Bedeutungsverlust: Versicherer entfernen sich immer weiter von ihren Kunden

René Schoenauer
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René Schoenauer, Guidewire

Welche Bedeutung spielen Versicherer in den Augen ihrer Kunden? Eine europaweite Umfrage von Guidewire zeigt, dass die Relevanz abnimmt. So ist fast ein Drittel der Verbraucher hierzulande inzwischen der Ansicht, Versicherer seien für sie und ihren Lebensstil nicht mehr relevant. Im vergangenen Jahr waren es gerade einmal fünf Prozent. Beim Thema Nachhaltigkeit sehen die Menschen die Versicherer in der Pflicht.

Guidewire hat seine jährliche europäische Studie zur Einstellung der Versicherungsnehmer zu ihren Versicherern und deren Leistungen veröffentlicht. Die Umfrage wurde in diesem Jahr auf Spanien ausgedehnt; befragt wurden 4.000 Verbraucher in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien.

Die mehrheitlich kritische Haltung gegenüber Versicherern zeigt, dass die Lücke zwischen den Erwartungen und dem Lebensstil der Kunden einerseits und dem Angebot der Versicherer andererseits größer wird. Die Verbraucher wünschen sich ein stärkeres Engagement der Versicherer für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Was Versicherern gefährlich werden könnte: Angesichts der hohen Inflationsrate ziehen Verbraucher in Betracht, ihre Ausgaben für Versicherungen zu reduzieren.

Versicherer entfernen sich von ihren Kunden

Die Versicherer verlieren in den Augen der Verbraucher zunehmend an Bedeutung für sie. Fast ein Drittel der Verbraucher in Deutschland ist der Ansicht, Versicherer seien für sie und ihren Lebensstil nicht relevant. Bei der letzten Guidewire-Studie 2021 waren es lediglich fünf Prozent. Diese Meinung ist über alle Altersgruppen hinweg gleich stark vertreten; nur in der Altersgruppe 55+ sind es 25 Prozent. In den anderen Ländern findet sich diese Einschätzung weit weniger (7 Prozent in Frankreich, 3 Prozent jeweils in Großbritannien und Spanien).

Versicherer verstehen Bedürfnisse immer weniger

Jeder fünfte deutsche Versicherungskunde schätzt die Produkte und Services der Versicherer und ist der Ansicht, dass sie seine Bedürfnisse verstehen; im letzten Jahr war es noch jeder Vierte. In Frankreich und Großbritannien ist dagegen diese positive Einschätzung leicht angestiegen – in Großbritannien von 15 auf 17 Prozent und in Frankreich von 17 auf 20 Prozent).

Quelle: Guidewire

Ein für die Versicherer positiver Trend zeigt sich beim Vorjahresvergleich über die Länder hinweg: Die Anzahl der Verbraucher, die der Meinung sind, dass Versicherer überteuerte Produkte verkaufen und nur widerwillig Ansprüche regulieren, ist gesunken. In Deutschland sind es aktuell 14 Prozent (19 Prozent im Vorjahr), in Frankreich und Großbritannien ist diese kritische Haltung stärker ausgeprägt mit 32 bzw. 25 Prozent.

Kritik gegenüber dem Leistungsverhalten

Eine kritische Haltung nehmen Verbraucher gegenüber dem Leistungsverhalten der Versicherer während der letzten zwölf Monate ein. In Deutschland sind 28 Prozent der Befragten der Ansicht, Versicherer hätten nicht genug getan, um Menschen zu helfen. Diese Ansicht ist in Frankreich mit 32 Prozent am stärksten ausgeprägt, es folgt Spanien mit 30 Prozent, in Großbritannien sind es 23 Prozent.

Versicherungsprämien auf dem Prüfstand

In allen befragten Ländern herrscht derzeit große Verunsicherung wegen der enormen Inflation. In Deutschland sind 80 Prozent der Befragten besorgt über die steigenden Preise für Lebensmittel oder Energie.

