Deutschlands Wirtschaft wächst, trotz Corona-Pandemie. Doch die Freude wird zunehmend getrübt, weil immer mehr Unternehmen hierzulande sukzessive das Personal ausgeht. Längst tobt ein „war for talents“ in Deutschland: Während große Player wie Allianz, Bayer, Continental, Ergo, Siemens, Volkswagen, Würth oder Zurich vor Bewerbern kaum retten können, muss das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – die kleinen und mittleren Firmen und Unternehmen des deutschen Mittelstandes immer kreativer werden, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Wurden in früheren Jahrzehnten Mitarbeiter mit Anfang 60 oftmals zur „Ausschussware“ deklariert, hat das demographische Durchaltern in den Belegschaften bei vielen Firmen längst zu einem Umdenken geführt.
Auch weil als Folge des Trends gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen Stellenausschreibungen inzwischen immer häufiger auf wenig Resonanz stoßen, geraten nun personalpolitische Themen wie die Gesundheit der Mitarbeiter, die Erhaltung der Leistungsfähigkeit, die Mitarbeiterbindung oder die Mitarbeitermotivation in den Fokus. Zudem wächst in den HR-Absteilungen die Erkenntnis, dass längst nicht mehr nur die Gehaltshöhe, das Firmenhandy oder der Tankgutschein ausschlaggebenden Faktoren für eine Zu- oder Absage sind.
Statt dessen spielen Schlagwörter wie Work-Life-Balance oder Gesundheitsförderung eine immer wichtiger große Rolle, wenn Unternehmen bei Recruiting auf der Suche nach jungen oder talentierten Mitarbeitern erfolgreich sein wollen. „Für Unternehmen wird es immer wichtiger, rechtzeitig die Weichen zu stellen und die Attraktivität als Arbeitgeber zu investieren. Bei der betrieblichen Krankenversicherung sehe ich viel Potenzial – die Unternehmen werden schlichtweg nicht mehr um sie herumkommen, wenn sie qualifizierte Mitarbeiter ansprechen wollen“, zeigt sich Allianz Produktvorstand Jan Esser überzeugt.
Doch ist es wirklich so, dass ein vorhandenes oder eben nicht vorhandenes bKV-Angebot Einfluss auf die Entscheidung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin haben, eine neue Stelle anzunehmen? „Im Ranking mit anderen Zusatzleistungen durch den Arbeitgeber belegen betriebliche Altersvorsorge und bKV die ersten beiden Plätze – noch vor Diensthandy und Dienstwagen“, sagt Eva-Maria Donzelli, Leiterin des Firmen- und Verbandskundengeschäfts bei der Continentale Krankenversicherung. Belegt wird die Aussage der bKV-Experin durch eine Studie, die von Continentale aus dem Jahr 2020 im Auftrag gegeben wurde. Danach war für immerhin 49 Prozent der Befragten ausschlaggebend, ob ein Firma betriebliche Gesundheitsleistungen anbietet oder nicht.
Seit 2015 hat sich die Zahl der Firmen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen solchen Zusatzschutz an bieten, mehr als vervierfacht. Nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherer, kurz PKV-Verband, ist die Zahl der Unternehmen, die eine betriebliche Krankenversicherung für ihre Mitarbeiter abgeschlossen haben zwischen 2015 und 2021 von 3.850 auf 17.500 gestiegen. Ein Plus von 355 Prozent. Gezählt werden nach Angaben des PKV-Verbandes übrigens nur die Betriebe, die die Beiträge für ihre Mitarbeitenden vollständig tragen.
Mit der Zahl der Unternehmen steigt auch die Zahl der Beschäftigten, die von einer solchen Absicherung profitieren, kontinuierlich. Ende 2021 hatten 1,59 Millionen Personen eine betriebliche Krankenversicherung abgeschlossen, zeigt eine aktuelle Übersicht des PKV-Verbandes. Bemerkenswert an diesen Zahlen ist, dass die Nachfrage gerade in der Pandemie deutlich zuzunehmen. Dass die Corona-Pandemie bei der digitalen Transformation zu einem Katalysator geworden ist, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Offensichtlich hat die Pandemie aber auch bei solchen Themen wie Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung der Belegschaften zu einer Sensibilisierung geführt.
Strategisches Geschäftsfeld mit sehr großem Marktpotenzial
Bei der Hallesche Krankenversicherung zeigt man sich trotz der Pandemie mit der Entwicklung sehr zufrieden. „Wir hatten Sorgen, ob der bKV Vertrieb funktioniert. Doch wir hatten einen deutlichen Zuwachs von über 60 Prozent, gemessen an dem Umsatz, den wir im bKV-Geschäft vor zwei Jahren hatten“, sagt Sascha Marquardt, Leiter des Kompetenzcenter Firmenkunden bei der Hallesche Krankenversicherung.
