Blick ins Ungewisse

Hans-Joachim Kühl, Commerz Real
Hans-Joachim Kühl, Commerz Real

Natürlich hat die angespannte Lage die Preise auf Talfahrt geschickt, was für Investoren reizvoll ist. Der CPPI-Preisindex für Gewerbeimmobilien, den die Ratingagentur Moody’s berechnet, schmolz im Juli um 5,1 Prozent im Monats- sowie um satte 30,8 Prozent im Jahresvergleich. Dennoch hat die Situation bislang nicht dazu geführt, dass die Handschläge zwischen Käufern und Verkäufern deutlich zunehmen – die Preisvorstellungen liegen noch zu weit auseinander. Allerdings dürfte der Verkaufsdruck weiter zunehmen und dafür sorgen, dass sich die Schere im Bewertungshorizont schließt. Doch selbst wenn Investoren aufgrund von Notverkäufen demnächst günstig zuschlagen könnten – der Einstieg bleibt riskant. Hans-Joachim Kühl, im Vorstand der Commerzbank-Tochter Commerz Real für Immobilientransaktionen zuständig, äußert sich skeptisch: „In den USA sorgt noch immer der massive und anhaltende Abbau von Arbeitsplätzen auf den gewerblichen Immobilienmärkten für einen deutlichen Anstieg der Flächenleerstände.“ Weiter fallende Mieten seien deshalb wahrscheinlich, weshalb sich sein Unternehmen, das mit dem Hausinvest Global einen der größten weltweit anlegenden Immobilienfonds (aktuelles Volumen: 1,85 Milliarden Euro) anbietet, dort zurückhalte. Die Experten der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), dem internationalen Berufsverband für Immobilienfachleute, gehen sogar von einem Mietverfall auf breiter Front aus. Das relativiert die Renditeaussichten auch bei fallenden Preisen.

Asien-Pazifik: Aus dem Gröbsten heraus

Schnäppchenjäger wittern ihre Chance aktuell eher in der Region Asien-Pazifik. In den meisten Ländern dort haben die Umsätze nach drastischen Einbrüchen im Auftaktquartal bereits in der zweiten Berichtsperiode wieder zugelegt. In den einzelnen Staaten sind die Trends allerdings unterschiedlich. In Japan, China, Australien und Südkorea verläuft die Regeneration in hohem Tempo. Dabei profitieren die Märkte davon, dass sie dem wirtschaftlichen Aufwärtstrend aufgrund relativ kurzer Mietlaufzeiten tendenziell wesentlich schneller folgen, als es beispielsweise in Europa der Fall ist. Laut John Stinston, Asia Pacific Regional Director Sales and Investments des Frankfurter Immobilienmaklers DTZ, sprechen die Fundamentaldaten für die Region. „Es existiert kein auffallendes Überangebot wie es im Abschwung der 90er-Jahre der Fall war“, erläutert der Fachmann. Generell sei ein Anstieg der Nachfrage zu erwarten. Das wäre angesichts der jüngsten Preiskorrekturen wenig erstaunlich. So büßten zum Beispiel die Preise für Büroimmobilien in Singapur und Australien im zweiten Quartal 40 Prozent ein. Das katapultierte die Nettoanfangsrenditen um bis zu 200 Basispunkte nach oben. In Seoul, Shanghai und Peking sieht das Bild ähnlich aus, dort sanken die Preise um ein Viertel und die Einstiegsrenditen legten um 100 Basispunkte zu. