Baufinanzierung: „Keine andere Bank ist so nah am Vermittler wie wir“

Thomas Hein
Foto: Dirk Beichert
Thomas Hein, ING: "Wer eine eigene Immobilie bewohnt, ist von Mietsteigerungen unabhängig und hat sein Kapital erst einmal gut und sicher angelegt.“

Angesichts gestiegener Bauzinsen ist das Immobilienfinanzierungsgeschäft für Vermittler derzeit eine Herausforderung. Wie sich diese bewältigen lässt, welche Faktoren dazu beitragen können, potenzielle Kunden zum Abschluss zu bewegen und wie es an der Zinsfront weitergehen könnte, besprachen wir mit Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland.

Zehnjährige Baudarlehen liegen derzeit bei einem Zinssatz von rund 4,2 Prozent. Was bedeutet das für die Bau- bzw. Kaufbereitschaft der Deutschen?

Hein: Es sind nicht allein die Zinsen, die sich auf die Bau- bzw. Kaufbereitschaft auswirken. Aktuell kommen viele Faktoren im Umfeld dazu, die die Entscheidung pro oder contra Immobilie massiv beeinflussen: Die Steigerung der Baukosten, der Mangel an Handwerkern, die steigenden Nebenkosten, um nur ein paar Punkte zu nennen. In Kombination mit der Zinssituation – die Zinsen liegen deutlich höher als vor zwei Jahren – sind die Kundinnen und Kunden unsicher. Sie warten lieber noch ab, als dass sie schnell zuschlagen. Das Gesamtpaket führt am Ende zu einer abwartenden Situation im Immobilienmarkt – das hat dann auch Auswirkungen auf den Baufinanzierungsmarkt.

Welches Feedback erhalten Sie aus dem Vertrieb, wo drückt der Schuh derzeit am meisten?

Hein: Die rückläufige Nachfrage ist für uns natürlich ein Thema. Viele Kundinnen und Kunden sind skeptisch, wie es mit der Inflation weitergeht, wohin sich die Energiepreise entwickeln und wie es mit der Förderung aussieht. Gerade mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben oder die Fördermittelvergabe für die Sanierung und Modernisierung herrscht auf dem Markt viel Unsicherheit. Nur die wenigsten nehmen das Risiko auf sich und investieren heute. All das zeigt: der Markt ist im Umbruch. Zukunftsweisende Lösungen, die auch Bestand haben, sind nicht in Sicht. Das fördert die beschriebene Unsicherheit – auch im Vertrieb.

Wie fällt Ihre Prognose für die Zinsentwicklung für das kommende Jahr aus?

Hein: Jede Vorhersage ist im Moment schwierig. Wenn überhaupt, könnte die Europäische Zentralbank zum Ende dieses Jahres noch einmal die Leitzinsen anheben. Sicher ist das aber noch lange nicht. Der Drahtseilakt zwischen zunehmenden Konjunktursorgen, aber gleichzeitig zu hoher Inflation wird immer schwieriger. Wenn wir uns aus dem Fenster lehnen, können wir uns vorstellen, dass im Sommer nächsten Jahres eine erste Reduzierung der Leitzinsen stattfinden könnte. Zunächst in Amerika und dann auch bei uns. Aber das ist wirklich sehr mit Vorsicht zu genießen. Die Prognose hängt einfach von zu vielen Rahmenbedingungen ab.

Welche Argumentation könnte bei all denjenigen verfangen, die bei diesem Zinsniveau vor einer Finanzierung zurückschrecken?

Hein: Menschen, die daran denken, zu bauen oder zu modernisieren, sollten sich zuallererst beraten lassen – bei ihrer Bank, bei ihrem Energieberater oder bei ihrem Handwerkbetrieb. Jede Finanzierung basiert auf ganz individuellen Voraussetzungen. Trotzdem gibt es eine alles entscheidende Frage: Kann ich mir meinen Immobilienplan auch finanziell leisten. Hier gilt es, mit einem Finanzierungsprofi genau hinzuschauen. Fällt die Entscheidung positiv aus, geht es im nächsten Stepp darum, Zinsbindung, Tilgungshöhe und Eigenkapitalanteil zu klären. Auch das muss individuell erörtert werden. Unsere Erfahrung ist: Je konkreter das Vorhaben durchgerechnet wird, je sicherer die Kundin oder der Kunde ist, alle Eventualitäten mit eingeplant zu haben, desto mehr verliert die Unsicherheit an Gewicht. So lässt sich auch in Zeiten höherer Zinsen die Entscheidung für eine Immobilie sehr gut treffen.

