„Die Auf- bzw. Abwärtsrisiken einer milden Rezession sind nach unserer Überzeugung weitgehend eingepreist. Kurschancen und -risiken sind nach der Kurskorrektur im ersten Halbjahr 2022 nunmehr besser ausgewogen. Das hat uns veranlasst, am Montag vergangener Woche zu einer neutralen Positionierung am Aktienmarkt zurückzukehren, nachdem wir zehn Tage vor dem Kriegsbeginn am 14. Februar 2022 – relativ zu den von unseren Kundinnen und Kunden definierten strategischen Aktienquoten – Aktien leicht untergewichtet hatten. Aus dem Blickwinkel langfristig orientierter Investorinnen und Investoren, die eine gewisse Volatilität „aushalten“ können, macht es Sinn, schrittweise etwas optimistischer zu werden – ohne die erhöhten Risiken dabei auszublenden.
Die Inflationsraten in Europa und den USA bewegen sich mit rund 9% auf historischen Höchstständen seit den 1980er Jahren. Das ist bei weitem zu hoch, um als Anleger oder Notenbanker entspannt zu sein. In unserem Hauptszenario gehen wir allerdings davon aus, dass die Inflation im Jahr 2023 deutlich abnehmen wird. Dazu tragen vor allem Basiseffekte der Energiepreisentwicklung bei. Der Preis für die Rohölsorte Brent war im Laufe des Jahres 2021 und in den ersten Monaten des Jahres 2022 kontinuierlich gestiegen, von gut 50 USD Anfang 2021 bis auf fast 80 USD Ende 2021 und auf über 120 USD im März 2022. In den nächsten Monaten wird man also die aktuellen Rohölpreise mit immer höheren Rohölpreisen aus dem Vorjahr vergleichen. Die aus höheren Energiepreisen resultierende Inflation wird daher abnehmen, falls wir keinen weiteren Energiepreisschock erleben.
Ein weiterer Hinweis auf einen bevorstehenden Rückgang der Inflationsraten sind die fallenden Inflationserwartungen. Inflationserwartungen sind ein wichtiger Treiber für die zukünftige Preisentwicklung, da sie Einfluss auf die Lohnforderungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Preisgestaltung durch die Unternehmen haben. Die längerfristigen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer haben sich gegenüber den Höchstständen von April/Mai 2022 deutlich zurückgebildet.“