Während Bundesregierung und Verbraucherschützer in der neu geschaffenen Datenbank eine Stärkung des Kundenschutzes sehen, fühlt sich die Bankbranche zu Unrecht an den Pranger gestellt.
„Mit diesen Maßnahmen wird die Kontrolle der Anlageberater verschärft und der Schutz der Anleger vor Falschberatung weiter erhöht“, kommentierte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner das Inkrafttreten der Wertpapierhandelsgesetz-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV). Seit 1. November 2012 sind demnach alle für Wertpapierdienstleistungsunternehmen tätigen Anlageberater auf ihre Sachkunde und Zuverlässigkeit hin zu überprüfen und an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu melden.
Gleiches gilt auch für die Vertriebsbeauftragten der Finanzinstitute. Auch Kundenbeschwerden über Anlageberater müssen spätestens innerhalb von sechs Wochen an die BaFin weitergegeben werden. Zustimmend äußerte sich auch der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) in einer Pressemitteilung anlässlich des Stichtags. Demnach könne das Register hilfreich sein, werde aber nicht ausreichen, um künftig Falschberatung zu verhindern. „Das Register kann die Kontrollarbeit der BaFin erheblich unterstützen, denn es bietet klare Anhaltspunkte, wo es im System knirscht“, so VZBV-Finanzexpertin Dorothea Mohn.
Branche am Pranger
Dass sich mit dem Beraterregister der Anlegerschutz verbessern lässt, daran zweifelt die deutsche Kreditwirtschaft, die den Gesetzgebungsprozess von Beginn an kritisch begleitet hatte. „Mit dieser Regelung werden Mitarbeiter von Kreditinstituten pauschal an den Pranger gestellt, ohne dass Beschwerden Substanz oder Berechtigung haben müssen“, fasst Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die Bedenken der Branche zusammen.
Es sei unzumutbar für Kreditinstitute, Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anzeigen zu müssen, wenn nicht einmal klar definiert sei, was als Kundenbeschwerde bei der Anlageberatung gelten solle. Im Ergebnis müssten Kreditinstitute jeden Sachverhalt ohne Prüfung von Substanz oder Berechtigung anzeigen. Das könne nicht Sinn und Zweck der Regelung sein.
Dominika Kula, Pressereferentin der BaFin, hält die Sorge der Branche, an den Pranger gestellt zu werden, für unbegründet, da es sich beim Register um eine rein interne Datenbank der BaFin handelt. Zudem sei bei der Entwicklung des Registers darauf geachtet worden, dass datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden.
Keine Prüfung der Beschwerden
Die Regelung, dass sämtliche Kundenbeschwerden an die BaFin gemeldet werden müssen, soll eine Vorselektion der Beschwerden durch die Institute verhindern. Die BaFin erfährt im ersten Schritt lediglich, dass überhaupt eine Beschwerde an einem bestimmten Tag eingegangen ist sowie welcher Berater in welcher Organisationseinheit betroffen ist. „Die reine Zahl der Beschwerden kann ein Indiz dafür sein, dass tatsächlich ein Fehlverhalten vorliegt. Wir gehen der Sache in einem zweiten Schritt nach, wenn wir sehen, dass sich Anleger über einen Berater oder Vertriebsbeauftragten besonders häufig beschweren“, so Kula. Um den Sachverhalt zu klären, fordert die BaFin dann weitere Informationen an.
Genau hier besteht laut Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), die Gefahr, dass ein falsches Bild entsteht. „Allein die Anzahl der angezeigten Kundenbeschwerden hat keine Aussagekraft, da der BaFin selbst objektiv unberechtigte Beschwerden anzuzeigen sind“, begründet Fröhlich seine Befürchtung. Zudem sei die Möglichkeit der Beschwerden bei den einzelnen Instituten und bei den Ombudsmannstellen auch schon vor Einführung des Registers gegeben gewesen.
Dass Bankkunden vor falschen und unseriösen Beratungen im Wertpapiergeschäft bewahrt werden müssen, stehe außer Frage, meint Dr. Arne Hertel, zuständig für Kapitalmarktrecht im DSGV. „Umgekehrt müssen aber auch Berater vor Denunziantentum und willkürlichen Unmutsäußerungen geschützt werden. Diesem Umstand trägt die Mitarbeiteranzeigeverordnung nicht Rechnung“, so Hertel weiter.
Gesetz auf dem Prüfstand
Hier setzt auch die Kritik der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) an, die Anfang November letzten Jahres rügte, dass die Kontrolle die Falschen treffe. Insbesondere in der Tatsache, dass Beschwerden nicht vor der Registrierung überprüft werden, hält Verdi für ein Risiko. Es stehe zu befürchten, dass Bankberater künftig bei einer Bewerbung eine Art Selbstauskunft vorlegen müssen, die sie bei der BaFin eingeholt haben. „Wer das nicht tut, oder viele Beschwerden bekommen hat, ist raus“, warnt Verdi-Bankenreferent Mark Roach. Egal ob die Beschwerden berechtigt seien oder nicht. Verdi erwäge daher, das Gesetz gerichtlich prüfen zu lassen.
Trotz vehementer Kritik aus der Kreditwirtschaft und von Seiten der Gewerkschaft hat nur eine Bank in Deutschland rechtliche Schritte gegen das Register eingeleitet. Die Volksbank Göppingen und drei ihrer Mitarbeiter haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Für Dr. Peter Aubin, Vorstand der Volksbank Göppingen, ist das Beraterregister „reiner politischer Populismus“, der bewusst auf eine Verunsicherung der Bankmitarbeiter zielt und damit ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit ist.
Die Bankmitarbeiter-Datei verletzt seiner Ansicht nach neben dem Grundrecht der Berufsfreiheit, auch das Grundrecht der Bankmitarbeiter auf informationelle Selbstbestimmung. Weiterhin werde das Gleichheitsgebot verletzt, weil das Beraterregister nur für Bankmitarbeiter gilt, die freien Vermögensberater dagegen hiervon ausgenommen sind. Schließlich werde das Rechtsschutzgebot des Grundgesetzes verletzt, weil das Gesetz vorsieht, dass Rechtsmittel der Bank oder der Mitarbeiter gegen Sanktionsmaßmahnen wie etwa Berfusverbote keine aufschiebende Wirkung haben sollen.
Das gelte auch für die Regelung, wonach die BaFin einzelne Banken im Internet „an den Pranger stellen“ kann. „Insgesamt hätte es viel mildere Mittel gegeben, um den Interessen des Verbraucherschutzes in der Wertpapierberatung gerecht zu werden“, so Aubin. Es hätte seiner Meinung nach völlig genügt, nur die Bankmitarbeiter bei der BaFin zu erfassen, die Regelverstöße tatsächlich begangen haben. Warum sich kein anderer der Verfassungsbeschwerde angeschlossen hat, darüber kann Aubin nur spekulieren: „Vielleicht haben nicht alle die Courage zu so etwas. Bankvorstände sind in der Regel eher auf Harmonie als auf Streit bedacht.“