Dauertief, rapider Anstieg, Stabilisierung: Nach zuletzt turbulenten zwei Jahren hat sich der Markt für Immobilienfinanzierungen hierzulande offenbar eingependelt – auf ein Zinsniveau von drei bis vier Prozent für den Vergleichsklassiker schlechthin: das zehnjährige Hypothekendarlehen. Im Herbst 2024 wir gar das untere Ende der Spanne erreicht. „Nach leichtem Anstieg Mitte Oktober bewegen sich die Zinsen für zehnjährige Darlehen jetzt wieder um den bisherigen Jahrestiefstwert von rund 3,3 Prozent. Auch in den kommenden Wochen dürften sich die Zinsen in dem Korridor zwischen drei und 3,5 Prozent bewegen“, prognostiziert Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der auf die Vermittlung von Immobilienfinanzierungen spezialisierten Interhyp-Gruppe. „Ein im Langfristvergleich für Finanzierer durchaus günstiges Zinsniveau“, ordnet Dr. Immo Dehnert, Sprecher des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W) ein.
Das „neue Normal“ spiegelt sich aktuell in einer steigenden Zahl von Baufinanzierungen wider. Es ist eine Phase attraktiver Chancen für Bau, Kauf- oder Sanierungswillige – insbesondere mit Blick auf Immobilien, die den gut zwei Jahre währenden Preisverfall noch nicht wieder wettgemacht haben. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters Dr. Klein Privatkunden AG macht die aktuelle Ausgangslage mit einem Vergleich deutlich: „An der Börse gibt es das Sprichwort ‚zum Einstieg wird nicht geklingelt‘. Hier müssten sämtliche Glocken läuten, da sich aufgrund der Rahmenbedingungen gerade jetzt ein Immobilienkauf lohnt.“ Doch geht es nicht nur darum, das Zeitfenster zu nutzen – Interessierte müssen differenzieren, etwaige Risiken abwägen und die Marktentwicklung im Auge behalten. Entsprechend hoch ist der Beratungsbedarf.
Die entscheidende Frage: Lohnt es sich auf noch günstigere Rahmenbedingungen zu warten? „Wer darauf hofft, dass die Bauzinsen bald wieder das Niveau von 2021 erreichen, wird enttäuscht sein. Die Zeiten ultraniedriger Bauzinsen sind definitiv vorbei – das steht fest“, gibt sich Ricardo Tunnissen, Geschäftsführer von Baufi Deutschland überzeugt. Sein Rat: Potenzielle Immobilienkäufer und Bauherren sollten die derzeitige Lage als Chance nutzen. „Die aktuelle Zinssituation bietet viele Vorteile, wenn man bereit ist, jetzt zu handeln, anstatt auf das unwahrscheinliche Zinswunder zu warten. Wer wartet, riskiert, dass sich die Zinslandschaft nicht weiter entspannt“, so Tunnissen weiter.
Neumann nimmt neben dem Zins- auch das Preisniveau in den Blick: „Der Zeitpunkt, Wohneigentum zu erwerben, ist tatsächlich gerade günstig. Das aktuelle Bauzinsniveau ist historisch betrachtet attraktiv und die Immobilienpreise dürften in den kommenden Monaten und Jahren wieder zulegen. Hinzu kommen steigende Mieten – gerade in den Metropolen – und kaum Aktivität beim Neubau. Wenn Kaufinteressierte ein passendes Objekt gefunden haben, empfehle ich ihnen daher, jetzt zu handeln – die Bedingungen werden sich perspektivisch eher verschlechtern als verbessern.“
Werden die attraktiven Rahmenbedingungen anhalten? „Sinkende Zinsen treiben die Immobilienpreise. Im zweiten Quartal waren erstmalig wieder steigende Wohnimmobilienpreise gegenüber dem Vorquartal zu beobachten. Noch ist ein günstiger Zeitpunkt für den Immobilienerwerb. Insbesondere außerhalb der Großstädte hat sich die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien deutlich verbessert“, so W&W-Sprecher Dehnert. Auch der Wohnindex des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die eigenen vier Wände aktuell erschwinglicher sind, als noch vor zwei Jahren. Laut Index für das dritte Quartal 2024 spielen sinkende Zinsen und steigende Einkommen Käufern in die Karten – trotz wieder anziehender Kaufpreise. Demnach musste eine vierköpfige Familie mit einem mittleren Vollzeit- und einem ebensolchen Teilzeiteinkommen zuletzt 40 Prozent des gesamten monatlichen Einkommens für ein Eigenheim aufbringen. Ende 2022 waren es noch 45 Prozent.
Weiterhin angespannt hingegen bleibt laut Wohnindex die Lage bei den Mietpreisen: Gegenüber dem Vorjahr seien die Neuvertragsmieten in Deutschland um 5,2 Prozent gestiegen, in den sieben größten Städten sogar um 7,2 Prozent.
Doch der Reihe nach zu den Rahmenbedingungen: Die Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Oktober (3,5 auf 3,25 Prozent) hat die Finanzierungszinsen nur indirekt beeinflusst. „Die Senkung des Leitzinses im Oktober war bereits in die Bauzinsen eingepreist. Hinzukommt, dass Langfristzinsen wie die der Baufinanzierung nicht direkt auf den kurzfristigen Zins der EZB reagieren – auch wenn dieser ein Einflussfaktor ist. Weitere relevante Faktoren sind die Entscheidungen der amerikanischen Notenbank, die Wirtschaftsentwicklungen vor allem in den USA, Europa und Deutschland, die Inflation und die weltpolitische Lage.“ Auch internationale Zinsverflechtungen sowie Angebot und Nachfrage bei Anleihen spielen wichtige Rollen. „Die Entwicklung der Gesamtgemengelage vorherzusehen, macht eine Bauzinsprognose so schwierig.“
Eine weiterer Zinsschritt der EZB mit einer Senkung von 25 Basispunkten wird im Dezember erwartet. Auch ein solcher, so die Marktauguren, scheint weitgehend eingepreist. Daher geht Dr. Klein-Experte Neumann bis zum Jahresende und auch darüber hinaus von einer „Seitwärtsbewegung der Baufinanzierungszinsen“ aus.
Interhyp befragt regelmäßig eine Gruppe von Bankexperten in Sachen Zinsentwicklung. „Für den Zeitraum von einem halben bis zu einem Jahr prognostiziert die knappe Mehrheit unseres monatlichen Interhyp-Banken-Panels steigende Bauzinsen. Das heißt, die Bauzinsen könnten sich auch wieder der Vier-Prozent-Marke nähern“, so Vorstandschef Utecht. Ein Verfall hingegen ist eher unwahrscheinlich. „Das historisch niedrige Zinsniveau vergangener Jahre wird nach unserer Einschätzung in naher Zukunft nicht mehr erreicht“ ergänzt Dehnert.