„Vermittler sprechen das Thema Pflege ungern an“

Wie kann eine sinnvolle Vertriebsunterstützung aussehen?

Fornol: Unterstützung können Anbieter vor allem leisten, indem sie gezielt Impulse zur Kundenansprache und zur Beratung an die Hand geben. Vielen Vermittlern ist möglicherweise gar nicht bewusst, welche attraktiven Potenziale vor allem im Kreise ihrer älteren Kunden schlummern. Die Versicherer können hier schulen und aufklären – aber handeln muss am Ende der Vermittler selbst. Die Potenziale hängen immer stark vom Kundenschwerpunkt des Vermittlers ab: Sofern bei einem jungen Kunden das Thema Berufsunfähigkeit und Altersvorsorge platziert ist, dürfte das Budget in der Regel ziemlich knapp sein.

Schünemann: Die drei Themen Pflege, Absicherung der Arbeitskraft und Altersvorsorge sollten in jedem ganzheitlichen, analytischen und bedarfsgerechten Beratungsgespräch einen festen Platz einnehmen. Gerade der Pflege-Bahr wird in den Medien intensiv diskutiert. Diesen medialen Rückenwind können Vermittler für die Gespräche mit ihren Kunden nutzen. Die beste Kombination sind Lösungen, die alle drei Elemente integrieren – also Altersvorsorge, Berufsunfähigkeitsabsicherung und finanzielle Vorsorge für den Pflegefall.

Roth: Der Vermittler muss über Produkte verfügen, die echte Lösungen für den Kunden darstellen, die ihm die Gewissheit geben, dass für alle Eventualitäten gut vorgesorgt ist und die sich den Lebensumständen der Kunden anpassen können. Aufgabe der Anbieter ist es, solche Produkte anzubieten und den Vermittlern Hilfsmittel zur Hand zu geben, damit er die einzelnen Aspekte einer ganzheitlichen Beratung darlegen kann.

Wie bewerten Sie die Debatte um eine mögliche BU-Pflicht? Laufen die Versicherer Gefahr, dass ihnen der Staat das Heft des Handelns aus der Hand nimmt – nach der Devise: Die Branche wird ihrem sozialpolitischen Auftrag nicht gerecht?

Kuklinski: Ein Staatsszenario wird uns definitiv nicht weiter bringen. Dazu hat sich der Markt schon viel zu weit entwickelt, während sich der Staat schon zu weit aus der Abdeckung dieser Risiken zurückgezogen hat. Der zweite Aspekt ist, dass die Qualität der heutigen Produkte und die Bedingungen bereits ein hohes Absicherungsbedürfnis abdecken und zwar unabhängig von der Berufsausübung. Viel spannender ist die Frage, inwieweit der Markt sich bei den Produktkonzepten darstellt, die verschiedene Prämien unterhalb der Berufsunfähigkeit bieten. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass der Raum für drei bis vier Konzepte da ist, sondern wahrscheinlich nur für ein oder zwei.

Fornol: Anbieter sind da tatsächlich in einer schwierigen Situation: Einerseits haben wir bei der Berufsunfähigkeitsversicherung einen ausgeprägten Preisdifferenzierungs- und Bedingungswettbewerb. Das schränkt die Spielräume bei der Zeichnungspolitik zunehmend ein und verteuert die Absicherung für handwerkliche Berufe. Andererseits sieht sich die Branche mit dem sozialpolitischen Auftrag konfrontiert, möglichst breite Kreise der Bevölkerung gegen Berufsunfähigkeit zu versichern. Grundsätzlich gibt es der Markt zwar her, auch Interessenten mit risikobehafteten Berufen und gesundheitlichen Vorschäden Schutz anzubieten – nur wird das bisher kaum genutzt. Hier ist die Branche vor allem bei der vertrieblichen Umsetzung gefragt.

Schünemann: Zu Ihrer Eingangsfrage: Nein, das sehe ich nicht so. Die Absicherung für den Fall einer Berufsunfähigkeit ist wichtig. Die Verantwortung dafür hat der Staat selbst mit der Begrenzung der Erwerbsminderungsrente auf die Bürger übertragen. Den unabhängigen Versicherungsvermittlern kommt deshalb eine wichtige Rolle zu. Sie haben den Auftrag, bedarfsgerecht und passgenau die individuelle Situation ihrer Kunden zu analysieren und eine qualitativ hochwertige Beratung zu liefern. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass der Staat auch in Zukunft weitere Anreize für die BU-Absicherung bei Riester und bei der Basisrente setzen wird.

Roth: Aus meiner Sicht versucht der Staat, durch Impulse in der Gesetzgebung die Wahrnehmung und das Bewusstsein für Berufsunfähigkeit jedes einzelnen Bürgers zu schärfen. Vor diesem Hintergrund können wir einer gesetzlichen BU-Pflicht durchaus etwas abgewinnen. Allerdings sollten den Lebensversicherern genügend Spielräume eingeräumt werden, um bestmögliche Lösungen für die Kunden anbieten zu können.

Kuklinski: Es gibt natürlich Fälle, in denen ein Kunde eine BU zu den von ihm gewünschten Bedingungen nicht bekommt. Für diesen Fall müssen wir Lösungen anbieten, denn wenn wir es nicht schaffen, Risiken abzusichern oder Schutz anzubieten, dann wird im Zweifelsfall wieder der Ruf nach der staatlichen Lösung größer. Wobei in der gesetzlichen Rentenversicherung faktisch nur unter 50 Prozent der angetragenen Erwerbsunfähigkeitsanträge tatsächlich durchgehen. Von daher vertrete ich die Auffassung, dass die Versicherungswirtschaft ein hervorragendes Produktspektrum anbietet.

Das Gespräch führten Lorenz Klein und Frank O. Milewski, beide Cash.

Teilnehmer an der Gesprächsrunde:
Kai Kuklinski, Direktor Makler- und Partnervertrieb, Axa
Michael Rosch, Leiter Produktmanagement Leben, HDI Versicherung
Rolf Schünemann, Vorstand Vertrieb, Lebensversicherung von 1871
Jürgen Hansemann, Vorstand, Nürnberger Versicherung
Holger Roth, CSO, Prisma Life
Thomas A. Fornol, Vertriebschef Versicherungen, Swiss Life
Hermann Schrögenauer, Vorstand Vertrieb Leben, Zurich Versicherung

Fotos: Stefan Malzkorn

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