Bereits 2012 hatte der private Krankenversicherer die bKV als strategische Geschäftsfeld definiert. Mittlerweile erzielt die Hallesche einen erheblichen Anteil des Neugeschäfts in der bKV. Tendenz weiter steigend. „Der Erfolg der Hallesche ist ohne bKV nicht mehr denkbar“, betont Marquard nachdrücklich. Bestätigt werden die Aussagen durch Continentale-bKV-Leiterin Donzelli. Der Dortmunder Krankenversicherer hatte den bKV-Launch mitten in der Pandemie gewagt; und einen imposanten Start hingelegt, so Donzelli. Wie die Hallesche sieht auch die Continentale in der bKV ein strategisches Geschäftsfeld und ein sehr großes Marktpotenzial.
Doch welche Firmen schließen eine bKV ab? „Wir erkennen eine breite Fächerung bei den Interessen. Es sind kleine und mittlere Firmen, aber auch größere“, sagt Donzelli. Wichtig sei ein gut verständliches, niedrigschwelliges Einstiegsprodukt. „Das überzeugt letztlich kleine Unternehmen“, so Donzelli weiter. Der Mittelstand hingegen wähle des Öfteren das mittlere oder höhere Absicherungskonzept.
Bei der Hallesche hingegen sind es insbesondere die kleineren Unternehmen, die die bKV-Modelle wählen. Die Firmeninhaber bieten ihren Mitarbeitern mit der bKV einen Gesundheitsbonus zum Gehalt on the top. „Inhaber legen Wert darauf, dass ihre Leute gut durch die bKV versorgt sind“, erklärt Marquardt die Motivation. Natürlich habe die Hallesche auch sehr große Unternehmen ab 2.000 Mitarbeitern versichert. Allerdings hätten viele solcher Unternehmen bereits eine Art von bKV installiert. Insofern geht es bei solchen Firmen in der Beratung eher darum, welche der Benefits genutzt werden und ob diese noch zeitgemäß seien.
Gerade einmal zweieinhalb Prozent
Doch was sind 1,59 Millionen Personen in rund 15.850 Firmen angesichts von Statista gelisteten etwa 3,37 Millionen Unternehmen, die es hierzulande gibt. „Wenn man das in das Gesamtverhältnis zum Gesamtmarkt setzt, sind es aber gerade einmal zweieinhalb Prozent. Das ist nicht viel“, gibt Ellen Ludwig, Geschäftsführerin von Ascore Analyse im Cash. Roundtable zu bedenken. In der Tat sind die Durchdringungsquoten trotz aller Triumphmeldungen des PKV-Verbandes ausbaufähig. Was nach Ansicht Ludwigs derzeit fehlt, ist ein Vertrieb, der die betriebliche Krankenversicherung von der Pike auf kennt und das Wissen um die Vorzüge und Vorteile aus dem Schlaf abrufen kann. Aktuell sind es laut der Expertin insbesondere sehr auf bKV-spezialisierte Vermittler, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Neben den großen Maklerpools sind es bislang eher Industriemakler, bAV-Makler und spezialisierte bKV-Vermittler, die über viele Kanäle ihre Kunden ansprechen, sagt Hallesche bKV-Leiter Marquardt. Das Gros des Vertriebs macht laut Ludwig hingegen einen Bogen um den Wachstumsmarkt bKV. „Nur zwei Prozent unserer User nutzen die Tools wirklich, 98 Prozent nicht“, sagt die Expertin. Eigentlich nicht nachzuvollziehen. Continentale-bKV-Leiterin Donzelli bestätigt aber die Aussagen: Es seien in der Tat die Spezialmakler, die sich auf dem Markt tummeln würde. Und für die ist die bKV keine Herausforderung.
„Sie wissen, wie Kunden angesprochen und Lösungen adressiert werden. Sie wissen, welche Personen bei einem Firmenvertrag an den Tische kommen müssen. Alles andere seien so genannte Zufallsbekanntschaften. Und diese Vertriebspartner müssen an die Hand genommen werden“, sagt Donzelli. Damit die bKV im Markt erfolgreich sein könne, müssten dem Vermittlermarkt die Chancen aufzeigt werden, betont auch Marquardt.
„Wir vergessen oft zu erwähnen, dass die bKV keine Gesundheitsprüfung vorsieht. Zudem ist das Thema modern und attraktiv. Vor allem aber ist ein neues Thema, mit dem Unternehmer angesprochen werden können“, sagt Marquardt. Schließlich sei die bVK deutlich mehr als eine arbeitgeberfinanzierte Zusatzversicherung ohne Gesundheitsprüfung. Nämlich eine intelligente Entlohnungsform. Oder, wie Ludwig sagte, ein erlebbarer Benefit, bei dem man im Gegensatz zur bAV den Zusatznutzen schnell spürt. (dr)