Es gibt in Deutschland rund 25 Millionen Bausparverträge. Mindestens einer befindet sich rein rechnerisch also in jedem zweiten deutschen Haushalt. Das Volumen dieser Bausparverträge beläuft sich auf über 919 Milliarden Euro. 2020 haben die 18 privaten und öffentlich-rechtlichen Bausparkassen knapp 41 Milliarden Euro an Baugeldern ausgezahlt – 15 Prozent mehr als 2019. Mit einem geschätzten Marktanteil von rund 15 Prozent gehören sie damit zu den größten Kapitalgebern für den privaten Wohnungsbau.
„Unser Baufinanzierungsgeschäft wächst trotz Corona. Auch ins Jahr 2021 sind wir hier gut gestartet. Durch Corona verbringen viele Menschen mehr Zeit zu Hause als vorher. Schöner und besser wohnen, am liebsten in eigenen vier Wänden – dafür wird verstärkt investiert,“ so Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Privaten Bausparkassen, im Hauptberuf Chef der Wüstenrot Bausparkasse.
Vor zehn Jahren lag die Zahl der Neuabschlüsse allerdings branchenweit noch bei rund drei Millionen. 2020 waren es nur noch 1,5 Millionen – rund 13 Prozent weniger als 2019. Die 1,5 Millionen neuen Verträge laufen über eine Bausparsumme von fast 78 Milliarden Euro. Damit hat sich die durchschnittliche Bausparsumme pro neu abgeschlossenem Vertrag in den letzten zehn Jahren von rund 27.500 auf rund 52.000 fast verdoppelt. „Man spart mehr an, um sich für die Zukunft ein größeres Bauspardarlehen zu sichern“, erklärt Hertweck.
Seit 100 Jahren wird das Bausparen in Deutschland dazu genutzt, um Eigenkapital für die eigenen vier Wände anzusparen. „Angesichts steigender Immobilienpreise wird für Normalverdiener der Eigenkapitalaufbau immer wichtiger“, sagt Christian König, Hauptgeschäftsführer des Verbands Privater Bausparkassen. Durch langjährige und regelmäßige Sparleistungen zeige man, dass man in der Lage sei, langfristigen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Das helfe bei der Kreditwürdigkeitsprüfung. Zudem würden Bausparguthaben seltener als andere Sparguthaben vorzeitig abgehoben.
Grundgedanke des kollektiven Bausparmodells ist, dass die Zinserträge aus Bauspardarlehen die Hauptertragsquelle der Bausparkassen sind. Doch weil die Zinsaufwendungen der Institute seit Anfang der 2000er Jahre begannen, die Zinseingänge zu übertreffen, musste die Branche nach Auswegen suchen. Ein Blick in die Zahlen der Bundesbank zeigt, wie stark sich das Geschäftsmodell verändert hat.
Das klassische Bauspardarlehen hat mit knapp elf Milliarden Euro mittlerweile nur noch einen Anteil von weniger als zehn Prozent am gesamten Darlehensbestand. Als Reaktion auf die Niedrigzinsphase haben die Bausparkassen den Fokus auf bausparunterlegte Vor- und Zwischenfinanzierungen gelegt. Deren Volumen lag Ende 2020 bei 123 Milliarden Euro. 24,5 Milliarden Euro entfallen auf normale Hypothekendarlehen. Der Gesetzgeber hatte den Spielraum dafür Ende 2015 für mit dem neuen Bausparkassengesetz erweitert. Außerdem dürfen Pfandbriefe zur Refinanzierung ausgegeben werden. Davon machen mittlerweile vier private Bausparkassen Gebrauch.
Bei einer Vorausfinanzierung (auch Kombikredite genannt) erhält man sofort ein Darlehen. Dafür zahlt man aber nur die Zinsen. Statt zu tilgen, spart man auf einen Bausparvertrag an. Ist dieser zuteilungsreif, wird damit das Vorausdarlehen abgelöst. Von da an zahlt man nur noch die Zins- und Tilgungsraten für den Bausparvertrag. Die monatlichen Raten und Zinsen sind bei diesen sogenannten Kombikrediten bis zu 28 und mehr Jahre lang sicher.
Da die alten, für die Branche teuren Bausparverträge Jahr für Jahr weniger werden, sehen Institute inzwischen auch wieder Licht am Ende des Tunnels. Bekanntlich können die Kassen übersparte hochverzinsliche Bausparverträge und solche, die zehn Jahre zuteilungsreif sind, durch Kündigung loswerden.
Am Grundprinzip des Bausparens hat sich nichts geändert: Mit einer Bausparkasse wird ein Bausparvertrag über eine gewünschte Summe abgeschlossen. In der Ansparphase werden üblicherweise 40 bis 50 Prozent dieser Summe eingezahlt. Ist der Vertrag zuteilungsreif, kann sich der Bausparer sein angespartes Bausparvermögen auszahlen lassen und den Differenzbetrag zur Bausparsumme als günstiges Bauspardarlehen bekommen.
Seit 100 Jahren wird das Bausparen in Deutschland dazu genutzt, Eigenkapital für die eigenen vier Wände anzusparen
In der Regel ist die Bausparfinanzierung keine Vollfinanzierung, sondern Teil eines Finanzierungsmix. Denn ein Bauspardarlehen muss relativ schnell getilgt werden. Kaum ein Haushalt könnte die monatlichen Belastungen einer Vollfinanzierung mittels eines Bausparvertrags stemmen.
Der Verband der privaten Bausparkassen empfiehlt, 20 bis 30 Prozent des Finanzierungsbedarfs mit Eigenkapital abdecken, 50 bis 60 Prozent über ein erstrangig abgesichertes Hypothekendarlehen und 20 bis 30 Prozent über ein zweitrangig abgesichertes Bauspardarlehen. Mit dem Bauspardarlehen sichere man sich erstklassige Konditionen auch für den zweiten Rang im Grundbuch. Außerdem können für dieses jederzeit kostenlose Sondertilgungen vorgenommen werden. Fast jeder dritte neue Bausparer ist jünger als 30. „Ein deutliches Signal dafür, dass viele junge Menschen frühzeitig mit dem Aufbau eines Vermögens beginnen und dabei die eigenen vier Wände im Blick haben“, so König.
Einige Bausparkassen fördern das. So bietet Schwäbisch Hall schon seit einigen Jahren einen speziellen Tarif für junge Leute unter 22 mit einem einmaligen Bonus an. Dieser wird ab Juli von 100 auf 200 Euro erhöht. Zudem gibt es Informationen zu staatlichen Fördermöglichkeiten, u.a. Webinare zu Finanzvorsorge für Berufseinsteiger sowie Social-Media-Kampagnen.
Zugleich ist mehr als jeder Dritte älter als 50. Hier spiele der Bausparvertrag als „Krankenversicherung für das Haus“ eine zentrale Rolle, so König. Bei den Vorhaben, die mithilfe eines Bauspardarlehens realisiert werden können, würden die Themen altersgerechter Umbau, Modernisierung und vor allem energetische Sanierung immer wichtiger, betont Schwäbisch Hall-Vorstandsvorsitzender Reinhard Klein, das beträfe bereits zwei Drittel der Fälle.
„Die von der Bundesregierung festgelegten Klimaziele im Rahmen des Pariser Klimaabkommens erreichen wir nur mit einem weitgehend klimaneutralen Gebäudebestand“, so Klein. „Damit die Klimawende gelingt, sind allein im Gebäudebereich Investitionen zwischen 500 und mehr als 1.000 Milliarden Euro erforderlich, davon müssen rund zwei Drittel in die energetische Sanierung von Wohngebäuden fließen. Ohne private Immobilienbesitzer und ohne die Bauspargemeinschaft ist das Ziel nicht zu erreichen“.
Zu den großen Vorzügen des Bausparens gehören zwei einkommensunabhängige staatliche Förderungen
Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase hat das Produkt zwar an Attraktivität eingebüßt, zu den großen Vorzügen gehören zwei einkommensabhängige staatliche Förderungen: die Wohnungsbauprämie, die Anfang dieses Jahres verbessert wurde und die Arbeitnehmersparzulage bei vermögenswirksamen Leistungen. Hinzu kommt der einkommensunabhängige Wohn-Riester mit Grundzulage, Kinderzulage und einem Berufseinsteigerbonus. Zusätzlich sind hier Steuervorteile möglich.
Zurzeit gibt es auf dem Markt Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsfestschreibung ab knapp ein Prozent. Da fragt sich mancher, welchen Sinn Bausparen überhaupt noch macht.
„Unabhängig von der Zinsentwicklung ist Bausparen immer sinnvoll“, widerspricht Dirk Botzem, Vorstand der Debeka-Bausparkasse. „Ein Bausparvertrag ist das einzige Finanzprodukt, mit dem man staatlich gefördert für die Wohneigentumsbildung notwendiges Eigenkapital bildet, man gleichzeitig einen Darlehensanspruch erwirbt und man sich dauerhaft das Zinsniveau sichern kann“. Zinssicherheit und planbare Finanzierungen seien gerade in Zeiten weiterhin steigender Anschaffungs- und Herstellungskosten die Hauptargumente für die Eröffnung einer Kundenbeziehung, bestätigt Dr. Holger Lindner, Vorstand Alte Leipziger Bauspar AG. „Deshalb, aber auch aufgrund der jüngsten Steigerungen der Baufinanzierungszinsen, verzeichnen wir erfreuliche Neugeschäftszahlen“.
Lindner weist auf weitere Vorteile des Bauspardarlehens hin, die bei der Fixierung auf den Darlehenszins vielfach unbeachtet blieben: Die Nachrangigkeit im Grundbuch, das Blankodarlehen bis zu einer Darlehenshöhe von derzeit 30.000 Euro und jederzeitige und kostenfreie Sondertilgungen. Es habe selten einen so idealen Zeitpunkt gegeben, um einen Bausparvertrag abzuschließen, meint sogar Dr. Bernd Dedert, Sprecher des Vorstands der Bausparkasse Mainz AG (BKM).
Die längerfristige Sicherung des niedrigen Zinsniveaus geht aber auch außerhalb des Bausparens mit einer langfristigen Zinsbindung und mit Forward-Finanzierungen. „Auch wenn beides auf das Thema Zinssicherung einzahlt, bietet das Bausparen ein deutlich höheres Maß an Flexibilität“, erklärt Henning Göbel, Vorstandsvorsitzender der BHW Bausparkasse.
„Kunden können ihre Finanzplanung unkompliziert und kostenfrei an sich ändernde Lebenssituation anpassen. Anders als beim Bausparen beinhaltet der Abschluss eines Forwarddarlehens eine Abnahmeverpflichtung und je länger die Laufzeit des Forward Darlehens, desto höher der Zinsaufschlag. Demgegenüber kennt das Bausparprodukt keine Zinsaufschläge für längere Laufzeiten“, so Göbel.
In der Corona-Krise gab es anfangs die politische Sorge, dass Kreditnehmer ihre Darlehen nicht mehr bedienen könnten. Es habe sich aber gezeigt, so Verbandschef König, dass nur für rund ein Prozent des Kreditbestands der Bausparkassen bisher coronabedingt ein Zahlungsaufschub beantragt und gewährt wurde.
Was den Finanzierungswilligen freut und ein Gegengewicht zu den stark steigenden Bau- und Kaufpreisen darstellt, war für die Bausparkassen wie für die gesamte Bankenwelt eine enorme Herausforderung: Das anscheinend verfestigte Niedrigzinsniveau. Die Anbieter verfolgen unterschiedliche Strategien, um aus der Zinsmisere herauszukommen, sie haben ihre Produkte modernisiert und attraktiver gemacht. Neben der Ausgabe von Sofortfinanzierungen hat vor allem die Einführung von neuen Tarifen zur Verbesserung der Lage der Bausparkassen beigetragen.
Wer sich die aktuellen Angebote der Institute anschaut, stellt fest, dass sich die Tarife längst vom Gerüst des festen Ansparens für die Erlangung einen festen Darlehensanspruchs gelöst haben und äußerst flexibel gestaltbar sind.
„Das operative Neugeschäft der Bausparkasse läuft trotz der anhaltenden Niedrigzinsen in allen Sparten sehr erfolgreich“, sagt Dirk Botzem von der Debeka. Trotzdem habe das außerkollektive Darlehensgeschäft für Bausparkassen aber natürlich deutlich an Bedeutung gewonnen. „Wir machen daher Gebrauch vom durch die Novellierung des Bausparkassengesetzes erweiterten Handlungsspielraum. Zudem setzen wir verstärkt auf kapitalmarktunabhängige Geschäfte und bauen beispielsweise seit dem letzten Jahr verstärkt unsere Zu-Hause-Vermittlung aus“.
Die Bausparkasse Mainz, die neben dem reinen Bausparvertrag auch die gesamte Palette der Finanzierungsprodukte anbietet, die ein privater Kunde benötigt, will ihren Bausparern und den Vertrieben „einfach verständliche, aber gleichzeitig flexible Lösungen anbieten“, erklärt Bernd Dedert.
Soeben hat die BKM dafür das Bausparsystem „PlusLine“ mit zwei Varianten eingeführt: „ZinsPlus“ wendet sich an Kunden, bei denen zunächst das Ansparen, also die Eigenkapitalbildung im Vordergrund steht. Mit einer niedrigen Abschlussgebühr von ein Prozent öffnet sich für den Kunden ein Sparvertrag, der gebührenfrei ist und eine Basisverzinsung von 0,25 Prozent p.a. bietet. Darauf gibt es noch einen einmaligen Bonus von zwei bis drei Prozent. Und dann das Recht auf ein günstiges Darlehen.
