Was benötigen denn Vermittler für das nächste Jahr, um in der Baufinanzierung auch weiterhin erfolgreich zu sein?
Konrad: Das bislang wichtige Thema Schnelligkeit der Banken im Kreditprozess wird sich deutlich entschleunigen können. Potenzielle Käufer werden nicht mehr darauf angewiesen sein, quasi über Nacht eine Zusage zu erhalten. Zukünftig wird stattdessen das Thema Flexibilität immer wichtiger werden. Da ist die ING grundsätzlich schon sehr gut aufgestellt, was zum Beispiel Tilgungssatzhöhen oder Härtefallregeln betrifft. Zudem wird die Digitalisierung immer weiter an Bedeutung gewinnen. Wenn man sieht, was sich seit Corona entwickelt hat, ist das schon atemberaubend. Mittlerweile sind Online-Termine schon beinahe Normalität, was ich auf der einen Seite schade finde, weil ich den persönlichen Austausch nach wie vor als belebend und für das Geschäft förderlich ansehe. Auf der anderen Seite hilft diese Digitalisierung natürlich extrem in Bezug auf Zeit und Kosten. Grundsätzlich ist das Know-how des Ansprechpartners bei der Bank sehr wichtig, wenn es einmal Fälle außerhalb der Norm gibt, die es zu entscheiden gilt. Es ist einfach wichtig, dass man weiß, wie tickt die Bank, wie tickt der Vermittler, um sich möglichst reibungsfrei und zum Wohle der Sache zusammenzufinden.
Hintermair: Jede Bank sollte sich ein Beispiel an der ING nehmen. In meinen Augen macht sich die Bank jeden Tag Gedanken, wie sie zum einen den Service verbessern, zum anderen aber auch, wie sich der Antragsprozess noch weiter verschlanken lässt. Das ist ein ganz anderer Denkansatz und an Genialität nicht zu übertreffen. Das ist wirklich kundenorientiert. Ich bin sehr zufrieden mit der Abwicklung, mit Prozessen, etc., weil ich es auch immer mit anderen Banken vergleiche.
Kirschner: Das eben angesprochene Mehr an Flexibilität, hat eher einen psychologischen Effekte, denn wenn man schaut, bei wie vielen Kunden wir einen Tilgungssatzwechsel gemacht haben, ist die Zahl sehr gering. Ich habe aber noch einen anderen Punkt, den es zu verbessern gilt. Wenn Kunden sanieren und die Zuschüsse dafür beantragen, dauert es sehr lange, bis diese kommen. Die müssen wir vorfinanzieren. Und da würde ich mir eine Sondertilgungsmöglichkeit in Höhe des Zuschusses wünschen. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme, die mit Sicherheit genutzt würde und Kunden einen echten Mehrwert bietet.
„Das Tempo im Kreditprozess seitens der Banken wird sich deutlich entschleunigen.“
An welchen Projekten arbeitet die ING aktuell? Und was tut sie generell, um weiterhin gut im Vermittlermarkt präsent zu sein?
de Bruijn: Wir arbeiten derzeit an einem Renovierungsprodukt. Wir haben jetzt zwar die energieeffiziente Baufinanzierung, allerdings greift die größtenteils nur im Neubau. Wenn ich mir den deutschen Gebäudebestand anschaue, bringt uns das nicht weiter. Wir arbeiten aktuell daran, mit einem Produkt auf den Markt zu gehen, das jeder Kunde versteht, das auch einfach und schnell ist und das am Ende unsere Kundinnen und Kunden sowie auch uns hilft, ein Bestandsobjekt auf eine bessere Energieklasse upzudaten. Zum anderen geht es bei uns auch immer um das Thema ‚Digitalisierung‘: Wie können wir Daten schneller auslesen? Wie können wir Sachen einfach auch prüfen, ohne dass noch jemand händisch draufschauen muss? Vor allem beim Thema Objektwert ist das ganz spannend. Was passiert mit den Objektwerten und den Versicherungen? Und können wir uns noch irgendwo Daten holen, damit wir einen Abgleich vornehmen können? Darüber hinaus haben wir die Vertragsmappe dieses Jahr auf digital umgestellt. Ich möchte aber auch gerne generell die digitale Unterschrift möglich machen. Wir reden viel über Nachhaltigkeit, aber ein ganzes Konvolut an Papieren rauszusenden, hat damit nicht viel zu tun. Da können wir noch besser werden.
