Cash.: Wird sich die arbeitgeber- oder die arbeitnehmerfinanzierte bKV durchsetzen?
Becker: Durch die zunehmende Verbreitung von Zusatzversicherungen nach Sachversicherungsart erwarten wir einen Wachstumsschub für das arbeitgeberfinanzierte bKV-Geschäft, da gerade im betrieblichen Kontext die ökonomische Attraktivität von Versicherungsangeboten ohne Alterungsrückstellungen steigt – zudem bietet diese Produktart dem Versicherten mehr Flexibilität für die Zeit nach der Unternehmenszugehörigkeit.
Aber auch im Bereich der arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Krankenversicherung besteht Wachstumspotenzial, was sich an der steigenden Nachfrage nach privat finanzierten Gesundheitsleistungen, wie beispielsweise IGeL („Individuelle Gesundheitsleistungen“, die Ärzte in Deutschland Kassenpatienten gegen Selbstzahlung anbieten können), ablesen lässt.
Cash.: Kürzlich hat Europas größter Versicherer, die Allianz, nach einer Testphase den Schritt in das Geschäftsfeld bKV unternommen. Werden weitere Anbieter dem Beispiel der Allianz folgen?
Becker: Die PKV-Industrie setzt zunehmend auf das Geschäft mit Unternehmen als vertrieblich attraktiven und – im Vergleich zum Retailgeschäft – großflächigen Zugang zu attraktiven Versichertensegmenten, die besonders gute Risiko- und Solvenzprofile aufweisen.
Bei Anbietern wie Axa, DKV oder Gothaer liegt der Fokus je nach Unternehmensstrategie und Etablierung im Markt auf Angeboten für Großunternehmen, auf Lösungen für internationale Kunden oder auf innovativen Paketen für größere mittelständische Kunden.
Cash.: Welche Hausaufgaben hat der Gesetzgeber noch zu erledigen, um die bKV attraktiver zu gestalten?
Becker: Vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen hat die Politik die Bedeutung der betrieblichen Krankenversicherung erkannt. Sowohl im Bundesministerium für Arbeit und Soziales als auch im Bundesministerium für Gesundheit gibt es aktuell Initiativen, um das Thema voranzutreiben.
Derzeit können die im Rahmen von „Health Benefit Packages“ entstehenden Kosten für Krankenversicherungs- und Präventionsleistungen bis zu 500 Euro pro Jahr und Mitarbeiter steuerlich geltend gemacht werden.
Dennoch fällt die Inanspruchnahme durch Unternehmen trotz einer ersten Vereinfachung im Jahr 2009 derzeit äußerst gering aus. Hier könnte der Gesetzgeber durch weitere Vereinfachung und Pauschalierung der Nachweispflicht die Implementierung von betrieblichen Programmen erleichtern.
Das Gespräch führte Lorenz Klein, Cash.
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