Begrenzt mobil: Elektromobilität in der Wohneigentumsgemeinschaft

Wer in der Wohneigentumsgemeinschaft (WEG) auf E-Mobilität setzen möchte, stößt auf eine Reihe von Hindernissen – menschlicher und technischer Natur. So manche Verwaltung winkt angesichts der Schwierigkeiten ab.

Es könnte alles so einfach sein: Mit dem Elektroauto ankommen, einparken, aufladen – und das alles in der heimischen Tiefgarage. In der Praxis allerdings klappt der e-mobile Alltag nur für Einfamilienhausbesitzer derart problemlos. Sie können sich die Infrastruktur installieren lassen, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. In WEGn gestaltet sich die Lage schwieriger. Erstens ist die Rechtslage unklar, was die Beschlussfassung für den Einbau von Ladeinfrastruktur betrifft. Zweitens verhindern die technischen Voraussetzungen häufig den Anschluss einer Ladesäule; diese würde das Netz überlasten.

Wie kompliziert Voten in einer WEG grundsätzlich zu organisieren sind, davon kann jeder Verwalter ein eigenes Lied singen. In Bezug auf die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge sind sich Rechtsexperten außerdem uneinig, welche Mehrheiten notwendig sind. Beispielsweise bewertet der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland den Einbau von Ladestationen als Modernisierung. „Dann benötigen Sie auf der Eigentümerversammlung eine doppelt qualifizierte Mehrheit, das heißt, drei Viertel der Stimmberechtigten und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile müssen zustimmen“, erklärt Julia Wagner von Haus & Grund in der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums hingegen sieht es als erforderlich an, dass alle anderen Wohnungseigentümer zustimmen.

Gemengelage aus Desinteresse und schwammiger Rechtssituation

Manche Verwaltung winkt angesichts dieser unklaren Vorgaben daher ab und verzichtet auf eine Beschlussfassung. Die Immobilienverwaltung 3×1 aus Erfurt verweist gegenüber dem Bundesfachverband der Immobilienverwalter e.V. auf ein weitergehendes Hindernis für eine Beschlussfassung: „Insgesamt ist aufgefallen, dass das Wissen beziehungsweise das Interesse an E-Mobilität noch sehr begrenzt ist“, sagt Jörg Wanke, Geschäftsführer der Immobilienverwaltung 3×1. Zusammen mit den rechtlichen Hürden sei daher mit großen Schwierigkeiten für Verwalter zu rechnen. Gerade bei größeren WEGs und Desinteresse eines einzelnen Eigentümers stünden sehr viele Unwägbarkeiten für den Verwalter bevor, so Wanke weiter.

Eine Umfrage des Beratungsunternehmens E-Auto-Lader unter 200 Immobilienverwaltungen ergab, dass etwa ein Fünftel der Befragten in einem oder in mehreren betreuten Objekten Ladestationen hat installieren lassen. Von den Erfahrungen dieser „Pioniere“ können andere sicherlich lernen – denn die technische Installation hat ihre Tücken, vor allem, was die Sicherheit der Stromversorgung betrifft. Der Netzbetreiber gibt vor, wie viel Strom in einem Objekt zur Verfügung steht. Wenn zu Stoßzeiten Waschmaschinen und Geschirrspüler laufen und dazu noch E-Autos aufgeladen werden, kann die Hauptsicherung herausfliegen – und das wird teuer, denn an die Hauptsicherung dürfen nur Fachleute heran.

„Leistungsfähige Wallboxen mit 32 und mehr Amper scheitern bei uns in Ulm schon an der Kapazität der nächstliegenden Trafostation, obwohl wir zum Teil in den Tiefgaragen die Übergabepunkte der Versorgungsbetriebe haben“, erklärt etwa Matias Strobel von der Strobel Immobilienverwaltungs GmbH. Sein Unternehmen hat E-Mobilitäts-Vorhaben daher auf Eis gelegt. „Ich kaufe mir auch keine Segelyacht, wenn ich keinen Liegeplatz habe.“

Modellprojekte in München

Abhilfe schaffen können intelligente Lastmanagementsysteme. Sie erkennen, wie viel Strom in Wohn- und Wirtschaftsräumen gerade benötigt wird und erlaubt E-Autos nur eine bestimmte Strommenge. Für größere WEGs empfiehlt sich auch, eine größere Hauptsicherung einzusetzen. Neue Zuleitungen hingegen können schnell im empfindlichen fünfstelligen Euro-Bereich zu Buche schlagen, bei Ladestationen nur für E-Autos reichen Experten zufolge Modelle für um die 500 Euro. Weitere Kosten fallen für das konkrete Einrichten der Infrastruktur an; wer diese Kosten und das damit verbundene Risiko scheut, kann mit Stadtwerken oder anderen Anbietern einen Gestattungsvertrag aushandeln: Die Stromanbieter installieren die Infrastruktur auf eigene Kosten, tragen das wirtschaftliche Risiko und vermieten die Ladestationen an Eigentümer oder Mieter.

Eine der Vorreiterinnen auf dem Gebiet sind die Stadtwerke München. Sie bieten Komplettpakete von der Beratung über den Leitungscheck bis zur Vermietung der Infrastruktur an, inklusive einer Ökostrom-Flatrate. Dieser Service kann nicht nur für WEGs verschiedener Größenordnung, sondern auch für Firmen interessant werden – zumal unter bestimmten Voraussetzungen Fördermittel der Stadt München winken.

Wer neu baut, denkt die Infrastruktur für E-Mobilität am besten gleich mit oder legt zumindest die Versorgungsleitungen dafür. Das erspart teures Nachrüsten und so sind WEGs und Verwaltungen auch vorbereitet auf eventuelle Änderungen in der Rechtslage, die eine Novelle des WEG-Gesetzes mit sich bringen könnte.

Foto: Shutterstock 

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