Aus einer Dienstleistung, die bisher den Vermögenden vorbehalten war, sollte durch Robo Advisor ein Anlageprodukt für alle entstehen. Wie sieht es heute aus? Ein Beitrag von Sven Keese, Partner, und Fabian Neumann-Holbeck, Projektleiter bei disphere interactive GmbH.
Die Menschen sind es gewohnt, dass Produkte und Dienstleistungen über das Internet angeboten werden und schätzen diese Veränderungen der Digitalisierung. Rund 86 Prozent der Deutschen nutzen Online-Angebote der Unternehmen aus dem Internet. Dieser Trend bestätigt sich auch bei den Bankhäusern: Etwa 59 Prozenrt der Deutschen nutzen mittlerweile Online-Banking. Doch noch nicht alle Bankgeschäfte werden online erledigt. Bankgeschäfte wie die traditionelle Anlageberatung wurden bis vor nicht allzu langer Zeit (fast) nur analog beim Berater vor Ort angeboten. In den letzten Jahren wurde bei Banken und Versicherungen nach vielen Wegen gesucht, dem Kunden in Zeiten von Kostendruck und Niedrigzinsphase auch hier Alternativen zu bieten. Für den deutschsprachigen Raum wurde prognostiziert, dass die Beratung vor Ort stark abnehmen könnte. Start-ups – aber auch Banken und Versicherungen selbst – wollten genau dieses disruptive Potenzial durch (teil)automatisierte Beratung als Self-Service für sich nutzen. Die ersten Robos wurden geboren.
Der Robo Advisor Markt – Rückblick
Schauen wir zurück auf das Jahr 2016, wo in Deutschland erstmalig der Hype um Robo Advisor ausgebrochen war. Neben dem erst kommenden deutschen Markt war die USA – wie öfter bei neuen Geschäftsmodellen – auch hier weit voraus und so konnte auf einige Jahre Erfahrung zurückgeblickt werden. Die Robo Advisor verzeichneten zeitgleich weltweit starke Wachstumsraten: Das verwaltete Vermögen stieg laut der Unternehmensberatung Oliver Wyman von 13 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 auf 60 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016. Daran gemessen, war Deutschland noch ein Entwicklungsland. So ließ sich feststellen: Das Interesse an den neuen Tools war zwar groß – vor allem bei potenziellen Anbietern – doch viele deutsche Anleger hatten noch Berührungsängste; die berühmte „German Angst“. In diesem Umfeld versuchten Robo Advisor das gesamte Potenzial der Branche für sich zu nutzen. Vermehrt drückten neue „Player“ in den Markt, die auch Sparer und Tagesgeldanleger, auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten, ansprachen. Im Jahr 2017 kam dann der Durchbruch.
Der Marktführer Scalable Capital schaffte es mit einem Wachstum von 2.400 auf über 20.000 Kunden einen nennenswerten Kundenstamm aufzubauen. Allerdings gelang dies nur durch Kooperationen u.a. mit der ING, wodurch Bestandskunden zugänglich wurden. Aus eigener (Vertriebs)Kraft konnten in den Jahren zuvor nur wenige Tausend Kunden akquiriert werden. Es stellte sich somit die Frage, wie die Zielgruppe eigentlich aussieht?
Seite 2: Entwicklung und Prognose für das Vorhaben Robo Advisor