Bastian Kunkel: Der Hype um den ETF-Sparplan

Foto: Enno Friedrich
Bastian Kunkel

Warum es falsch ist, einfach irgendwelche Altersvorsorgestrategien von anderen zu übernehmen, ohne diese für sich selbst geprüft zu haben. Kolumne von Influencer Bastian Kunkel

Ein breit gestreuter ETF-Sparplan scheint aktuell das „Wundermittel” für die private Altersvorsorge zu sein. Einfache und kostengünstige Umsetzung über einen Online-Broker und zudem hohe Renditemöglichkeiten. Dieser These sehen wir uns in unserer Altersvorsorgeberatung sehr oft gegenübergestellt. Kunden fragen uns, was denn nun besser ist. Ein reiner ETF-Sparplan oder doch eine private, fondsgebundene Rentenversicherung, welche ja ebenfalls in ETFs investieren kann? Anstatt hier dem Kunden dann lange vorzurechnen, bei welchem Produkt in welchem Fall am Ende eventuell mehr herauskommt, haben wir bei „Versicherungen mit Kopf” einen anderen Weg gewählt. Und unseren Kunden gefällt dieser Weg richtig gut.

Schon seit Jahren hält der starke Hype rund um ETF-Sparpläne in Deutschland an. Überall werden diese als einfache Lösung für die eigene Altersvorsorge angepriesen. „Spart euch einen teuren Finanzberater, welcher eh nur in seine eigene Tasche wirtschaftet und legt euch einfach selbst einen ETF-Sparplan an” ist nur ein Beispiel, wie für den ETF-Sparplan unter anderem auch auf Social Media Werbung gemacht wird. Auf Kosten des Finanzberaters. Warum? Weil es funktioniert. Ganz einfach. Die Vorurteile über Versicherungsvermittler und Co. sind eh schon in den Köpfen der Menschen, nun muss man diese nur noch clever bespielen.

Und diese „Formel“ ist wirklich extrem gut: Einfache, kostengünstige Anlage + Finanzberatern eins auswischen = die (vermeintlich) perfekte Altersvorsorge. Das ist medial extrem wirksam. Wo liegt jetzt aber das große Problem bei dieser Herangehensweise? Das Problem liegt wie so oft daran, dass viele Menschen diese Anlagestrategie nicht zu Ende denken und diese Informationen dann meist eben auch weggelassen werden oder nicht wirklich differenziert von den Befürwortern der “ETF-Sparplan-Only-Strategie” beleuchtet werden.

Nehmen wir also mal an, ein heute 25-Jähriger setzt bei seiner Altersvorsorge rein auf einen breit gestreuten ETF-Sparplan beim Onlinebroker seiner Wahl. Er kann monatlich einen ordentlichen Betrag ansparen und erhöht diesen auch über die Jahre. Im Schnitt macht der ETF sechs Prozent Rendite p.a. über die nächsten 40 Jahre nach Kosten. Soweit so gut. Nun möchte der jetzt 65-Jährige in Rente gehen und seinen Lebensunterhalt unter anderem aus seinem angesammelten Kapital im ETF-Sparplan bestreiten.

Es gilt also, irgendwie aus dem vorhandenen Kapital monatliche (oder jährliche) Entnahmen zu generieren, um die monatlichen/jährlichen Fixkosten zu decken und natürlich auch, um den Ruhestand genießen zu können. Hierzu gibt es dann gängige Strategien für Entnahmepläne. Zum Beispiel ein Entnahmeplan ohne Kapitalverzehr oder ein Entnahmeplan mit Kapitalverzehr. Bei ersterem lebt man quasi von den Erträgen, die weiterhin (hoffentlich) erzielt werden, vom investierten Kapital. Bei zweiterem wird neben den Erträgen auch immer ein gewisser Teil des vorhandenen Kapitals mit ausgezahlt.

Tatsächlich geht es in meinen Augen aber erstmal nicht um die Wahl der passenden Entnahmestrategie, sondern es geht darum, dass man sich vorab selbst die richtigen Fragen stellt.

Unbekannte Variablen

Springen wir mal in eines unserer Beratungsgespräche. Und jetzt wird es spannend. Wichtig ist hierbei, dass wir niemals und unter keinen Umständen einen ETF-Sparplan als Altersvorsorge schlecht reden werden. Allerdings stellen wir unseren Kunden immer ein paar Fragen dazu, bzw. bitten den Kunden, sich mal in Gedanken 25, 30 oder 40 Jahre in die Zukunft zu projizieren.

Hier einfach mal ein kleines Szenario, was wir den Kunden bitten, mal durchzudenken: „Stell dir vor, du bist jetzt in Rente. Du hast ordentlich Kapital angespart mit deinem ETF-Sparplan. Jetzt möchtest du davon leben. Du hast dich für die Entnahmestrategie ohne Kapitalverzehr entschieden und möchtest deinen Lebensunterhalt rein aus den Erträgen finanzieren. Du hast dir das alles ausgerechnet und mit dem Kapital und der durchschnittlichen jährlichen Rendite kommst du hier gut hin mit deinen Ausgaben. Jetzt haben wir im zweiten Jahr deiner Rentenphase plötzlich so ein Jahr wie in 2022. Die Aktienmärkte crashen, die Inflation steigt und die Lebenshaltung an sich wird um einiges teurer.

