Der bankenunabhängige Finanzvertrieb muss ungefragt keine Provisionen offenlegen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) einem Medienbericht zufolge in einem Grundsatzurteil entschieden (Az.: III ZR 196/09). Die Finanzdienstleister-Verbände begrüßen die Entscheidung.
Die Richter wiesen die Schadensersatzklage eines Anlegers gegen den Finanzdienstleister AWD an das Oberlandesgericht (OLG) Celle) zurück. Das Unternehmen aus Hannover war von einem Kunden wegen verschwiegener Provisionen – sogenannten Kick-Back-Zahlungen – verklagt worden. Nachdem der BGH die Klage zurückgewiesen hat, muss nun das OLG Celle erneut prüfen, ob der AWD gegebenenfalls wegen mangelnder Aufklärung über die Risiken der empfohlenen Kapitalanlage haftet.
Im Fall von Vertriebsprovisionen war bislang lediglich für Bankberater höchstrichterlich geklärt, dass sie eine Aufklärungspflicht haben. Für freie Berater gilt dies nach der jüngsten BGH-Entscheidung nicht, berichtet die „Financial Times Deutschland“ (FTD).
AWD: „Befreiungsschlag für die ganze Branche“
In ihrer mündlichen Begründung seien die Richter nach AWD-Darstellung dem OLG Celle gefolgt. Dieses hatte bereits im Juni vergangenen Jahres entschieden, dass der Finanzvertrieb bei verschwiegenen Provisionen nicht hafte. Der Grund: Anders als bei Banken dürften Anleger bei freien Vermittlern nicht davon ausgehen, dass die Beratung umsonst ist. Ein Interessenkonflikt auf Beraterseite bestehe deshalb nicht. Die schriftliche Urteilsbegründung soll laut FTD frühestens in zwei bis drei Wochen folgen.
Beim AWD reagierte man erleichtert. Ein Sprecher bezeichnete das Urteil als „Befreiungsschlag für die ganze Branche“. Bei einer anderslautenden BGH-Entscheidung hätten dem freien Vertrieb Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe gedroht.
AfW-Vorstand: „Gut, dass der BGH die Kirche im Dorf lässt“
Bei den Interessenvertretern der Finanzdienstleistungsbranche kommt das Urteil erwartungsgemäß gut an. „Wir begrüßen die Entscheidung des BGH ausdrücklich. Mit Spannung erwarten wir die noch nicht veröffentlichten Urteilsgründe. Eines ist aber bereits klar: Eine riesige Unsicherheit ist den unabhängigen Vermittler jetzt genommen“, sagte Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, gegenüber cash-online.
Der Kelch der „Kick-Back-Orgie“ des BGH sei damit vorläufig am freien Vertrieb vorüber gegangen. Insbesondere auch die Rückwirkung der Entscheidungen des BGH zu diesem Thema, die die Banken voll getroffen hat, hätte möglicher Weise das Aus für viele unabhängige Finanzdienstleister bedeutet. „Bei aller Liebe zu Transparenz – gut, dass der BGH hier die Kirche im Dorf lässt“, findet AfW-Vorstand Wirth.
Beim Branchenverband VOTUM in Hamburg wird die BGH-Entscheidung ebenfalls positiv aufgenommen. „Das Urteil schafft Rechtssicherheit für sämtliche Fondsanteile, die in der Vergangenheit durch den freien Vertrieb vermittelt wurden“, erklärte VOTUM-Geschäftsführer Martin Klein auf Nachfrage von cash-online.
Um allerdings genau bewerten zu können, welche Konsequenzen sich aus der höchstrichterlichen Entscheidung für die Zukunft der Branche ergeben, müsse man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, so Klein weiter. (hb)
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