Benötigt möglicherweise auch der Baufi-Kunde ein anderes Mindset?

Hein: Blickt man auf die Zinsentwicklung zurück, ist das Allzeithoch noch lange nicht erreicht. Das empfinden die Menschen nach der langen Niedrigzinsphase natürlich anders. Was war früher besser? In der Hochzinsphase haben sich die Kundinnen und Kunden ganz bewusst für die Immobilie entschieden. Wohlwissend, dass andere Dinge für die nächsten Jahre zurückstehen müssen. Ein bisschen mehr von diesem Mindset täte heute gut. Wichtig dabei ist auch hier: Je fundierter die Finanzierungsentscheidung, desto bewusster lassen sich die Einschränkungen einplanen. Und es gibt auch einige positive Aspekte, die man sich immer wieder verdeutlichen kann: Wer eine eigene Immobilie bewohnt, ist von Mietsteigerungen unabhängig und hat sein Kapital – auch was die Altersvorsorge betrifft – erstmal gut und sicher angelegt. Zumal man mit einer flexiblen Finanzierung wie der der ING auch auf die Veränderungen im Leben reagieren kann.

Wie unterstützt die ING die Vermittler bei ihrer aktuell sehr herausfordernden Tätigkeit?

Hein: Vor allem unterstützen wir sie im Wissensaufbau. Zum Beispiel mit einem Nachhaltigkeitsbeauftragten und einem Digitalisierungsbeauftragten, die in Sprechstunden oder auch in Gesprächen direkt vor Ort bei der Vermittlerin oder dem Vermittler persönlich beraten. Es gibt Schulungen mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen oder insgesamt 18 interne Webinare zu den unterschiedlichsten Vertriebsthemen. Wer als Vermittlerin oder Vermittler bei der ING angebunden ist, der ist gut aufgehoben. Und immer auf der Höhe eines sich rapide schnell verändernden Baufinanzierungsmarkts. Das gilt auch für den Vertrieb. Mit unserem regionalem Key Account Management sind wir auch vor Ort zur Stelle, wenn es Fragen zu einer Vertriebsmaßnahme oder unserer Baufinanzierung gibt. Aber auch mit digitalen Service-Leistungen wie dem Partnerportal, der Videoberatung oder dem Dokumenten-Upload unterstützen wir die Vermittlerinnen und Vermittler bei der Erschließung ihrer Klientel. Das kommt bei unseren Partnerinnen und Partnern sehr gut an. Gerade erst war ich in Deutschland auf meiner Business-Tour im Wohnwagen unterwegs – das Feedback, das ich allerorten erhalten habe, ist einhellig: Kaum eine andere Bank ist so auf Augenhöhe und so nah am Vermittlermarkt wie die ING Deutschland. Und Sie dürfen sicher sein: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass das so bleibt.

Vielfach hört man das Argument: Wenn eine Finanzierung für Kauf oder Neubau nicht funktioniert, biete ich eine Finanzierung für Modernisierung oder Sanierung an. Ist das wirklich so einfach?

Hein: So einfach ist es nicht. Es bedarf viel stärker als früher einer Basis an Grundwissen in der Beratung. Das sollte man sich aneignen. Die Kundinnen und Kunden erwarten heute, dass man auch in den die Finanzierung angrenzenden Bereichen Kompetenz besitzt. Das gilt insbesondere für die Ansprache des Bestands zu den Themen Sanierung und Modernisierung. Die bestehenden Kundinnen und Kunden kennen einen vielleicht, aber auch sie erwarten, dass man sich mit Energieklassen etc. auskennt. Man muss keine Energieberaterin oder kein Energieberater sein, aber man sollte schon wissen, worüber in der Beratung gesprochen wird.