Plötzlich reichen die Erträge aus deinem Kapital nicht mehr aus, um deine Lebenshaltungskosten zu decken. Möglicherweise gab es überhaupt keine Erträge in diesem Jahr. Dein investiertes Kapital ist um ganze 15 Prozent gesunken. Nun musst du, obwohl du das nicht vorhattest, Kapital aus deinem Vermögen entnehmen, um deine laufenden Kosten zu decken. Jetzt hast du weniger investiertes Vermögen und dadurch sinken auch deine geplanten zukünftigen Erträge, von welchen du ja leben wolltest. Plötzlich musst du deine Ausgaben reduzieren. Du wirst nervös, weil du nicht weißt, wie lange diese Phase an den Aktienmärkten anhalten wird. Du weißt, dass du nicht – anders als in der Ansparphase – mehrere Jahrzehnte Zeit hast, diesen Verlust wieder auszugleichen, weil du ja jetzt von den Erträgen leben musst.”

Das Szenario kann noch um andere unbekannte Variablen ergänzt werden, zum Beispiel Krankheiten, welche es dir überhaupt nicht mehr möglich machen, dein Portfolio zu managen. Und nun stellt sich eigentlich nur noch eine Frage: „Fühlt sich das für dich nach einem entspannten und sorgenfreien Ruhestand an?” Und die ehrliche Antwort darauf kann nur Nein sein.

Nachdem sich der Kunde nun genau dieses Szenario vorgestellt hat, kommt in 99 Prozent der Fälle immer die gleiche Antwort: „So hab ich das noch nicht gesehen. Das klingt nicht wirklich so, wie ich mir meinen Lebensabend vorstelle.” Wir helfen dem Kunden also zu erkennen, dass er sich vielen künftigen Fragestellungen einfach noch nicht gestellt hat, dies aber heute im Hier und Jetzt tun muss und es einfach zu spät ist, wenn man sich diese Fragen erst in der Rentenphase versucht zu beantworten.

Es klingt halt doch immer so schön und einfach, wenn man irgendwo liest oder hört, dass die Altersvorsorge ganz einfach mit einem ETF-Sparplan gelöst werden kann. Und wie so oft tendieren wir Menschen dazu, bestimmte Risiken auszublenden. Aber nur weil du dir nicht vorstellen kannst, berufsunfähig zu werden, heißt es nicht, dass du kein Risiko hast, berufsunfähig zu werden. Und das Gleiche gilt eben auch bei der Rentenplanung durch einen ETF-Sparplan.

Entscheidung mit Weitblick treffen

Vorab: Unsere Kunden sind uns überaus dankbar, dass wir dieses Thema ansprechen und eben auch die unbequemen Fragen stellen. Wie bereits oben geschrieben, verteufeln wir einen ETF-Sparplan nicht. Im Gegenteil. Ich selbst und alle meine Berater aus meinem Team haben auch ETF-Sparpläne. Aber eben nicht für die lebenslange, planbare Altersvorsorge, sondern für den mittel- und langfristigen Vermögensaufbau. Die lebenslange Rente, ein automatisiertes und sorgenfreies Ablaufmanagement (Umschichten der Anlagen vor Rentenbeginn in weniger volatile Anlagen) und dennoch hohe Renditemöglichkeiten, weil ja auch in die gleichen ETFs investiert werden kann, bietet dir die fondsgebundene Rentenversicherung. Sprich, die Lösung in unseren Augen ist nicht ETF-Sparplan oder fondsgebundene Rentenversicherung, sondern beides. Es werden nämlich unterschiedliche Ziele mit den jeweiligen Produkten verfolgt.

Und diese Strategie, vielmehr diese Philosophie nehmen sehr viele unserer Kunden an, weil sie merken, dass es so einfach viel mehr Sinn ergibt in Bezug auf die eigenen Rentenziele und vor allem auch bezogen auf die eigene Risikoaffinität.

Vermutlich vermisst der ein oder andere hier die steuerliche Betrachtung der beiden Produkte und dass bei dem einen Produkt, wenn die Umstände X und Y vorliegen, ja teilweise doch ein paar 1.000 Euro mehr rauskommen, als bei dem anderen Produkt. Das ist alles richtig, aber auch in diesem Zusammenhang komplett irrelevant. Denn in unseren Augen sollte die Entscheidung für oder gegen das jeweilige Produkt nicht davon abgeleitet werden, wo am Ende mehr rauskommt.

Vielmehr muss sich die eigene Vorstellung des späteren Ruhestandes in der Altersvorsorge-Strategie, die man heute wählt, widerspiegeln. Und diese Philosophie darf (und muss) jeder Kunde selbst wählen. Allerdings sollte man diese Entscheidung sehr überlegt und mit Weitblick treffen. Am Ende darf jeder frei für sich entscheiden, welchen Weg man hier wählt. In meinen Augen gibt es kein generelles besser oder schlechter. Es gibt nur verschiedene Philosophien, welche individuell gewählt werden müssen.

Falsch wäre es, einfach irgendwelche Altersvorsorgestrategien von anderen zu übernehmen, ohne diese für sich selbst geprüft zu haben. Denn in meinen Augen kann es nicht sein – und hier möchte ich mit einem Zitat aus einem Video eines bekannten Finanzkanals schließen – „dass man dann halt mal ein paar Jahre den Gürtel enger schnallen muss in der Rentenphase, wenn man voll investiert ist und die Märkte nicht so gut performen”. Mit Verlaub, aber wirklich niemand möchte im späteren Ruhestand den Gürtel enger schnallen. Das kann kein erstrebenswertes Rentenziel sein.

Bastian Kunkel ist Finanzfachwirt (FH), Experte für Versicherungen und Gründer der Marke „Versicherungen mit Kopf“ mit über 600.000 Followern auf YouTube, Instagram und TikTok.

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