Hein: Aktuell arbeiten wir im Vertrieb an Webinaren unter dem Blickwinkel: Wie können wir helfen, das Know-how in Richtung z. B. von Energieklassen zu optimieren, sodass es einen Standardpool gibt, um Kunden in der ersten Runde schon Informationen und Tipps geben zu können. Darüber hinaus haben wir ein Energieberatungstool entwickelt, das wir im Moment testen, um den Kunden Tipps zu seiner speziellen Immobilie in Bezug auf Energieeinsparung geben zu können. Das ist dann natürlich wieder ein separates Tool, in das entsprechende Informationen eingepflegt werden müssen. Aber die Erfahrungen damit aus unserem Direktgeschäft sind sehr gut. Viele Kundinnen und Kunden hatten einen Aha-Effekt. Das Tool ersetzt nicht den Gang zur Energieberatung, aber es gibt erste nützliche Energietipps. Das sollte nächstes Jahr vollends ausgerollt werden und unseren Finanzierungspartnern wiederum einen Marktvorteil gegenüber anderen bieten.
de Bruijn: Interessant dabei ist, dass die Kundenseite, die das Energieberatungstool genutzt hat, eine höhere Abschlusschance besitzt, weil sie in der Tat Maßnahmen zum Energiesparen ergreift. Teilweise finanzieren sie mehr, wenn das geht, oder setzen mehr Eigenkapital ein und sagen, diese Maßnahme ist so wichtig und bringt mir so viel Mehrwert und alles nur, weil wir darüber gesprochen haben.
Kommen wir zum Megatrend Nachhaltigkeit. Welchen Stellenwert hat das Thema aktuell in den Beratungsgesprächen?
Konrad: Proaktiv ist es in der Finanzierungsberatung bislang in der Tat kein großes Thema. Hellhörig werden die Kunden, wenn es im Rahmen der energieeffizienten Baufinanzierung um einen Zinsrabatt geht. Und wenn es um Energieeffizienz geht, wird das Thema für den Kunden ein bisschen greifbarer, weil sich daraus ein direkter monetärer Vorteil ergibt. Vor allem durch die steigenden Energiepreise sind im Moment viele Menschen für dieses Thema sensibilisiert, wodurch auch der Energieausweis immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Generation „Fridays for Future“ ist noch relativ weit weg, was den Kauf einer Immobilie betrifft. Wenn das für diese Zielgruppe einmal interessant wird, dann könnte das Thema Nachhaltigkeit proaktiver werden.
Hintermair: Nachhaltigkeit ist nur dann interessant, wenn es wirtschaftliche Vorteile bietet. Wir hätten heute keine einzige PV-Anlage auf irgendeinem Dach, wenn das nicht wirtschaftlich wirklich sinnvoll wäre. Der reine Nachhaltigkeitsgedanke zieht auf keinen Fall.
de Bruijn: Wir haben das vor ein paar Jahren mal nachgefragt, da war Deutschland leider ganz, ganz unten, wenn es darum ging: Wissen Kunden eigentlich, welchen CO2-Ausstoß eine Immobilie verursacht? Und was tut man dagegen? Das Ergebnis war dann: Ja, ich möchte gerne etwas tun, aber ich möchte auch einen Vorteil – monetär – daraus ziehen. Sukzessive wird sich das aber ändern, insbesondere wenn der Energieausweis bei der Transaktion immer wichtiger wird.
Hein: Das ist der entscheidende Punkt. Wenn jemand ein energieeffizientes Haus besitzt, kann er dieses aufgrund einer besseren Energieklasse sehr wahrscheinlich leichter und zu einem besseren Preis verkaufen. Aber er braucht es greifbar.
Hintermair: Und es ist sowohl ein Generationenthema und im Bereich der Gutverdiener angesiedelt. Dort ist das Thema Nachhaltigkeit proaktiv und einer gewissen Zielgruppe vorbehalten.