen Aluminiumhersteller, deuten für das vierte Quartal auf Aluminiumabsätze in Rekordhöhe hin, unter anderem aufgrund der Erwartungen an eine starke Automobilproduktion. Das Unternehmen korrigierte sogar kürzlich den unteren Wert seiner Prognose für die weltweite Automobilproduktion im Jahr 2014 von eins bis vier Prozent auf nun zwei bis vier Prozent.
Zusätzlich zum inländischen Absatz gehen wir von einer kräftigen weltweiten Pkw-Nachfrage aus, was für die deutsche Automobilindustrie vorteilhaft sein dürfte. Unsere Strategie ist entsprechend ausgerichtet, um von dieser Entwicklung zu profitieren.
Sinkender Euro hilft
Mit Blick auf das breitere Marktumfeld gehen wir davon aus, dass das geldpolitische Stimulusprogramm der Europäischen Zentralbank, das niedrigere Zinsen und seit September auch Wertpapierfkäufe beinhaltet, zu einer Abwertung des Euro beitragen wird. Für die Unternehmensgewinne von Exportunternehmen und von Firmen, die ihre Gewinne im Ausland generieren, dürfte dies ein Segen sein. Unserer Einschätzung nach dürften sich die Vorzüge eines schwächeren Euro in den Erträgen des ersten Halbjahres 2015 widerspiegeln.
Dennoch ist die tatsächliche Ertragslage deutscher Unternehmen besser als der Durchschnitt des breiteren europäischen Aktienmarkts. Dies schlägt sich jedoch noch nicht zwangsläufig in höheren Aktienkursbewertungen nieder.
Wir sind davon überzeugt, dass diese Tatsache Anlagechancen schafft, da überdurchschnittliche Ertragszuwächse bei sonst gleichen Bedingungen im Zeitverlauf zu höheren Aktienkursbewertungen führen sollten, da Anleger bereit sind, für einen zukünftigen Cashflow mehr zu bezahlen. Sollten deutsche Unternehmen also mittel- bis längerfristig weiterhin starke Erträge erzielen, wovon wir ausgehen, werden sich die Fundamentaldaten unserer Ansicht nach zum Vorteil der Anleger wieder behaupten.
Mit Blick auf das restliche Jahr 2014 und in das Jahr 2015 hinein bleiben wir vorsichtig optimistisch, was den Ausblick für den deutschen Aktienmarkt angeht. Trotz der Schwäche im Bereich mancher Wirtschaftsdaten sind wir aufgrund unserer Gespräche mit den Geschäftsführungen zuversichtlich. Dies trifft insbesondere auf jene Bereiche zu, in denen wir die besten Anlagechancen sehen, wie im Fall der Automobilindustrie und bei kleineren bis mittelgroßen Nischenherstellern von hochwertigen Produkten im Mittelstand.
Im Baring German Growth Trust (GB0000822576) verfolgen wir für die Titelselektion einen Bottom-Up-Ansatz, in dessen Rahmen wir nach der besten Mischung zwischen Wachstums- und Bewertungschancen Ausschau halten. Wir sind davon überzeugt, dass dies unter den aktuellen Marktbedingungen die beste Vorgehensweise ist, insbesondere wenn bei den Ertragsdaten für das dritte Quartal, die in Kürze verfügbar sein werden, größere Unterschiede bei den einzelnen Aktienkursentwicklungen deutlich werden.
Autor Robert Smith ist Fondsmanager des Baring German Growth Trust bei Baring Asset Management in London.