Für die Verjährung von Haftungsansprüchen gegen Finanzdienstleister hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass jeder einzelne Beratungsfehler isoliert zu betrachten ist. Jetzt zeigen sich weitere Folgen dieser Rechtsprechung, die erneute Prozesse in abgeschlossenen Verfahren erwarten lassen.
Text: Professor Dr. Thomas Zacher, Kanzlei Zacher & Partner
Seit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches in 2002 ist ein neues Verjährungsrecht in Kraft. Danach gilt für die Vertriebshaftung grundsätzlich eine dreijährige Verjährungsfrist. Die Frist beginnt allerdings erst zum Ende des Jahres, an dem der geschädigte Anleger Kenntnis von den Tatsachen erlangt, die seinen Anspruch begründen könnten, oder er sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschließt. Die maximale Verjährungsfrist beträgt jedoch zehn Jahre, sodass für die sogenannten Altfälle aus dem Zeitraum vor 2002 die Verjährung zum 31. Dezember 2011 abgelaufen ist. Hierüber wurde bereits vielfach in Cash. berichtet.
Verschiedene Verjährungsfristen
Es ist inzwischen ebenfalls gefestigte Rechtsprechung, dass für die Frage der Verjährung jeder – behauptete – Beratungsfehler isoliert im Hinblick auf die Kenntnis des Anlegers zu behandeln ist. Dies bedeutet, dass im Hinblick auf einen bestimmten Beratungsfehler Verjährung bereits eingetreten sein kann, während dies für andere Aufklärungsmängel nicht gilt. Am Beispiel von zwei „klassischen“ Beratungsfehlern wird dies anschaulich. Ein Anleger hat z.B. in 2007 einen geschlossenen Fonds gezeichnet und nun stützt er seinen Anspruch einerseits auf die mangelhafte Information über die Sicherheit der empfohlenen Kapitalanlage und andererseits auf die Vorspiegelung einer jederzeit fungiblen Anlageform. Ist nachweisbar, dass er z.B. ein Jahr später eine konkrete Information darüber erhalten hat, dass für die betreffende Anlage weder ein geregelter Zweitmarkt vorliegt noch sonst eine kurzfristige Veräußerung möglich ist, wäre dieser Haftungsaspekt am 31. Dezember 2011 verjährt. Für den erstgenannten Aspekt der generellen Sicherheit der Anlage gilt dies jedoch nicht, wenn über das tatsächliche Risiko der betreffenden Anlage auch in 2008 keine Kenntnis erlangt wurde oder dies jedenfalls nicht nachweisbar ist. Die Klage wäre letztendlich – bei einer unterstellt fehlerhaften Aufklärung hierüber – nicht verjährt und damit erfolgreich.
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Diese vom Bundesgerichtshof mehrfach bekräftigte Differenzierung nach einzelnen Beratungsmängeln (vgl. etwa Urteil vom 19. November 2009 – III ZR 169/08) hat in der Praxis vielfach dazu geführt, dass von Anlegern bzw. ihren Anwälten alle auch nur entfernt denkbaren Beratungsfehler geltend gemacht werden. Dies bläht oft Klageschriften und Gerichtsverfahren auf, ist aber vor dem Hintergrund der angesprochenen Rechtsprechung verständlich. Wenn das Risiko besteht, dass einzelne denkbare Beratungsmängel entweder gerichtlich überhaupt nicht akzeptiert werden oder als verjährt gelten, möchte der Anspruchsteller möglichst viele Asse im Ärmel haben, damit jedenfalls eines sticht.
Diese – nennen wir sie einmal „isolierende Betrachtung von Beratungsmängeln“ – hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Verjährung und dem Umfang des Prozessstoffes.