bAV-Nachfragepotenzial nicht ausgeschöpft
Inwieweit das Zweite BRSG die Verbreitung der bAV ab 2025 in Deutschland deutlich voranbringen wird steht dahin. Die Branche zeigt sich aktuell mit der Nachfrage durchaus zufrieden. „Wir sehen, dass der Stellenwert der bAV bei Arbeitgebern größer wird und dass sie bereit sind, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um im Wettstreit um Talente und Fachkräfte ihr Unternehmen positiv am Bewerbermarkt zu positionieren“, sagt Hubertus Harenberg, Bereichsleiter bAV & Branchenversorgung bei Swiss Life Deutschland. Für Mitarbeitende sei die bAV im Rahmen der Entgeltumwandlung ebenfalls sehr attraktiv und praktisch eine Voraussetzung. „
Ein (Arbeits-)Vertragspaket ohne eine angemessene betriebliche Vorsorgekomponente wird von potenziellen Mitarbeitenden nicht mehr akzeptiert“, betont Harenberg. Ein Investment in bAV-Leistungen kommt langfristig auch den Unternehmen zu Gute. „Zum einen ist die Bindung von Arbeitnehmenden wirtschaftlich günstiger als die Rekrutierung neuer Kräfte. Zum anderen können bAV-Beiträge deutlich effizienter wirken als klassischer Arbeitslohn.
Aufwendungen zur bAV bleiben grundsätzlich sozialabgabenfrei und können entsprechend großzügiger bemessen werden als eine alternative Gehaltserhöhung, die durchschnittlich mit 23 Prozent Lohnnebenkosten inklusive Umlagen belastet ist“, argumentiert HDI-Vorstand von Löbbecke. In Kombination mit anderen Vergünstigungen, wie zum Beispiel steuerfreien Sachbezügen, könnten clevere Modelle nicht nur das Firmenimage pushen, sondern auch den Nerv der Belegschaft treffen, ohne das Unternehmen wirtschaftlich stark zu belasten.
Fondsgebundene Lösungen sind Marktstandard
Laut der Versicherer sind fondsgebundene bAV-Lösungen bei Neuabschlüssen mittlerweile Marktstandard. Auch Nachhaltigkeitskriterien werden immer relevanter, schon aufgrund der der neuen Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit (CSRD). Differenzierter sieht das der Maklerverbund VEMA. „Nachhaltigkeit spielt bestenfalls bei einem kleinen Teil der eher jüngeren Beschäftigten eine Rolle und wird auch aktiv nachgefragt“, sagt VEMA-Vorstand Neder.
„Bei Neuabschlüssen wird gerne mit ETFs gearbeitet, da auch vielen Kunden inzwischen bekannt ist, dass die Kosten hier besonders niedrig sind. Hier lässt sich dann je nach Anbieter auch das Thema Nachhaltigkeit mit integrieren, indem man beispielsweise die SRI-Variante eines ETFs auf den MSCI World als ‚Fondsfüllung‘ vorschlägt“, führt Neder ein Praxisbeispiel aus. Auch Kunden, die nicht aktiv danach fragten, hätten dann in der Regel nichts dagegen, dass ihre Altersvorsorge nachhaltig gestaltet wird.
„Nachhaltigkeit und bAV gehören zusammen wie beste Freunde. Betriebliche Altersversorgung ist schon per se nachhaltig, denn sie zahlt mit ihrem Arbeitgeberbeitrag unter anderem auf das soziale Engagement des Arbeitgebers ein“, begründet Protoschill, der bAV-Experte der Stuttgarter. Mit einer nachhaltig finanzierten Kapitalanlage wie zum Beispiel der ‚GrüneRente‘ der Stuttgarter werde ein zusätzlicher nachhaltiger Effekt erzielt, der von Arbeitnehmern wie Arbeitgebern sehr geschätzt werde.
Digitalisierung fördert bAV-Akzeptanz
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg im bAV-Vertrieb ist die digitale Ausstattung. „Für die Verwaltung sind digitale Tools wie Firmenportale oder Apps fast schon zum Hygienefaktor geworden. Der Arbeitgeber kann damit Vertragsanpassungen bequem und schnell digital vornehmen und der Arbeitnehmer erhält zum Beispiel über eine App jederzeit Einblick in seine betrieblichen Versorgungsleistungen“, beschreibt Alte-Leipziger-Experte Sattler die Vorteile.
