Als Geldfunktion bezeichnet man gemeinhin die verschiedenen Funktionen, die Geld einnehmen kann. Es sind dies die Zahlungsmittel-, Wertaufbewahrungs- und Wertmessfunktion. Da Gold diese Eigenschaften bietet, wurde und wird es als Ersatzwährung akzeptiert.
Insbesondere ist es in Zeiten, in denen Geld- und Fiskalpolitik verschmelzen und Notenbanken Giralgeld beliebig vermehren ein knappes Gut. So fände das gesamte bislang geförderte Goldvorkommen in einem Würfel von lediglich 21,71 Meter Kantenlänge Platz (Quelle www.gold.de, Stand Ultimo 2019). Diese natürliche Knappheit hat es mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin gemeinsam, dessen maximale Anzahl auf 21 Millionen Einheiten limitiert ist.
Es verwundert daher nicht, dass auch der digitalen Bitcoin-Währung angesichts eines zu erwartenden inflationären Umfelds die klassischen Eigenschaften des Goldes zugeschrieben werden.
Geldersatzwährungen und Nachhaltigkeit – die Quadratur des Kreises?
Im modernen Assetmanagement erfolgt teilweise eine Erweiterung des „Magischen Dreiecks“ der Geldanlage mit den Teilzielen Liquidität, Rendite und Sicherheit um eine vierte Dimension, nämlich die der Nachhaltigkeit. Insbesondere institutionelle Investoren sind zunehmend bestrebt, Investment-Prozesse noch robuster zu gestalten, auch nicht-finanzielle Risiken zu identifizieren und somit Extrem-Ereignisse („tail risks“) zu vermeiden.
Die Edelmetall-Industrie hat sich bereits weitgehend auf diese zusätzlichen nachhaltigen Anforderungen an Förderung und Handel eingestellt und bietet entsprechend zertifizierte Goldbarren an. Für eine Investition in den Bitcoin steht diese Optimierung noch aus. Unter Umständen besteht ein unauflöslicher, inhärenter Widerspruch zwischen der Generierung von Bitcoins und weitreichenden Nachhaltigkeitsaspekten.
Bitcoin und Nachhaltigkeit: eine 360°-Betrachtung
Ulrich Gallersdörfer, Informatiker an der TU München, hat 2019 eine vielbeachtete Studie zur Umweltbilanz des Bitcoin vorgelegt. Ihm zufolge erreichen scheinbar unverfängliche Anwendungen wie Video-Spielkonsolen, Streamingdienste, Suchmaschinen oder auch soziale Netzwerke einen ähnlichen Energieverbrauch wie diejenigen Kryptowährungen, die vergleichsweise energieeffizient herzustellen sind. Bitcoin rangiert jedoch am oberen Ende einer solchen Skala.
Ursächlich hierfür sei die Incentivierung der Schürfer am Beginn der Bitcoin-Wertschöpfungskette. Eine denkbare Substitution durch Erneuerbare Energien wäre zu kurz gedacht, da eine solche Kompensation letztlich in erheblichem Umfang über fossile Brennstoffe erfolgen müsste. Der Ansatz, Abfallprodukte aus der Ölförderung, die sonst in die Atmosphäre entweichen würden (Methan-Gas), für den Betrieb von Mining-Rechnern zu verwenden, wird ambivalent diskutiert.
Andere Stimmen lenken den Blick zudem weg von einer absoluten hin zu einer relativen Betrachtung. So erreiche der Stromverbrauch in Zusammenhang mit Bitcoin-Mining die Größenordnung von Staaten wie Chile oder der Schweiz.
Bitcoin macht bei sozialen Mindeststandards Boden gut
Demgegenüber vermag der Bitcoin und das Zahlungsverkehrs-System Blockchain, in das er eingebettet ist, in Bezug auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards Boden gutzumachen. Die Verfolgung globaler Lieferketten ist eindeutig dokumentiert, so dass mittels Bitcoin bezahlte Produkte auf ihre Vereinbarkeit mit Mindestlöhnen, Arbeitsschutzgesetzen und dem Verbot von Kinderarbeit hin verifizierbar sind.
Auch die tatsächliche Mittelverwendung aus der Emission von „Green Bonds“ könnte verlässlich nachverfolgt werden. Andererseits verlaufen Blockchain-basierte Bitcoin Transaktionen vergleichsweise träge (sieben Transaktionen pro Sekunde vergleichen sich mit mehr als 44.000 Zahlungsverkehrsvorgängen via MasterCard im gleichen Zeitraum).
Kostenenffiziente Zahlung
Erfreulicherweise lassen sich Bitcoin-Zahlungen ausgesprochen kosteneffizient durchführen, so dass länderüberschreitende Transaktionen unter Einschaltung traditioneller Payment-Agents wie z.B. Western Union mit ihren bis zu 7,5% Gebühren gerade für kleinere Summen überflüssig werden. Überweisungen seitens Expatriats setzen dann finanzielle Ressourcen frei, die in die weitere Aufbauarbeit in ihren Heimatländern mit der dortigen oft dünnen Bankenlandschaft fließen.
So verwundert es nicht, dass weite Bevölkerungskreise aus Volkswirtschaften mit angeschlagenen Lokalwährungen und instabiler politischer Infrastruktur, in großem Umfang
Bestandshalter in Bitcoin sind (Nigeria (32%), Vietnam (21%), Südafrika (17%), Quelle: www.statista.com). Die Kehrseite einer solchen Möglichkeit, Finanzdienstleistungen zu demokratisieren liegt in der missbräuchlichen Verwendung im Zusammenhang mit Geldwäsche und Korruption. Nicht zuletzt vergisst die Blockchain keine Bitcoin-Zahlung, was in Widerspruch zur „EU General Data Protection Regulation“ (GDPR) und dem damit verbundenen „Recht auf ein Vergessen“ stehen könnte.
Kryptowährungen als Baustein im Werkzeugkasten eines Asset Managers
Unabhängig von ESG-Überlegungen spielt eine Allokation von Kryptowährungen wie dem Bitcoin in unseren Mandaten derzeit keine Rolle. Als treuhänderischer Vermögensverwalter institutioneller Prägung favorisieren wir Qualitätswerte der Realwirtschaft („tangible assets“). Die mittel- bis langfristigen Perspektiven eines werthaltigen Unternehmens überwiegen die kurzfristigen Opportunitäten einer Wette. Auf hochvolatile Spekulationsobjekte ohne Sachwertbezug verzichten wir daher, zudem da Kryptowährungen unter Gesichtspunkten von Umweltaspekten und Governance – Anforderungen in Teilen kritisch zu sehen sind.