Baufinanzierung in der Krise: Es droht Wohnungsmangel

Foto: PantherMedia / Phovoi R.
Wer jetzt eine Immobilie finanzieren will, sollte sehr genau hinsehen.

Steigende Zinsen sorgten in 2022 für einen zunehmenden Rückgang des Baufinanzierungsgeschäfts. An dieser Situation hat sich bis dato wenig geändert. Baufinanzierer und Finanzierungspartner müssen die Situation auch in 2023 neu bewerten und vor allem umdenken.

Beinahe monatlich meldet das Statistische Bundesamt neue Tiefststände, was die Zahl der Baugenehmigungen betrifft. Der Rückgang hat sich seit Jahresbeginn rasant fortgesetzt. Im Januar wurden 21.900 Wohnungen in Deutschland genehmigt, gut ein Viertel (26 Prozent) oder 7.700 Bewilligungen weniger als im Vorjahresmonat. Allein bezogen auf den Neubau ist der Rückgang sogar noch etwas größer. In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden im Januar 18.700 Wohnungen genehmigt, ein Minus von 28,5 Prozent binnen Jahresfrist. Dabei fielen die Bewilligungen für Einfamilienhäuser um gut ein Viertel und bei den Zweifamilienhäusern um fast die Hälfte. Bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, schrumpfte die Zahl der genehmigten Wohnungen um beinahe 29 Prozent. Die Baugenehmigungen sind mit Blick auf den Wohnungsmangel in vielen Städten ein wichtiger Indikator.

Trotz der großen Nachfrage nach Wohnraum ist die Zahl der Baugenehmigungen bereits im vergangenen Jahr um fast sieben Prozent auf 354.400 Vorhaben gefallen, der niedrigste Stand seit 2018. Kein Wunder. Schließlich sind  im Wohnungsbau im Februar mehr Aufträge storniert worden als im Vormonat. Das geht aus einer Umfrage des ifo Instituts hervor. 14,3 Prozent der Unternehmen meldeten im Februar abgesagte Aufträge, nach 13,6 Prozent im Januar. „Das Neugeschäft leidet stark unter den deutlich höheren Zinsen und den gestiegenen Baukosten. Im Mittel sind die Auftragsbücher zwar immer noch gut gefüllt, aber etliche Unternehmen klagen bereits über einen Auftragsmangel“, sagt ifo-Forscher Felix Leiss. 23,4 Prozent der Wohnungsbaubetriebe berichteten von zu wenig Aufträgen. Im Januar waren es sogar 25,3 Prozent. Vor einem Jahr lag die Zahl erst bei 9,5 Prozent. 6,9 Prozent der Firmen klagten obendrein über Finanzierungsschwierigkeiten, verglichen mit 5,5 Prozent im Januar und 3,1 Prozent im Februar 2022. „Im Wohnungsbau geht die Angst um – die Geschäftserwartungen fielen auf einen neuen Tiefststand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991“, sagt Leiss weiter. Die Wohnungswirtschaft schlägt Alarm.

„Die Politik muss endlich die Augen öffnen und alles dafür tun, die Wohnungsbaukrise nachhaltig zu bekämpfen. Ansonsten werden viele Menschen in Deutschland künftig keine Wohnung mehr finden und die Preise auf dem Wohnungsmarkt weiter steigen“, kritisiert Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Angesichts des massiven Zinsanstiegs und weiterer Preissprünge müsse die Regierung endlich ein funktionierendes und verlässliches Fördersystem für bezahlbaren Wohnungsbau auf die Beine stellen. Ansonsten werde für die Mitte der Gesellschaft langfristig kein bezahlbarer Wohnraum mehr entstehen. Das sei sozialer Sprengstoff. 

Quelle: Interhyp

Wegen der stark gestiegenen Kreditzinsen und hohen Baupreise halten sich viele Bauherren mit Projekten zurück oder stornieren sie – von privaten Hausbauern bis Großinvestoren. So hat beispielsweise der Immobilienkonzern Vonovia Anfang des Jahres verkündet, sämtliche Bauprojekte wegen der hohen Inflation und der steigenden Zinsen für dieses Jahr auf Eis legen zu wollen. Letztere sind seit Beginn 2022 steil in die Höhe geschossen und steigen stetig weiter. Mittlerweile liegen die Zinsen für Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren bei 3,75 Prozent, jene für 15 Jahre bei 3,91 Prozent (Stand Anfang April). Da die Notenbanken aufgrund nach wie vor hoher Inflationsraten von sieben bis acht Prozent ihren Zinserhöhungskurs weiterfahren werden, dürfte es auch an der Zinsfront kurz- und mittelfristig nicht zu einer Entspannung kommen. Mit verheerenden Folgen wie eine aktuelle Umfrage der BHW zeigt. Danach wollen nur sechs Prozent der Befragten im laufenden Jahr eine Immobilie erwerben, das hat eine repräsentative Umfrage der BHW Bausparkasse ermittelt. Noch 2012 hatten dies doppelt so viele Befragte – zwölf Prozent – angegeben. Und auch die Lust auf Modernisierung, die im Herbst letzten Jahres unserer Baufi-Expertenrunde als Alternative zum abnehmenden Geschäft im Neubau angesehen wurde, ist aktuell geringer als vor rund einer Dekade.

Wollten vor gut zehn Jahren 28 Prozent die Energieeffizienz steigern, sind es 2023 nur 14 Prozent. 2012 hatten 37 Prozent der Befragten Komfort und Ausstattung auf der Agenda, heute 18 Prozent. Die Verunsicherung ist groß, gerade wenn es um den Einsatz von Eigen- und Fremdkapital geht. Weniger als die Hälfte der Deutschen mit konkreten Vorhaben will Eigenkapital in die Finanzierung einbringen. Wer ein Altbauprojekt hat, braucht seltener Geld von einer Bank (25 %) als diejenigen, die erwerben wollen (41 %). Überraschend wenige haben Förderungen im Fokus (Neubau/Kauf 19 %, Sanierung 26 %). „Wir brauchen jetzt einen realistischen Blick auf die eigenen Wohnwünsche und Möglichkeiten, der aber auch die Chancen ausschöpft“, sagt Hennig Göbel, Vorstandsvorsitzender der BHW Bausparkasse. „Fällt die Entscheidung für die eigenen vier Wände oder eine Altbauerneuerung, sollte man frühzeitig mit der Kapitalbildung beginnen und Förderungen einbeziehen.“

Und was bedeuten all diese Hiobsbotschaften für das Baufinanzierungsgeschäft in diesem Jahr? Anders als in den letzten rund zehn Jahren zuvor, ist es derzeit kein Selbstläufer und der Switch vom Verkäufer zum Käufermarkt ist in vollem Gange. Wie die Finanzierungspartner mit dieser neuen Situation umgehen sollten und wie sich die komplexe Gemengelage entwirren lassen könnte, diskutieren wir mit drei Baufinanzierungsexperten auf den folgenden Seiten.    

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments