Die Zinsen für Baufinanzierungen sind seit Ende Oktober fast kontinuierlich zurückgegangen und auch die Inflation hat im November etwas nachgelassen – zum ersten Mal seit fast eineinhalb Jahren. Ist dies schon eine Trendwende, setzt sich die Entspannung fort? Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein, rechnet mit einem ruhigen Jahresende und erneuter Dynamik Anfang kommenden Jahres. Atempause nach bisherigen Zinsanstiegen
Die Inflation gibt im November leicht nach, die Konjunkturdaten aus Deutschland fielen zuletzt besser aus als erwartet und auf ihrer kommenden Sitzung könnte die Europäische Zentralbank (EZB) einen etwas kleineren Zinsschritt vollziehen – all das hat zu leichten Entspannungen auf den Finanzmärkten geführt und die Baufinanzierungszinsen sinken lassen:
Laut Dr. Klein ist der repräsentative Bestzins auf 3,12 Prozent gesunken (Stand: 12.12.2022). Der diesjährige Höchstwert lag Ende Oktober 0,76 Prozentpunkte darüber. Für die nächsten Wochen erwartet Michael Neumann von Dr. Klein keine abrupten Zinssprünge mehr. „Bis Weihnachten dürfte bei den Bauzinsen etwas Ruhe einkehren. Die kommende Zinsanhebung der EZB ist in den Kreditkonditionen schon eingepreist und aktuell gibt es keine Signale für sehr deutliche Zinsanstiege.“
Abflauen nur temporär
Von einer generellen Trendwende will Neumann aber noch nicht sprechen: „Die Bauzinsen bleiben
unter Druck“, so seine Einschätzung. „Wann die Inflation tatsächlich dauerhaft und vor allem deutlich
runtergeht, ist noch nicht abzusehen. Wenn die Erwartungen bis weit ins nächste Jahr hoch bleiben –
und davon gehe ich momentan aus –, muss die EZB in den ersten Monaten 2023 die Geldpolitik weiter
straffen. Und dann ziehen auch die Zinsen für Immobilienfinanzierungen wieder an.“
Vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession hat EZB-Chefin Christine Lagarde nur ein kleines Zeitfenster für entschiedenes Eingreifen, bevor die Zinsanhebungen die Wirtschaft zu stark abbremsen. Das aktuelle Abflauen der Zinskurve könnte also lediglich temporär und Teil von normalen Schwankungen sein. Laut Dr. Klein werden sich auch in den nächsten Monaten Abwärts- und Aufwärtsbewegungen abwechseln.
„Die Bedingungen haben sich massiv verschlechtert“
Trotz zuletzt gesunkener Zinsen hat sich die Nachfrage nach Baufinanzierungen noch nicht wieder
erholt. „Die Bedingungen für Kaufinteressenten haben sich massiv verschlechtert. Das Zinsniveau, das
sich eigentlich nur wieder normalisiert hat, hat das jetzt deutlich gemacht“, meint der Dr.-Klein-Vorstand.
So sind vor allem die Anforderungen an Eigenkapital massiv gestiegen: Mit den Immobilienpreisen haben sich auch die Erwerbsnebenkosten in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Zusätzlich haben fast alle Bundesländer sukzessive ihre Grunderwerbsteuer von ursprünglich 3,5 Prozent angehoben – zum Teil auf 6,5 Prozent.
Und vor dem Hintergrund der hohen Inflation haben es Kaufinteressenten derzeit schwerer, Kredite zu bekommen: Banken rechnen mit angepassten Lebenshaltungs- und Bewirtschaftungspauschalen, zum Teil senken sie den maximalen Beleihungswert. „Für viele Normalverdiener ist es unter den aktuellen Bedingungen nicht oder nur schwer möglich, die eigene Immobilie zu finanzieren“, meint Neumann und fordert politisches Engagement: „Wir brauchen dringend eine Förderung für den Ersterwerb von Wohneigentum und Programme, die jungen Familien helfen.“