Amundi: „Bei uns reichen die ESG-Wurzeln weit zurück“

Dr. Andreas Steinert
Foto: Amundi
Dr. Andreas Steinert, Amundi: „Eine Studie zeigt, dass die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage zu 80 Prozent verneint wird.“

Der Chef von Amundi Deutschland, Christian Pellis, wurde in diesem Jahr als Head of the Year ausgezeichnet. Cash. nutzte diese Gelegenheit, um einen Blick hinter das Unternehmen zu werfen. Vor Ort in München sprachen wir mit weiteren Führungskräften von Amundi Deutschland. Dr. Andreas Steinert, Head of ESG Business bei Amundi Deutschland, zu den größten Herausforderungen im Markt, im Vertrieb sowie in der Regulatorik.

Herr Dr. Steinert, wie herausfordernd ist Ihre Tätigkeit derzeit? Wie muss ich mir diese konkret vorstellen?

Steinert: Die größte Herausforderung ist tatsächlich die Veränderungsgeschwindigkeit, die wir im Markt sehen, getrieben durch die dauernd angepasste oder neu interpretierte Regulierung und die Reaktionen des Marktes sowie der Marktteilnehmer in Form von neuen Produktentwicklungen et cetera. Denn durch die Regulierung wird sich in der Realwirtschaft die tatsächliche Transformation und die Klimawende abspielen. Wie sieht meine Funktion aus? Ich bin eine Schnittstelle zum Kunden. Meine Hauptaufgabe besteht darin, in Workshops mit Kunden die Kundenkommunikation zu unterstützen, sowohl dem Einzelkunden gegenüber, aber eben auch gegenüber der Presse. Ich habe aber auch eine wichtige Funktion in der Wissensvermittlung intern, wenn es um die kontinuierliche Aufbereitung von neuen Entwicklungen am Markt sowohl wiederum der Realwirtschaft als auch der Finanzwirtschaft geht. Wichtig ist natürlich auch, dass wir mit verschiedenen Abteilungen daran arbeiten, dass auch unser eigener Footprint, unser eigenes ESG-Profil als Amundi deutlich weiterentwickelt wird. Insofern unterstütze ich oder leite ich auch Projekte zu Corporate Social Responsibility.

Was muss ich mir unter dem Begriff Veränderungsgeschwindigkeit vorstellen und was ist anders als in der Vergangenheit?

Steinert: Wir haben eine Reihe von europäischen Regularien. Viele existieren jetzt seit vielen Jahren, sei es die Offenlegungsverordnung oder die Taxonomie. Aber die Art und Weise, wie sie angepasst werden, wie sie interpretiert werden, sei es von der Kommission, sei es von den europäischen Aufsichtsbehörden, das variiert. Ich spreche teilweise von einer Jo-Jo-Regulierung, zumindest in Bezug auf die Interpretation. Solange wir keine Rechtssicherheit auf allen Ebenen der Definition und der Anwendbarkeit haben, ist das ein schwieriges Unterfangen für die Asset Manager. Wir sehen natürlich auch, wie sich geopolitisch oder in der Wissenschaft weitere Entwicklungen ergeben. Das sind extreme Herausforderung für global agierende Unternehmen der Realwirtschaft. Wir sehen, dass sich der Klimawandel beschleunigt, dass die getroffenen Prognosen noch übertroffen werden, sei es die Eisschmelze oder die Ozeanerwärmung. Wir steuern auf ein Rekordjahr der Ozeanerwärmung zu. Insofern wird die Dringlichkeit des tatsächlichen Handelns noch viel höher.

In Gesprächen mit vielen anderen Unternehmen fällt sehr häufig der Satz: „ESG gehörte schon immer zu unserer DNA.“ Wie stellt sich das für Amundi dar?

Steinert: Ich kann zumindest sagen, dass bei Amundi die ESG-Wurzeln weit zurückreichen. Die besten Beispiele sind, unsere zwei Vorzeigefonds aus den Jahren 1986 und 1990 – der Amundi Ethik Fonds und der Amundi Funds Global Ecology ESG –, die stringenten ESG-Strategien folgen, die heute noch genauso relevant sind wie vor 30 Jahren. Wir haben eine lange Historie mit milliardenschweren Strategien, die weit zurückreichen, weit vor jeglichen ESG-Trendentwicklungen. Darüber hinaus zählt Amundi zu den Gründungsunterzeichnern der UN PRI, das waren damals 64 Unternehmen, darunter 32 Asset Manager. Heute sind in der UN PRI über 3.500 Unternehmen als Unterzeichner beigetreten. Das ist ein Beweis, dass Amundi früh Flagge gezeigt hat und beigetragen hat, Maßstäbe zu setzen. Seitdem spielen in der Tat ESG-Strategien eine zentrale Rolle bei Amundi. Unsere Ambitionen 2021 oder Ambitionen 2025, also unseren zentralen internen Strategieprogramme fokussieren sich auf nachhaltiges Investieren in verschiedenen Dimensionen.

Wie wichtig ist ESG für den wirtschaftlichen Erfolg von Amundi?