Oft könnten die Mitarbeiter sogar selbstständig kleinere Änderungen an ihren Verträgen vornehmen. Ein weiteres Plus: Digitale Tools sorgen auch für hohe Transparenz in der betrieblichen Versorgung, was wiederum die Akzeptanz in der Belegschaft stärken kann. „Insbesondere bei der eher komplexen bAV ist Transparenz ein entscheidender Faktor, um die Arbeitnehmer von dem Angebot zu überzeugen“, so Sattler.
Auch HDI bietet mit dem HDI bAVnet ein kundenorientiertes Verwaltungs-Frontend für die bAV an, dass Arbeitgebenden und ihren Personalabteilungen, sowie Vermittlern die bAV leichter administrierbar macht. „Aber auch Arbeitnehmende fordern digitale Tools. Hier gilt: der Beratungsansatz muss zur Zielgruppe passen“, sagt HDI-Vorstand von Löbbecke. Gerade junge Menschen seien offen für Self-Service-Portale. Doch die Praxis zeige auch, dass ein persönliches Beratungsangebot im Kommunikationsmix nicht fehlen darf. Von Löbbecke beschreibt einen hilfreichen Ansatz: „Wenn Arbeitnehmende die Funktionsweise und Vorteile einer bAV schon in der Angebotsphase im Look & Feel ihrer eigenen Gehaltsabrechnung simuliert bekommen und Fragen dazu platzieren können.“ Zu den bAV-Kommunikationsoptionen zählen bei HDI unter anderem Vorsorge-Apps, für die Arbeitgebenden gelabelte Kundenportale und Info-Flyer, Belegschaftspräsentationen und persönliche Beratungsgespräche, die auch remote erfolgen können.
Swiss Life stellt gemeinsam mit dem Plattformanbieter Xempus AG seinen Kunden eine systemgestützte und intuitiv gesteuerte Beratungsplattform und den Swiss Life Vorsorge-Manager für die digitale Verwaltung zur Verfügung. „Darüber hinaus bieten wir Mitarbeitenden individuelle Plattformzugänge, über die sie ihre bestehenden bAV-Verträge einsehen können, sich über ihre Rentenlücke informieren und über eine Selbstberatungsstrecke Entgeltumwandlungen gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber abschließen können“, betont bAV-Bereichsleiter Harenberg.
Das eigenständige Ausprobieren der Tools durch Arbeitnehmer kommt auch bei Maklern gut an. „Sie bieten Arbeitnehmern die Möglichkeit, ein Gefühl dafür entwickeln zu können, welcher Sparbeitrag unter welchen Voraussetzungen zu welcher Betriebsrente führt. Kunden fühlen sich dann für das Beratungsgespräch mit dem Vermittler besser vorbereitet, haben eventuell konkretere Fragen und Vorstellungen. Das Gespräch findet mehr auf einer Augenhöhe statt, was für beide Seiten nur positiv ist“, unterstreicht VEMA-Vorstand Neder.
Alle Versicherer betonen, dass die bAV ein wesentlicher Teil der betrieblichen Vorsorge darstellt, zu der auch die betriebliche Krankenversicherung (bKV) und die betriebliche Arbeitskraftabsicherung gehören. Ein mitunter in der Branche kolportierter Beratungseinstieg über die bKV hin zur bAV wird jedoch nicht auf breiter Flur bestätigt. In der Regel gehen Vermittler mit allen drei Bausteinen unvoreingenommen in das Arbeitgebergespräch, zumal zunächst das Gesamtbudget für die sozialen Leistungen geklärt werden sollte.
Doch es gibt Ausnahmen: „Die bKV als Türöffner zu nutzen, scheint bei Unternehmen mit einer von Hause aus hohen Gesundheitsaffinität und -sensibilität erfolgsversprechend. Dies sind in der Regel alle Branchen des Heil- und Heilnebengewerbes“, weiß VEMA-Vorstand Neder. Hier könne es zumindest teilweise aber bereits tarifvertragliche Regelungen zur bAV geben. Das zunächst die bAV thematisiert wird und erst in einem späteren Schritt die bKV wird in den meisten Branchen wohl noch für recht lange Fall die Regel sein.
Autor Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Finanzjournalist rund um die Themen Versicherung und Finanzberatung.