Bedeutung der ESG-Kriterien in der Kapitalanlage nimmt zu

Foto: Assekurata
Romina Röpke, Assekurata

Immer mehr Versicherer setzen auf eine nachhaltige Kapitalanlage. Dabei sind die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) von immer größerer Bedeutung. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Ratingagentur Assekurata zur Kapitalmarktsituation und -entwicklung.

Hatten im vergangenen Jahr 39 Prozent der Teilnehmer die Bedeutung von ESG-Kriterien bei Investmententscheidungen als hoch oder sehr hoch eingestuft, taten es diesmal bereits die Hälfte aller Befragten.

Hierbei sprachen die Kapitalanleger von Lebensversicherern den ESG-Kriterien häufiger eine (noch) höhere Bedeutung zu als die Vertreter der anderen Sparten. Dies dürfte auch auf die Transparenz-Verordnung zurückzuführen sein, welche am 10. März 2021 in Kraft getreten ist.

Dabei handelt es sich konkret um die EU-Verordnung (EU) 2019/2088, welche die Offenlegungspflichten von Produktgebern und Finanzberatern bezüglich ihrer Nachhaltigkeit in Strategien, bei Prozessen und in ihren Produkten regelt. Lebensversicherer sind aufgrund ihrer Produktpalette von diesen regulatorischen Anforderungen unmittelbar betroffen.

Jenseits der Transparenzverordnung stellen die steigenden regulatorischen Anforderungen auch spartenübergreifend eine hohe Motivation dar, bei Investmententscheidungen verstärkt auf ESG-Kriterien zu achten. In der Befragung gaben dies fast alle Teilnehmer an, wobei fast 40 Prozent hieraus sogar eine sehr hohe Motivation ziehen.

Ähnlich viele Asset Manager berücksichtigen ESG-Kriterien auch aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Themas. Die drittwichtigste Motivation ist der Wunsch beziehungsweise die Nachfrage von Kunden. Dies bestätigt auch eine von Assekurata im Dezember 2020 durchgeführte Verbraucherstudie unter knapp 1.000 Versicherungskunden. Hier gab die Mehrheit an, dass sie das Thema Nachhaltigkeit sowohl aus persönlicher Sicht als auch im Hinblick auf die Auswahl der Gesellschaft als sehr wichtig einstufen, so dass es beim Abschluss einer Versicherung durchaus als Entscheidungskriterium dient.

Die Asset Manager, die ESG-Kriterien in der Kapitalanlage berücksichtigen, hat Assekurata ergänzend danach gefragt, wie viel Prozent sie in den für die Neuanlage relevanten Segmenten tatsächlich nachhaltig anlegen. Die Spannbreite der Antworten lag für fast jedes Anlagesegment zwischen null und 100 Prozent und zeigt, wie unterschiedlich die Versicherer investieren. Dennoch lag der Mittelwert der Antworten über alle Segmente hinweg recht stabil zwischen 58 Prozent und 68 Prozent, so Assekurata.

Taxonomieverordnung bildet Rahmenwerk

Aufgrund der teils stark voneinander abweichenden Antworten stellt sich laut Assekurata-Analystin Romina Röpke jedoch unweigerlich die Frage, wie die Unternehmen den Begriff Nachhaltigkeit überhaupt für sich definieren. Das Rahmenwerk für eine einheitliche Definition von nachhaltigen Investments bildet die seit 22. Juni 2020 bestehende Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union.

Diese befindet sich zurzeit noch im Aufbau – bisher gibt es erst für zwei von sechs Umweltzielen technische Bewertungskriterien. Eine Taxonomie für soziale Ziele ist ebenfalls noch Zukunftsmusik. Damit erfasst die Taxonomie viele potenziell nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aktuell noch gar nicht und die Abdeckung ist recht gering.

Für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Kapitalanlage gibt es verschiedene Verfahren. Fast alle Teilnehmer greifen hier auf Ausschlusskriterien zurück. Dabei werden Investments in Unternehmen oder Staaten, die sensible Themen oder Geschäftsbereiche tangieren oder den festgelegten Anforderungen nicht gerecht werden, komplett ausgeschlossen.

Einen Fokus auf die positive Nachhaltigkeitswirkung von Investmentobjekten erlauben die Instrumente Positivkriterien, Best-in-Class oder Impact Investing. Die Umfrage zeigt jedoch, dass diese zurzeit noch weniger stark vertreten sind, schreibt Röpke.

42 Prozent der Befragten gaben darüber hinaus an, Active Ownership beziehungsweise Engagement anzuwenden, also aktiv auf Unternehmensentscheidungen der Investmentobjekte zugunsten einer nachhaltigeren Entwicklung einzuwirken, zum Beispiel über Stimmrechtsausübungen bei Hauptversammlungen.

Dies sei für kleinere Versicherer aufgrund der geringeren Investitionsvolumina naturgemäß schwieriger als für größere, sie können sich aber in Initiativen und Netzwerken mit anderen Kapitalanlegern zusammenschließen und ihre Einflusskraft dadurch bündeln, so Röpke.

Bei Staatsanleihen dagegen sei ein Engagement nur schwer umsetzbar. Nicht jedes Verfahren eignet sich also gleichermaßen für jede Assetklasse. An der Online-Umfrage, die Assekurata im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Mai 2021 durchgeführt hatte, nahmen 34 Kapitalanleger von Versicherern teil.

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