Ein Großteil der Unternehmens-Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) bleibt ungenutzt: Zwar sind in 90 Prozent der Firmen Regelungen für die Umwandlung von Entgelt in Altersvorsorgeansprüche etabliert. Aber nur vier von zehn Unternehmen nutzt mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden das Angebot. Das zeigt eine WTW-Studie zur Situation der Entgeltumwandlung in 2023. Auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG), das bereits zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, hat daran kaum etwas geändert. Das berichten 80 Prozent der befragten Unternehmen berichten.
Die Umfrage zeigt, dass das bAV-Angebot von Unternehmen stetig steigt: Gleichwohl liegen die Teilnehmerquoten weiterhin auf einem niedrigen Niveau. „Personalverantwortliche der Unternehmen nennen vor allem fehlendes Wissen über den Versorgungsbedarf als Grund für die geringen Teilnehmerquoten“, sagt Heiko Gradehandt, Senior Director Retirement bei WTW.
„Die aktuelle Studie zeigt, dass eine attraktive Zuschussgestaltung über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus zu einer höheren Nutzung führt. Unternehmen müssen aber auch ihren Mitarbeitenden die Relevanz und Bedeutung der bAV erklären – es herrscht Kommunikationsbedarf.“
Opting-out: Zustimmung von Mitarbeitern, Skepsis bei Unternehmen
Eine weitere Möglichkeit, die Teilnehmerquoten zu erhöhen, ist das Opting-out, bei dem Mitarbeitende beim Eintritt in das Unternehmen „automatisch“ in die Entgeltumwandlung aufgenommen werden. Laut der „Global Benefits and Attitudes Survey 2022“ von WTW begrüßen 73 Prozent der Arbeitnehmenden das Modell. Die aktuelle Studie zur Entgeltumwandlung zeigt jedoch, dass dreiviertel der Unternehmen (76 Prozent) dem Opting-out skeptisch gegenüber stehen oder es ablehnen. Nur zwölf Prozent haben es eingeführt.
Christopher Schumbert, Senior Director bei WTW im Bereich Pension Brokerage sagt: „Unternehmen zögern meist aufgrund rechtlicher Bedenken oder internen Diskussionen mit der Arbeitnehmervertretung. Dabei erleben wir, dass Betriebsräte dem Modell sehr offen gegenüber sind. Die Praxis zeigt, dass das Modell zu einer höheren Akzeptanz der Entgeltumwandlung führt und sich damit lohnt.“
Jeder Fünfte reduziert oder setzte Beiträge aus
Aufgrund der gestiegenen Unsicherheiten und Preisanstiege haben im Jahr 2022 mehr Mitarbeitende ihre Entgeltumwandlung angepasst als es 2021 für das Folgejahr erwartet wurde. Knapp über 20 Prozent haben im Jahr 2022 die Beitragszahlungen ausgesetzt oder reduziert. Unternehmen haben mit knapp über zehn Prozent gerechnet.
Für 2023 erwarten Unternehmen eine ähnliche Entwicklung: Etwa 30 Prozent rechnen damit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Beitragszahlungen anpassen werden. „Das Eingreifen durch die Mitarbeitenden fällt in 2023 nicht so stark aus, wie wir eigentlich vermutet hätten“, sagt Gradehandt. „Sonderzahlung wie die Inflationsausgleichsprämie und höhere Tarifabschlüsse können hierbei einen positiven Einfluss haben.“
Nicht nur deshalb rechnet jedes fünfte Unternehmen mit verstärkter Nachfrage nach Entgeltumwandlung. Hier dürfte sich auch die aktuell angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt widerspiegeln. Viele Unternehmen prüfen ihr Benefits-Angebot, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Die bAV kann hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Akzeptanz kapitalmarktorientierte Produkte steigt
Anbieter setzen zunehmend auf kapitalmarktorientierte Produkte mit verminderten Garantieversprechen. Damit sollen in einem trotz aller aktueller Entwicklung noch von der Niedrigzinsphase geprägten Umfeld attraktive Renditen erzielt werden. Die Akzeptanz dieser Produkte bei den Unternehmen und die Zahl derer, die ihren Mitarbeitenden entsprechende Produkte anbieten, hat sich seit der Untersuchung 2021 verdreifacht. Dabei herrscht weitgehend Einigkeit, dass ein gewisses Garantieniveau (80 bis 100 Prozent der gezahlten Beiträge) gegeben sein sollte.
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung
Das Interesse der Unternehmen an nachhaltiger Kapitalanlage der Versicherer ist unverändert hoch. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) erwarten vom Versicherer, dass ESG-Kriterien berücksichtigt werden und die Anbieter dies auch aktiv kommunizieren. Fast die Hälfte der Personalverantwortlichen (46 Prozent) erwartet eine steigende Bedeutung dieser Themen bei den Mitarbeitenden.
Kommunikation wird digital
Eine verständliche Kommunikation des Angebots ist – neben attraktiver Zuschuss- und Produktgestaltung – eine notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz der Entgeltumwandlung. Die veränderten Arbeitsbedingungen haben zu einem erheblichen Schub bei der Digitalisierung der Kommunikation geführt. Dennoch wird die persönliche Kommunikation weiterhin favorisiert, diese soll jedoch online und nicht vor Ort geschehen. Über die Hälfte der befragten Unternehmen (53 Prozent) informieren ihre Mitarbeitenden über Online-Termine. Zukünftig möchten Firmen vor allem auf das Intranet (77 Prozent) und individuelle Beratungstermine (65 Prozent) setzen. Überraschenderweise planen nur sieben Prozent, zukünftig eine App-basierte Lösung zu nutzen.
Schumbert sagt: „Die früher so geschätzten Print-Broschüren sind vor allem bei größeren Unternehmen ein Auslaufmodell. Dass sich Apps bisher weniger durchsetzen konnten, kann daran liegen, dass Personalverantwortliche hinsichtlich deren Nutzung als Informationsmedium zur Entgeltumwandlung noch skeptisch sind.“
Über die Umfrage
Zu Situation der Entgeltumwandlung im Jahr 2023 befragte WTW Anfang 2023 85 bAV- und Fachverantwortliche aus Unternehmen aller Größen und Branchen, so dass die Studienergebnisse eine breite Marktpraxis widerspiegeln. Sie zeigen, inwiefern die Inflation, Zinspolitik und wirtschaftliche Spannungen die Gestaltung und den Erfolg der Entgeltumwandlung beeinflussen. Der Studienreport steht auf den Internetseiten von WTW zum Download zur Verfügung. Anhand der Vorgängerstudie aus 2019 lässt sich die längerfristige Entwicklung ablesen.