Der „HausPlus“ bietet günstigste Darlehenszinsen ab 0,99 Prozent per annum, auch für Finanzierungen mit nachrangiger Absicherung. Wesentlich ist hier die Wahlzuteilung, also die Möglichkeit, nach zwei Jahren Sparzeit bereits zu jedem Tag ein Darlehen in unterschiedlichen Varianten bekommen zu können. Was der Kunde dann benötigt, muss er erst vor Beginn der Darlehensphase entscheiden.
„Der Trend zur Flexibilisierung setzt sich bei der Gestaltung neuer Produkte für die Zielgruppen Finanzierer, Modernisierer oder Sparer fort“, ergänzt Holger Lindner von der Alte Leipziger. Beispielsweise bietet der Tarif AL_ Neo mit der Wahlzuteilung und einem optimierten Zins- und Tilgungsbeitrag umfangreiche Gestaltungsoptionen. Hier ist bereits ab einer Ansparung von 20 Prozent der Bausparsumme eine Zuteilung möglich; die optimierte Darlehensrate bietet immer die geringstmögliche Monatsbelastung. Der Kunde ist also nicht mehr auf einen festen Zuteilungszeitpunkt angewiesen, wenn sich der Bedarf schneller als geplant einstellt. Wer auf die Chance steigender Sparzinsen setzt, findet in der Variante AL_Neo Dynamik ein Angebot. „Mit Finanzierungsmodellen, die Zinssicherheit bis zu 40 Jahren bieten, behaupten wir uns auf den Finanzierungsplattformen auch gegen starke Bankenmitbewerber“, betont Lindner.
„Unsere Konditionen sind sowohl für Darlehen als auch für Sparzinsen absolut wettbewerbsfähig“, sagt auch Henning Göbel. Es gebe aber weitere Aspekte, die neben den reinen Preisbestandteilen für den Erfolg am Markt ausschlaggebend seien. In den Fokus müssten auch Veränderungen im Kaufverhalten und neue Kundengruppen mit neuen Bedürfnissen genommen werden: „Wie entwickelt sich das Kaufverhalten? Sind Beratungskonzepte tragfähig für die digitale Zukunft? Erreichen wir Immobilienkäufer auch zukünftig noch über die etablierten Vertriebskanäle? Wie durch ein Vergrößerungsglas sehen wir seit gut einem Jahr, dass sich Kundenverhalten sehr schnell ändern kann“, sagt Göbel.
Auch die Bausparkassen weisen darauf hin, dass die Corona-Pandemie den Wunsch nach digitalen Lösungen verstärkt habe. „Die zunehmende Digitalisierung der internen Prozesse und in der Zusammenarbeit mit unseren Maklern und Generalagenturen führen zu einer schnelleren und damit kostensenkenden Abwicklung des Standardgeschäfts – insbesondere auch in der Baufinanzierung durch die Zusammenarbeit mit den Finanzierungsplattformen“, so Holger Lindner. In der Baufinanzierung laufe bis auf die elektronische Signatur beim Antragsprozess bereits alles voll digital, ergänzt Henning Göbel.
Zinsängste sind naturgemäß ein wesentlicher Treiber des Bauspargeschäfts. Bau- oder Kaufwillige, vor allem solche, die erst später aktiv werden wollen, fragen sich, ob das historisch niedrige Zinsniveau bestehen bleibt. Seit Jahresanfang sind sowohl die Renditen der Bundesanleihen und Pfandbriefe als auch die Zinsen für Wohnungsbaukredite gestiegen. Laut dem Baufinanzierer Interhyp lagen die Zinsen für 15-jährige Kredite zum Jahresanfang 2021 bei gut ein Prozent und sind bis Mitte Mai um rund 0,25 Prozent gestiegen.
Zur Zinsentwicklung Marco Bargel, Kapitalmarktstratege der Postbank: „Diese Entwicklung könnte sich angesichts stark steigender Inflationsraten und einer anhaltenden Diskussion um einen möglichen Ausstieg der Notenbanken aus der sehr lockeren Geldpolitik noch etwas fortsetzen. Obwohl die Inflation auf kurze Sicht über den Zielwert hinausschießt, sollten die Währungshüter die Leitzinsen aber noch eine ganze Weile auf dem aktuell historisch niedrigen Niveau belassen, um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Im historischen Vergleich dürften die Finanzierungskonditionen dementsprechend immer noch sehr günstig bleiben“.
Autorin Sabine Richter ist Immobilienjournalistin aus Hamburg.