Die zugrundeliegende Auseinandersetzung zwischen Verbraucherschützern und einem Unternehmen, das Reiseabsicherungen anbietet, geht bis ins Jahr 2018 zurück, durchlief mehrere Instanzen und führte dazu, dass der BGH die strittige Frage europarechtlich nicht eindeutig geklärt sah. Die Ausgangslage: Das beklagte Unternehmen verfügte über eine Gruppenversicherung eines Versicherungsunternehmens und beauftragte Werbefirmen, Kunden für diese Gruppenversicherung durch Haustürgeschäfte zu gewinnen. Deren Leistungen wurden natürlich vergütet, das Unternehmens selbst erhielt aber keine Provision vom Versicherer. Die zuständige IHK und auch die BaFin erkannten keine Notwendigkeit einer Zulassung als Versicherungsvermittler. Diese Sichtweise wurde durch den EuGH kassiert und später auch durch den BGH bestätigt und konkretisiert. Die Argumentation verfolgt das Ziel, das hohe Niveau einer Versicherungsvermittlung bzgl. Beratungsleistung, Kompetenz, Berufshaftpflicht und Integrität zu wahren sowie den notwendigen Verbraucherschutz zu gewährleisten beziehungsweise weiter zu verbessern.
Anne Fischer, Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei Norton Rose Fulbright LLP und Spezialistin in Versicherungsfragen, erläutert: „Aus deutscher Sicht sind die Entscheidungen des EuGH und des BGH ohne Zweifel ein Paukenschlag. Wohl den Unternehmen, die sich wie beispielsweise einige InsurTechs nicht darauf verlassen haben, dass die deutsche Auffassung, wonach ein Versicherungsnehmer nicht gleichzeitig Versicherungsvermittler sein kann, dauerhaft Bestand hat. Bei allen anderen ist jetzt schnelles Handeln angesagt.“
Bedeutung für Unternehmen, Vereine, Organisationen
Das bisher praktizierte Modell der Gruppenversicherung ermöglichte es Firmen, Institutionen und Verbänden, Gruppenversicherungs-Policen als sogenannte „Gruppenspitze“ abzuschließen, von Skalierungseffekten zu profitieren, unkompliziert Deckung für Mitarbeitende, Kunden und Mitglieder zu erhalten und auf diese Weise unterschiedlichste Risiken im Sinne der Betroffenen abzusichern. Der hohe Ressourcen- und Zeitaufwand für die Zulassung als Versicherungsvermittler nach der Gewerbeordnung entfiel – und hätte von etlichen Gruppenspitzen auch nicht bewältigt werden können. Das aktuelle Urteil sorgt nun verständlicherweise für Verunsicherung und kann bewirken, dass der resultierende Versicherungsschutz nicht mehr angeboten werden kann.
Nun sind viele Gruppenspitzen gefordert, sicherzustellen, dass die jeweiligen Endkunden weiterhin rechtskonformen Versicherungsschutz genießen. Dies lässt sich auf zwei Arten gewährleisten: Entweder werden die gesetzlichen Anforderungen erfüllt und eine Zulassung eingeholt. Oder es wird mit einem Partner kooperiert, der diese Vorgaben erfüllt, über die notwendige Infrastruktur verfügt und den rechtssicheren Versand der erforderlichen Dokumente gewährleisten kann.
Trotz der Bedeutung dieser neuen Urteile und Regelungen gibt es nach wie vor Unternehmen, die die neuen Anforderungen (noch) nicht oder nur teilweise erfüllen. Insbesondere im Bereich der Kollektivverträge sind viele Akteure gefordert, ihre Praxis anzupassen und sich den neuen Anforderungen entsprechend zu positionieren. Zudem braucht es eine Erlaubnispflicht zur Versicherungsvermittlung. Eine genaue Prüfung, ob eine Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) erforderlich ist, wird für Viele unumgänglich.
Die Grundsätze der Versicherungsvermittlung stehen auf dem Prüfstand
Die bisherigen und weiterhin geltenden gesetzlichen Anforderungen an Versicherungsvermittler, insbesondere die Beratungs- und Dokumentationspflichten sowie die Bereitstellung aller relevanten Informationen und Unterlagen für den Kunden, bleiben bestehen und gelten auch für die Vermittlung von Versicherungsverhältnissen auf Grundlage von Gruppenversicherungsverträgen. Von der Beratungsdokumentation bis hin zur umfassenden Bereitstellung versicherungsrechtlicher Informationen bleiben die Pflichten unverändert und müssen sorgfältig erfüllt werden.
Ohne Registrierung wird keine Vermittlung mehr möglich sein. Der Sachkundenachweis und die kontinuierliche Weiterbildung gewinnen an Bedeutung, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Informations- und Beratungspflichten sind keine Option, sondern eine grundsätzliche Verpflichtung gegenüber dem Kunden.
Gleichzeitig eröffnen sich Chancen für innovative Ansätze und Dienstleistungen. Die neuen Anforderungen können als Katalysator für mehr Servicequalität und Kundenorientierung dienen. Der Weg in die Zukunft erfordert Anpassung, birgt aber auch das Potenzial für eine weitere Professionalisierung und Vertrauensbildung in der Versicherungswirtschaft.
Fazit
Trotz all der Schwierigkeiten verdient das wegweisende Urteil Anerkennung, da es nicht nur für rechtliche Klarheit sorgt, sondern auch einen umfassenden Schutz für Verbraucher gewährleistet. Auch fällt nicht zwingend jeder Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung unter dieses Urteil. Auf der sicheren Seite stehen InsurTechs, Unternehmen, Vereine und Organisationen, die schon frühzeitig eine Zulassung angestrebt haben. Durch die Bereitstellung von Gruppenversicherungsmodellen und die Sicherstellung der Einhaltung rechtlicher Vorgaben gewähren sie, dass Vermittler von Versicherungsverhältnissen sämtliche rechtlichen Verpflichtungen erfüllen. Nichtsdestotrotz erwächst für zahlreiche andere Akteure erheblicher Klärungs- und zeitnaher Handlungsbedarf. Am Ende steht aber eindeutig ein Plus an Transparenz, Verbraucherschutz und Risikoabsicherung.
Alexander Hornung ist Co-Founder & CPO von Hepster