EXKLUSIV

Baufinanzierung: Besser wird’s nicht

Während die Bauzinsen also vergleichsweise stabil auf einem im historischen Vergleich moderaten Niveau verbleiben dürften, zieht der Immobilienmarkt, nachdem die Preise lange stagnierten oder sanken, wieder an. „Wir sehen, dass sich der Markt für Bestandsimmobilien seit dem Jahresanfang erholt. Wir sind noch spürbar vom Niveau von vor der Zinswende 2022 entfernt, die Nachfrage in diesem Jahr ist aber bereits deutlich größer als noch 2023. Und diese führt seit Jahresbeginn auch zu steigenden Preisen“, berichtet Utecht. Laut Interhyp-Immobilienindex sind die Immobilienpreise in diesem Jahr in jedem Monat gestiegen – seit Jahresanfang für Gesamtdeutschland um 3,2 Prozent. „Ich gehe davon aus, dass die Preise auch in den kommenden Monaten weiter steigen werden – und sich dadurch das aktuell günstige Zeitfenster für den Immobilienkauf perspektivisch wieder schließen könnte. Ich kann Kaufinteressierten daher nur dazu raten, die aktuell attraktive Gelegenheit zum Hauskauf zu nutzen.“  

Der Geschäftsführer des Finanzierungsvermittlers Baufi24, Oliver Kohnen sieht die Entwicklung ähnlich: „Aktuell steigen die Immobilienpreise zwar noch nicht so stark, wie sie es in einem heiß gelaufenen Verkäufermarkt tun. Doch Häuslebauer in spe sollten das noch offene Zeitfenster nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wer zu lange zögert, riskiert, schon in naher Zukunft bei relativ konstanten Finanzierungskosten mit stärker anziehenden Immobilienpreisen konfrontiert zu werden. Der Immobilientraum könnte dann wie schon in den Zehner-Jahren in weitere Ferne rücken.“

Wichtig: Wer die Chancen im aktuellen Zeitfenster nutzen will, sollte stets im Blick behalten, dass sich der Immobilienmarkt uneinheitlich entwickelt. Während gerade in Metropolen die Preise im Bestand anziehen, verzeichnen weniger energieeffiziente ältere Objekte oder Immobilien in ländlichen Regionen teils immer noch Preisnachlässe. Wer also mit Herausforderungen wie Sanierungsstau umzugehen vermag oder abseits der Metropolen sucht, findet dort die besagten Chancen.

„Wir sehen heute wesentlich mehr Käufe von Bestandsimmobilien als vor dem Zinssprung im Jahr 2022. Dabei ist das Alter der gekauften Immobilien merklich nach oben gegangen und es werden häufiger energetische Sanierungsmaßnahmen im Zuge des Kaufvorhabens oder in naher Zukunft eingeplant“, sagt Neumann. Aus seiner Sicht ist „jetzt ein guter Zeitpunkt, eine Bestandsimmobilie zu kaufen und gegebenenfalls in deren Umbau oder Sanierung zu investieren“. Gerade bei Objekten mit einer schlechten Energieeffizienzklasse seien Schnäppchen möglich. „Hier ist wichtig, dass die Käufer von Vornherein einen Energieberater ins Boot holen, der die Kosten für die energetische Sanierung realistisch einschätzt“, rät der Experte.

Auch Thomas Hein, Leiter des Vertriebs Immobilienfinanzierung bei ING Deutschland, sieht das Thema Nachhaltigkeit als sehr wichtig an: „Seit dem letzten Jahr bieten wir im Vertrieb den Kontakt zu einem Nachhaltigkeits-Beauftragten an. Mit der Installation dieser Position haben wir voll ins Schwarze getroffen. Ein Fokus ist der Aufbau von Know-how bei unseren internen und externen Beraterinnen und Beratern. Ob Webinare, Workshops, Veranstaltungen oder persönliche Nachhaltigkeits-Talks – das Angebot der energieeffizienten Information wird rege genutzt. Und auch wir als Bank profitieren von dem Know-how unseres Nachhaltigkeits-Beauftragten. So können wir Services wie einen Sanierungs-Rechner oder Modernisierungs-Partner für die Energieberatung und die Installation von Wärmepumpen oder Photovoltaik-Anlagen sehr zielgerichtet und auf der Höhe der Zeit auf den Weg bringen.“
Bei Interhyp zeichnet der Erwerb bestehender Immobilien in diesem Jahr für fast 70 Prozent aller über die Plattform abgeschlossenen Finanzierungen verantwortlich. Die Objekte sind im Median aktuell mehr als 50 Jahre alt. „Das Interesse am Bestand wird auch weiterhin hoch bleiben“, ist sich Utecht sicher. Dadurch werde auch das Thema Sanierung in Zukunft noch relevanter. „Entsprechend wichtig ist eine wirksame und zielgerichtete Förderkulisse in diesem Bereich“, so der Interhyp-Chef.  „Seriöse Baufinanzierer berücksichtigen bei der Beratung zudem den energetischen Zustand von Wohnimmobilien, der bei Kauf- und Modernisierungsentscheidungen immer wichtiger wird. Staatliche Förderungen sind ein weiteres Thema, wo Kompetenz gefragt ist“, ergänzt Dehnert mit Blick auf den Beratungsbedarf.

Der große Anteil an Bestandsimmobilien bedeutet gleichzeitig, dass die Erholung in den Segmenten Neubau und Anschlussfinanzierung bisher kaum angekommen ist. Dehnert fasst die Lage zusammen: „Fakt ist: Die Preisentwicklung im Neubau ist eine andere als bei Bestandsimmobilien. Beim Neubau verzeichnen wir höhere Finanzierungskosten, die vielerorts auf ein hohes Grundstückspreisniveau, sehr hohe Baupreise, hohe Baustandards und hohe Anforderungen von Gemeinden treffen. Dies gilt für private Bauherren und Bauträger gleichermaßen. Die Neubaunachfrage dürfte angesichts dessen auf absehbare Zeit verhalten bleiben – viele Haushalte auch mit überdurchschnittlichem Einkommen können sich die aktuellen Kosten beim Neubau kaum mehr leisten.“

Der Anteil an Anschlussfinanzierungen am gesamten Baufinanzierungsvolumen ist laut Neumann seit Anfang 2022 entsprechend dramatisch gesunken. „Im Zuge des Zinssprungs haben viele Kunden zum damaligen Zeitpunkt Nägel mit Köpfen gemacht und sich die sehr niedrigen Zinsen langfristig gesichert. Der Anteil der Anschlussfinanzierungen am gesamten Finanzierungsvolumen wird durch diesen Vorzieheffekt noch einige Zeit unterdurchschnittlich sein“, so seine Prognose

Der grundsätzliche Stimmungswandel im Markt für Immobilienfinanzierungen wird durch Zahlen des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) untermauert. Im zweiten Quartal 2024 vergaben die im vdp zusammengeschlossenen Institute Immobilienkredite im Wert von 31,2 Milliarden Euro – ein Anstieg von 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Treiber dieser Entwicklung waren die Wohnimmobilienfinanzierungen. Sie stiegen im Jahresvergleich um deutliche 33,1 Prozent auf 20,1 Milliarden Euro. Der vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt sieht in den Daten Bedeutendes: „das Ende des zweijährigen Abwärtstrends am Immobilienmarkts“.

Autor Thomas Eilrich ist Wirtschaftsredakteur und Immobilienjournalist.

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