Im Kampf gegen Wohnungsmangel und steigende Mieten in Deutschland ist wenig Entspannung in Sicht. Im Mai fiel die Zahl der Baugenehmigungen erneut kräftig. Sie gelten als Indikator für den Neubau, der angesichts der stark gestiegenen Zinsen und Baukosten stockt, während die Nachfrage nach Wohnraum gerade in Städten ungebrochen ist. Die Zurückhaltung von Bauherren verdeutlicht
auch eine neue Studie des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. Demnach gab es 2023 so wenige Käufe von Bauland wie seit mindestens 1995 nicht mehr.
Baugenehmigungen um ein Viertel eingebrochen
Im Mai wurden dem Statistischen Bundesamt zufolge 17.800 Wohnungen genehmigt, knapp ein Viertel (24,2 Prozent) weniger als ein Jahr zuvor. In den ersten fünf Monaten ist damit der Bau von rund
89.000 Wohnungen bewilligt worden, das entspricht einem Minus von 21,5 Prozent oder gut 24.000 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. Starke Rückgänge gab es in den ersten fünf Monaten
2024 besonders bei Einfamilienhäusern (-31,5 Prozent) und Mehrfamilienhäusern (-21,7 Prozent).
Noch immer herrsche Flaute am Wohnungsmarkt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. Zwar habe die Bundesregierung viele Maßnahmen zur
Belebung der Wohnungsbaukonjunktur auf den Weg gebracht. „Neben einer ausreichenden Förderung muss der Befreiungsschlag aber in einem Abbau der schier unendlichen Anforderungen an unsere Wohngebäude gesucht werden.“ Ohne einen radikalen Einschnitt bei kostentreibenden Vorgaben werde sich nichts ändern.
Lob und Kritik für Bundesregierung
Mit den Zahlen zeichnet sich ab, dass das von der Bundesregierung ausgegebene Jahresziel von 400.000 neuen Wohnungen im laufenden Jahr noch weiter in die Ferne rücken wird als 2023. Mit 260.100 Genehmigungen war das bereits das schwächste Jahr seit 2012.
Hohe Bauzinsen und „überambitionierte energetische Anforderungen“ verschreckten Bauwillige und Investoren, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. Bauen müsse einfacher werden. Es sei ein Lichtblick, dass die Politik mit einem Gesetzentwurf zum einfacheren Wohnungsbau, dem Gebäudetyp-E-Gesetz, die Initiative ergreife.
2023 wurden laut Statistischem Bundesamt 294.400 Wohnungen fertiggestellt – etwas weniger als im Vorjahr (295.300), aber deutlich mehr als von Ökonomen und der Immobilienbranche befürchtet.
Die schwache Baukonjunktur und der Rückgang der Baugenehmigungen dürften sich erst zeitverzögert bei den Fertigungszahlen auswirken. Der Bauindustrieverband rechnet für dieses Jahr mit etwa 250 000
neuen Wohnungen.
Käufe von Bauland auf Tiefstand
Die Zurückhaltung von Bauherren zeigt sich auch bei den Käufen von Bauland. Die Zahl der Transaktionen von baureifem Wohnbauland in Deutschland habe 2023 einen historischen Tiefstand erreicht, zeigt eine Studie des Hamburger Gewos-Instituts. Die Autoren sehen das als
fatales Signal im Kampf gegen den Wohnungsmangel.
Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 46.700 Käufe von baureifem Wohnbauland registriert, 34 Prozent weniger als im Vorjahr, wie aus der Analyse hervorgeht, die auf tatsächlichen Transaktionen
beruht. Der Flächenumsatz sei um fast 40 Prozent auf rund 4.400 Hektar eingebrochen und der Geldumsatz um über 45 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro.
„Nachverdichtung und Aufstockung alleine reichen nicht“
„Sowohl die Transaktionszahl als auch der Flächenumsatz 2023 markierten Tiefststände seit Beginn der gesamtdeutschen Zeitreihe der Untersuchung im Jahr 1995“, sagte Sebastian Wunsch, Bereichsleiter Immobilienwirtschaftliche Analysen bei Gewos. „Die heute nicht verkauften Flächen sind die nicht erteilten Genehmigungen von morgen und die nicht gebauten Wohnungen von übermorgen.“ Mit Nachverdichtung und Aufstockung allein werde man die Bedarfslücke nicht schließen.
Gewos erfasst mit der Immobilienmarktanalyse IMA jährlich für alle kreisfreien Städte und Landkreise die abgeschlossenen Grundstückskaufverträge. Die Analyse wird seit 1982 durchgeführt und
umfasst Bauland-Käufe von Privathaushalten ebenso wie von Investoren. Gemessen am Höhepunkt 2021 inmitten des Immobilienbooms sind die Rückgänge Gewos zufolge noch größer: Im Vergleich dazu sind die Verkäufe von Wohnbauland um 54 Prozent eingebrochen, der Flächen- und Geldumsatz nahmen jeweils um rund 60 Prozent ab.
Baulandverkäufe seien ein guter Frühindikator für den Neubau, so Gewos. „Während sich der Rückgang der Baugenehmigungen in diesem und den kommenden Jahren in sinkenden Fertigstellungszahlen
niederschlagen dürfte, deuten die geringen Verkaufszahlen von baureifem Wohnbauland und werdendem Bauland auf eine längerfristig niedrige Neubautätigkeit in Deutschland hin.“ (dpa-AFX)