In Spanien sogar 93 Prozent verunsichert. Angesichts dieser Entwicklung halten 56 Prozent der deutschen Verbraucher es für wahrscheinlich, dass sie ihre Ausgaben für Versicherungen reduzieren werden. Die Bereitschaft, an Versicherungsausgaben zu sparen, ist in Frankreich mit 63 Prozent am höchsten, es folgt Spanien mit 59 Prozent; in Großbritannien planen 47 Prozent der Befragten Einsparungen.

Quelle: Guidewire

Mehr als jeder dritte deutsche Verbraucher würde am ehesten bei Reiseversicherungen oder bei Fahrradversicherungen sparen, an dritter Stelle der Nennungen liegt bereits die Hausratversicherung. Aus sie würde nahezu jeder vierte verzichten. In Großbritannien hingegen herrscht ein höheres Bedürfnis nach Absicherung – 28 Prozent der Befragten würden keine der genannten Versicherungen kündigen.

Versicherer in der Verantwortung für Nachhaltigkeit

Die Studie liefert für alle Länder klare Hinweise, dass Verbraucher die Versicherer in der Pflicht sehen, sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu engagieren. Knapp jeder dritte deutsche Befragte ist der Ansicht, dass Versicherer einen größeren Teil ihrer Gewinne in Umweltschutz und nachhaltige Start-ups investieren sollten; genauso viele finden, dass Versicherer ihre Position auf dem globalen Markt nutzen sollten, um Unternehmen zu beeinflussen, die zur Umweltverschmutzung beitragen, anstatt sich von ihnen zu distanzieren.

Quelle: Guidewire

30 Prozent der deutschen Verbraucher erwarten von den Versicherern, dass ihre Produkte nachhaltiges Verhalten, wie eine geringere Kfz-Nutzung, fördern. Nur 14 Prozent sind in Deutschland der Ansicht, dass Versicherungen keine Verantwortung im Kampf gegen die globale Erwärmung tragen. In Großbritannien ist diese Ansicht mit 30 Prozent am stärksten ausgeprägt.

Die deutschen Versicherungskunden zeigen mit 53 Prozent die höchste Bereitschaft, mehr für Versicherungsprodukte zu zahlen, wenn dieser Betrag zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen eingesetzt wird. Es folgen Spanien und Frankreich mit jeweils 44 Prozent, in Großbritannien sind es 31 Prozent.

Usage-based Insurance auf dem Vormarsch

Nutzungsbasierte Versicherungen haben sich im Vergleich zur Vorjahresbefragung weiter durchgesetzt. Während 2021 ein Viertel der deutschen Befragten eine solche Versicherung abgeschlossen hatte, ist es aktuell bereits jeder Dritte.

In Großbritannien ist die Zahl von neun auf zwölf Prozent gestiegen, in Frankreich von 21 auf 31 Prozent. Knapp ein Drittel der deutschen Verbraucher ist der Ansicht, dass eine herkömmliche Versicherung für sie teurer wäre; in Großbritannien weist diese Meinung mit 26 Prozent die geringste Verbreitung auf.

Bedenken bestehen bei den Kunden hinsichtlich des Datenschutzes. 56 Prozent der Verbraucher in Deutschland sehen nutzungsbasierte Versicherungen als Gefahr für ihre Privatsphäre. Am kritischsten sind hier die spanischen Verbraucher mit 59 Prozent, in Frankreich sind die Bedenken mit 42 Prozent dagegen am schwächsten ausgeprägt.

Eine Lücke zwischen Versicherern und Kundenbasis

„Obwohl das Image der Versicherer sich im Vergleich zur Vorjahresbefragung in einzelnen Aspekten etwas verbessert hat, gibt es wichtige Themen, die unbedingt Aufmerksamkeit erfordern“, so René Schoenauer, Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software.

„Unsere Studie zeigt deutlich, dass eine Lücke zwischen den Versicherern und ihrer Kundenbasis entsteht, weil ihre Angebote nicht mehr in den Lebensalltag der Menschen passen. Um die drohende Gefahr von Vertragskündigungen infolge der Inflation abzuwenden, müssen die Versicherer sich stärker an den Kundenanforderungen orientieren. Positiv ist hier die steigende Beliebtheit von nutzungsbasierten Versicherungen zu sehen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf dem Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegen – sowohl bei Investitionen als auch bei der Entwicklung von Produkten und Services.“

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