Positives zur Bestandsbetreuung

Die Betreuung von Versicherungsbeständen ist ein oft sehr aufwändiges, aber auch durchaus lohnendes Geschäft. Neue Gerichtsurteile erkennen an, dass Bestandspflege nicht nur Zeit kostet, und stärken die Rolle der Vermittler.

Kolumne von Prof. Dr. Thomas Zacher, Kanzlei Zacher & Partner

Prof. Dr. Thomas Zacher
Prof. Dr. Thomas Zacher: „Die Finanzverwaltung hat sich dabei als „schlechter Verlierer“ gezeigt.“

Nach der für den Vertrieb sehr lebhaften Phase bis zum Jahreswechsel mit den Vorboten der Umstellung auf Unisex-Tarife, Zinssenkungen bei Lebensversicherungen und anderem steht im neuen Jahr oft die Bestandspflege wieder verstärkt im Vordergrund.

Auch diese Arbeit „am Kunden“ ist langfristig lohnend und im Rahmen getroffener Vertriebsverträge meist auch gefordert. Zugleich ist sie oft zeit- und kostenintensiv.

Dies hat auch das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH) in einem schon 2011 ergangenen, aber jetzt erst im Bundessteuerblatt veröffentlichten Urteil (Urteil vom 19. Juli 2011 – X R 26/10) anerkannt.

Rückstellungen bilden erlaubt

Grundlage des Streitfalls des Versicherungsvermittlers mit seinem Finanzamt war die Regelung in Paragraf 5 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach bilanzierende Gewerbetreibende dann steuerlich wirksame Rückstellungen bilden dürfen, wenn diese nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung geboten sind.

Eine entsprechende Rückstellung mindert also direkt die Steuerlast im betreffenden Jahr, auch wenn der tatsächliche Aufwand hierfür erst später anfällt. Dieser Grundsatz wirkt sich allerdings nur dann aus, wenn der Vermittler entweder buchführungspflichtig ist oder freiwillig bilanziert. Die Pflicht zur Buchführung beginnt bei einem Umsatz ab 500.000 Euro oder einem Gewinn ab 50.000 Euro.

Wird die Vermittlungstätigkeit im Rahmen einer Handelsgesellschaft (zum Beispiel OHG, KG oder GmbH) ausgeübt, besteht in jedem Fall die Pflicht zur Buchführung. Nur derjenige, der gemäß Paragraf 4 Absatz 3 EStG den Gewinn durch die sogenannte Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt, kann auch nicht die Bildung von Rückstellungen für sich in Anspruch nehmen.

Im vor dem BFH entschiedenen Fall machte der buchführende Vermittler geltend, dass er nach dem Abschluss von Renten- und Lebensversicherungen noch zahlreiche Betreuungsleistungen in den Folgejahren zu erbringen habe.

Zu diesem Aufwand zählte das Gericht unter anderem den Einzug der laufenden Beiträge, die Bearbeitung von Namens- und Adressänderungen sowie Änderungen bei den Bezugsrechten, Anfragen nach Beitragsfreistellung, Berechnung von Ablaufsummen und bei gewünschter Reduzierung der Versicherungssumme, Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bankfinanzierungen et cetera.

Abwehr von Abwerbeversuchen als Nachbetreuungsleistung

Bemerkenswert war, dass das Gericht darüber hinaus auch die „Abwehr von Abwerbeversuchen durch andere Finanzberater und Konkurrenzunternehmen der Versicherungsbranche“ als typischen Bestandteil der Nachbetreuungsleistungen ansah und auch insoweit von einem dem Grunde nach berücksichtigungsfähigen Aufwand ausging.

Trotzdem machte es das Finanzamt dem Kläger nicht leicht. Zunächst meinte es, dass die Bildung von Rückstellungen für diese Tätigkeiten wegen „Unwesentlichkeit der Verpflichtungen“ nicht in Betracht komme.

Mit diesem Argument ging der BFH jedoch hart ins Gericht. Die früheren Urteile der Finanzrechtsprechung, auf die sich das Finanzamt stützen wollte, betrafen tatsächlich die Einlösung von Rabattmarken im Werte von 400 Mark und überdies den umgekehrten Fall, dass seinerzeit das Finanzamt eine entsprechende Kürzung vornehmen wollte.

Fast süffisant ging das oberste deutsche Finanzgericht auf diese Unterschiede im Einzelnen ein und machte auch deutlich, dass es der „vom Finanzamt vertretenen Atomisierung der Verpflichtungen“ nicht folgen wolle, da dafür „weder das Gesetz noch die bisherige Rechtsprechung eine Grundlage“ bilde.

Vielmehr sei nicht auf die Verpflichtung zur Nachbearbeitung des einzelnen Versicherungsvertrages abzustellen, sondern auf den Gesamtaufwand im Rahmen eines entsprechenden Versicherungsbestands.

Der Teufel liegt im Detail

Ist damit das „Ob“ der Bildung steuermindernder Rückstellungen für Versicherungsvermittler grundsätzlich positiv geklärt, so liegt der Teufel dennoch im Detail. Der BFH machte nämlich die Höhe der anzusetzenden Beträge von detaillierten Überlegungen abhängig: Zunächst einmal komme es darauf an, dass eine entsprechende bindende Pflicht zur Nachbetreuung bestehe.

Diese könne sich aus dem Vertriebsvertrag ergeben. Aus Sicht der Praxis ist zu ergänzen, dass sich eine entsprechende Verpflichtung – besonders bei Maklern – natürlich auch aus dem Rechtsverhältnis zum Kunden ergeben kann, wenn dies die laufende Betreuung mitumfasst.

Bestandspflege vs. Neugeschäft

In keinem Fall dürften aber Betreuungsmaßnahmen angesetzt werden, die vorwiegend auf die Generierung neuer Verträge oder Vertragserweiterungen hinaus laufen, da insoweit das Abschlussinteresse im Vordergrund stehe und überdies dann im Erfolgsfall regelmäßig eine neue Abschlussprovision anfalle.

Das Thema der (fehlenden) Verprovisonierung für die Besteuerung spielt aber auch bei echten Bestandspflegemaßnahmen eine entscheidende Rolle. Wenn für diese konkreten Maßnahmen eine entsprechende Bestandsprovision zukünftig anfällt, kommt eine Rückstellung nicht in Betracht.

Schließlich stellte der BFH noch Leitlinien für die mögliche Höhe der Rückstellungen auf. Ein Wermutstropfen ist dabei sicher die Aussage, dass die eigene Leistung des Unternehmensinhabers dabei nicht bewertet werden darf.

Werden Betreuungsleistungen teilweise vom Inhaber, teilweise durch Mitarbeiter durchgeführt, müssen die „Eigenleistungen“ des Inhabers wieder herausgerechnet werden. Dass jedoch gerade Betreuungsleistungen bei vorhandenem Mitarbeiterstab delegiert werden und sich der Inhaber eher um die Akquise kümmert, ist doch naheliegend, oder?

Weiterhin fordert der BFH detaillierte Aufzeichnungen. Die einzelnen Betreuungstätigkeiten müssen dargestellt werden, ebenso der für sie anfallende Zeitbedarf und die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrages zu erbringen ist. Dies ist noch mit der Laufzeit beziehungsweise Restlaufzeit der einzubeziehenden Verträge und der Höhe der Personalkosten zu multiplizieren.

Seite zwei: Finanzverwaltung ist schlechter Verlierer

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