Steinert: Immens wichtig. Wir positionieren uns als Vorzeigeunternehmen im Bereich des ESG-Investierens. E, S und G sind im Endeffekt eine Verfeinerung des Risikoansatzes jeglichen Investmentansatzes. Die ESG-Dimensionen sind erst mal Aspekte, die die Risikoanalyse eines Unternehmens verfeinern. Deshalb ist es unabhängig davon, ob ich gewisse Werte oder Impacts erzielen will. Man verfeinert die Finanzanalyse, und bekanntermaßen lebt unsere Branche von einer risikoangepassten Rendite oder Risk-adjusted Return. Alles, was man in dem Bereich unternimmt, optimiert die Kernfinanzprozesse in der Finanzanalyse und ist deshalb unabhängig von dem Werteverständnis, das man als Investor an den Tag legt.

Als wir damals sprachen, war gerade die Kooperation von Amundi mit Miles & More besiegelt worden. Wie suchen Sie Kooperationspartner in dem Bereich?

Steinert: Wir haben uns für unsere sozialen Projekte in Deutschland einen Rahmen gegeben, dass wir in nachhaltige Bildung investieren wollen und fördern dort das ein oder andere Projekt, das von gemeinnützigen GmbHs oder auch Universitäten gestartet und geleitet wird. Insofern ist das eine klare Ausrichtung. Wenn wir uns das öffentliche Sponsoring anschauen, unterstützen wir insbesondere den Frauensport.

2019 haben Sie im Gespräch mit uns ESG als Game Changer bezeichnet. Wie hat sich das „Spiel“ seitdem tatsächlich verändert?

Steinert: ESG hat sich so tief in die Risikoinvestment-Analyseprozesse eingegraben und diese verfeinert, dass diese auch nicht mehr verschwinden werden. Unabhängig von den Themen, wie viel grüne Strategien oder wie viel Transformationsstrategien ich anbiete, ist es im Maschinenraum des Asset Management angekommen und wird dort auch bleiben. Dann ist die darüber hinausgehende Frage: Wie viel zusätzliche dezidierte Strategien biete ich an? Da sehen wir auch, dass es im Passivbereich eine Explosion an Responsible-Investment-Indizes gab, die im Endeffekt jeden Anlagebedarf und Geschmack von verschiedenen Investorengruppen treffen. Das gesamte Produktspektrum für diese Bedürfnisse hat sich entwickelt und seit 2019 vervielfacht. Insofern sehen wir heute ein sehr ausdifferenziertes Produktangebot, wobei das Ende davon noch immer nicht erreicht ist.

Ist das für Sie noch handhabbar?

Steinert: Für Amundi als ein Unternehmen mit weltweit 5.400 Mitarbeitern und dezidierten Investmentcentern für verschiedenste Assetklassen, ist das natürlich eine Anforderung, die immer on top zu den bestehenden Prozessen kommt. Aber da wir eine Spezialisierung und die Größe haben, ist es handhabbar. Es ist eine Herausforderung, die ESG-Dimensionen in alle Schritte der Wertschöpfungskette einzubauen, vom Risk Management bis hin zum regulatorischen Reporting gegenüber dem Kunden.

Mittlerweile muss die Nachhaltigkeitspräferenz der Kunden seitens des Vertriebs abgefragt werden. Läuft das bereits rund oder muss noch nachjustiert werden?

Steinert: In der Tat gibt es immer wieder neue Herausforderungen für die Berater. Bereits unsere eigene Komplexität als Amundi mit unserem breiten Produktspektrum ist sicher nicht einfach. Weil wir allerdings systematische Methodiken anwenden, ist es machbar. Die angesprochenen Methodiken, wie Sustainable-Investments-Quoten nach der Offenlegungsverordnung definiert, variieren natürlich von Anbieter zu Anbieter. Deshalb glaube ich, muss die Regulierung zwischen Offenlegungsverordnung und MiFID II grundsätzlich überarbeitet werden. Die Europäische Kommission hat kürzlich eine Konsultation zur Ebene eins der Offenlegungsverordnung, veröffentlicht, und ich hoffe, dass wir die Anforderungen für den Kunden verständlich gestalten können, das heißt, diese radikal zu reduzieren. Wir sollten uns auf die nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren oder englisch „Principal adverse impact indicators“, kurz PAI, fokussieren. Viele andere Instrumente bergen eine große Rechtsunsicherheit, wie die Definition der Sustainable Investments. Die Handlungsoptionen heißen also entweder Reduktion der Offenlegungsverordnung auf PAIs, oder sie wird erweitert zu einer nicht mehr reinen Offenlegungsverordnung, sondern tatsächlich zu einer Regulierung mit Mindeststandards für Fonds, um jegliche Rechtsunsicherheit zu nehmen. Ich glaube, es gibt nur diese zwei Wege. Wenn wir das erreicht haben, dann werden wir auch bessere Quoten bei der Beantwortung der Nachhaltigkeitspräferenzen sehen, die aktuell relativ niedrig ausfallen, also die Bejahung, dass ein Kunde nachhaltig investieren will.

Ist das tatsächlich so?

Steinert: Ja, es gibt ja erste Umfragen und wissenschaftliche Studien. Eine zeigt, dass die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage zu 80 Prozent verneint wird. 80 Prozent sagen, sie wollen keine nachhaltigen Produkte. Die Ursachen können vielfältig sein, weshalb diese Quote so hoch ist. Die Präferenzabfrage ist so technisch, so schwierig gestellt, dass sie ein Endkunde nicht versteht und ohne Hilfe nicht beantworten kann.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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