Die Entwicklung der Inflation ist ein wesentlicher Treiber an den Finanzmärken, auch am noch jungen Kryptomarkt. Fällt die Preisentwicklung höher aus als erwartet, deutet dies auf eine anhaltende Inflation hin und könnte die US-Notenbank in ihrer weiterhin restriktiven Zinspolitik bestätigen. Anleger wenden sich in diesem Fall erfahrungsgemäß von Kryptos ab und präferieren eher festverzinsliche Anlagen.
Abnehmende Inflation, abnehmende Liquidität an den Finanzmärkten
Tatsächlich fallen die einschlägigen Meßgrößen der Inflation in den USA aktuell eher moderat aus. Sowohl das Bruttoinlandsprodukt also auch die Ausgaben der Konsumenten gingen mit 1,4 Prozent im vergangenen Quartal bzw. 2,6 Prozent im vergangenen Monat zurück. Auch der schwache Arbeitsmarkt in den USA wirkt dämpfend auf die Inflation. Allerdings nimmt die Liquidität weltweit ab, da Finanzinstitute zur Sicherung kurzfristiger Mittel auf besicherte Kredite zurückgreifen. Das heißt: Barmittel werden knapper und Kreditkosten fallen höher aus. Demzufolge fließt weniger Kapital in risikobehaftete Vermögenswerte – und dies könnte den Druck auf den Kryptomarkt trotz nachlassender Inflation erhöhen.
Nachgebender Verkaufsdruck
Die Gründe für den derzeit nachgebenden Bitcoin-Kurs liegen allerdings an branchenspezifischen Faktoren. So hat die deutsche Regierung vergangene Woche täglich fast 1.000 BTC, knapp 58 Millionen Dollar pro Tag, aus dem beschlagnahmten Bestand der Raubkopier-Website Movie2K verkauft. Es könnte noch zwei bis drei Wochen dauern, bis der Rest der 26.000 BTC liquidiert ist. Auch das Entschädigungsprogramm der insolventen Krypto-Börse Mt. Gox erhöht diesen Druck, denn fast 47.000 BTC im Wert von 2,7 Milliarden Dollar könnten der erste Teil sein, der demnächst an die Gläubiger fließt. Allerdings dürften über mehrere Tage und unterschiedliche Börsenplätze organisierte Zuteilungen mildernd wirken. Zum anderen werden wohl viele Gläubiger aus steuerlichen Gründen zunächst von einem Verkauf ihrer in den letzten Jahren stark gestiegenen BTC-Bestände absehen. Auch von seiten der Miner ist keine weitere Veräußerung von BTC zu erwarten, ihre Reserven befinden sich inzwischen auf dem niedrigsten Stand der letzten 10 Jahre, außerdem können sie inzwischen mit weniger Aufwand mehr Bitcoin produzieren, was ihre Rentabilität verbessert.
Ausreichende Liquidität am Kryptomarkt
Ein wichtiger Pluspunkt am Markt ist die Liquidität bei Bitcoin. Diese scheint ausreichend zu sein, um einem möglichen Verkaufsdruck ohne nennenswerte Auswirkungen am Markt standzuhalten. Selbst an den ruhigsten Tagen lag der durchschnittliche Zufluss zu den Börsen bei etwa 20.000 BTC. Darüber hinaus sind auf der liquidesten Börse, Bitfinex, etwa 500 BTC erforderlich, um einen 2-prozentigen Rückgang des BTC-Preises zu bewirken, ähnlich sieht es auf anderen Plattformen aus. Ein Preisrückgang von 10-15 Prozent erscheint plausibel, aber nur dann, wenn die Gläubiger alle ihre Bestände sofort verkaufen, was eher unwahrscheinlich ist.
Stabiles Angebot
Laut den „On-Chain-Daten“, also allen direkt auf der Blockchain gespeicherten und nachvollziehbaren Daten, haben Langfrist-Halter ihren BTC-Bestand seit Ende Juni nicht mehr reduziert. Auch das sogenannte „MVRV-Verhältnis“, das den Marktpreis mit dem tatsächlich realisierten Preis vergleicht, deutet darauf hin, dass Bitcoin derzeit auf einem ähnlichen Niveau wie im Juni 2021 gehandelt wird, als er bei etwa 30.000 US-Dollar lag – und kurze Zeit später im Jahr 2021 sein Allzeithoch erreichte. Diesunterstreicht das Wachstumspotenzial von Bitcoin im Vergleich zu anderen Vermögenswerten.
Impulse durch Fonds und neue Marktteilnehmer
Potentielle Impulsgeber, die das Blatt in den kommenden Monaten wenden könnten, sind auch börsengehandelte Fonds. Zuflüsse in diese Produkte – und demnächst dürften weitere ETFs auf Ethereum hinzukommen – könnten den Verkaufsdruck ausgleichen. Im ersten Quartal gab es Tage, an denen dieses regulierte Investmentvehikel mehr als 10.000 BTC absorbierte. Darüber hinaus könnten neue Marktteilnehmer, wie beispielsweise registrierte Anlageberater (RIAs), die die wohlhabendsten Anleger vertreten, die Dynamik von Angebot und Nachfrage am Markt erheblich verändern.
Rückenwind durch US-Wahlen
Neuerdings zeigt sich auch Unterstützung aus der Politik. Insbesondere in den USA ist Bitcoin zu einem geradezu polarisierenden Wahlkampfinstrument geworden, mit Präsidentschaftskandidat Trump an vorderster Front. Und tatsächlich hat die Republikanische Partei die Befürwortung von Bitcoin offiziell in ihre Wahlkampagne für 2024 aufgenommen, was den wachsenden Einfluss von Krypto in der US-Politik zeigt.