Wie gut ist der Vertrieb auf das Thema ESG vorbereitet?

Hein: Wir stehen genauso wie der Markt erst ganz am Anfang. Die Weltklimaziele stellen alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen. Schon jetzt zeigt sich: Dieser Wandel wird unsere Branche verändern. Natürlich haben wir bereits mit ersten Produkten und Schulungen reagiert, aber das ist wie gesagt erst der Anfang. Wir müssen offen sein, zuhören und sehr schnell auf ein sich ständig veränderndes Umfeld reagieren. Der Bereich Modernisieren und Sanieren ist ein Beispiel dafür, was uns in Zukunft erwartet. Lernen, wo die Entwicklung hingeht, sich an neue Umstände und Ziele anpassen – das sind Qualitäten, die wir in Zukunft weitaus stärker als heute brauchen werden.

Es gibt beim Aspekt Nachhaltigkeit offenbar eine gefühlte und eine echte Realität. Aus anderen Finanzbereichen wird berichtet, dass insbesondere bei der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage rund 80 Prozent die Berücksichtigung von ESG in ihrer Kapitalanlage ablehnen. Wie verhält es sich in der Baufinanzierung?

Hein: Die Realität bei der Kapitalanlage ist: Die Mieten entscheiden. Wie hoch sind die Kosten im Vergleich zu den Mieteinnahmen? Und mit welcher Förderung kann ich die Kosten relativieren? Ein weiterer wichtiger Punkt: Wie sieht es mit der Lage – daran hat sich im Übrigen nichts geändert – aus? Gerade was die Förderung und die gesetzlichen Vorschriften betrifft, wird sich noch einiges verändern. Für den Moment gilt: Mit den aktuell steigenden Mieten ist die Kapitalanlage in Immobilien immer noch attraktiv – wenn man das Investment im Vorfeld – auch im Hinblick auf die ESG-Kriterien – gut durchdacht hat.

Die ING hat gemeinsam mit der KfW ein Analysetool aufgesetzt. Um was geht es da genau?

Hein: Gemeinsam mit der KfW Bankengruppe haben wir ein Tool entwickelt, mit dem die Vermittlerinnen und Vermittler direkt im Beratungsgespräch, also vor den Augen der Kundinnen und Kunden, durchrechnen können, mit welcher Maßnahme sich am meisten Energiekosten einsparen lassen, was das konkret bringt und auch, was das kostet. Der Check wird ganz konkret an dem Wunschobjekt durchgeführt – alles, was dazu benötigt wird, sind ein paar Eckdaten. Der Vorteil: Direkt im Gespräch wird deutlich, welche Modernisierungsmaßnahmen sinnvoll sind, was sie kosten bzw. bringen und wie sich die Wünsche der Kundinnen und Kunden umsetzen lassen. Nach dem Check gibt es einen klaren Plan, mit dem sich die Kundinnen und Kunden dann im nächsten Schritt an die Energieberatung bzw. das Handwerksunternehmen wenden können.

Und wie ist die Resonanz darauf?

Hein: Die Baufinanzierungsberatung mit Unterstützung durch das Sanierungs-Tool kommt an. Die Kundinnen und Kunden sind beeindruckt von der Qualität und von der Kompetenz, mit der die Beratung durchgeführt wird. Und auch die Beraterinnen und Berater sind begeistert. Im Direktvertrieb arbeiten alle Mitarbeitenden damit und auch im Vermittlervertrieb nutzt eine zunehmend größere Zahl das Tool für eine energetische und finanzielle Bewertung der geplanten Immobilie.

Welche Neuerungen plant die ING für das kommende Jahr?

Hein: Natürlich steht die anhaltende Digitalisierung unserer Services für alle Zielgruppen weiter im Fokus. Auch arbeiten wir an einem Konzept, das Finanzierungs-, Energie- und Handwerker-Beratung verknüpft. Unsere Marktforschungen haben gezeigt: Die Kundinnen und Kunden haben einen hohen Informationsbedarf. Diesen Wunsch wollen wir in Zukunft mit punktgenauen Beratungsangeboten in unterschiedlichsten Kanälen noch besser erfüllen.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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