Die erfolgreichen Schwellenländer Brasilien, China und Indien ziehen Investoren seit Jahren magisch an. Mit Formel Eins und Fussball-WM will Russlands Regierungschef Wladimir Putin nun auch sein Land für Kapitalgeber herausputzen.
Text: Marc Radke
Sieht so der Fortschritt im 21. Jahrhundert aus? Premierminister Wladimir Putin schält sich im Rennanzug und mit Schutzhelm auf dem Kopf aus dem engen Cockpit eines französischen Formel-1-Boliden. Seit 2009 ist dies der Arbeitsplatz des ersten russischen Piloten in der Geschichte des legendären Autozirkus, im nächsten Jahr soll bereits der erste Grand Prix des Landes in der 11-Millionen-Hauptstadt Moskau stattfinden. In der Vergangenheit war Ex-KGB-Chef Putin bei seinen alljährlichen Medieninszenierungen meist noch halbnackt mit Flinte und Jagdopfer zu bewundern.
Internationaler Spitzensport soll Profit bringen
Damit nicht genug, fördert der agile Regierungschef ausgewählte Autobauer wie den Newcomer Marussia, der den Schönen und Reichen auf der Welt demnächst exklusive Sportwagen offerieren soll. Über einen Einstieg als Formel-1-Team wird zurzeit intensiv verhandelt. Die Autoindustrie des Landes war bislang eher für klapprige Lada-Einheitsware und geländegängige Lastwagen aus dem letzten Jahrtausend bekannt als für High-End-Boliden, mit denen sich in der höchsten Motorsportklasse mitmischen lässt.
Die Formel 1 ist indes nicht der einzige kapitalistische Spielplatz, auf dem die ehemaligen Kommunisten zukünftig wirken wollen. Der Präsident von Putins Gnaden, Dmitri Medwedew, müht sich unterdessen auf dem Feld des Profifussballs, die heimische Wirtschaft voran zu bringen. Das Staatsoberhaupt kümmert sich mit größtem Engagement um die 2018 anstehende Weltmeisterschaft im eigenen Land und sorgt mit seiner Amtsgewalt dafür, dass die Vorbereitungen nicht ins Stocken geraten.
Putin und Medwedew wollen Russland in ein modernes Land verwandeln. Die Regierung erklärte anlässlich der WM-Vergabe euphorisch, dass dieses Turnier eine segensreiche Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft bringen werde. Immerhin kalkulieren russische Experten mit Gesamtkosten von rund 40 Milliarden Euro. Vor allem der Bau der Infrastruktur ist in dem größten Land der Welt eine Herkulesaufgabe. Obwohl die Austragungsorte auf Zentralrussland beschränkt sind, plant der Kreml allein für neue Straßen und Schienen Ausgaben in Höhe von 2,4 Milliarden Euro ein, für Flughäfen weitere 1,4 Milliarden Euro.
Der ökonomische Impuls für das frühere Zarenreich ist offensichtlich und spiegelt sich auch am Aktienmarkt wider. Das sieht auch Odeniyaz Dzhaparov, Fondsmanager bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, so: „Die Fussball-WM 2018 war neben der Akquisition vom Moskauer Milchlieferanten Wimm-Bill-Dann durch den US-Getränkebrauer Pepsico im Dezember der wesentliche Auslöser für die Jahresend-Rallye am russischen Aktienmarkt.“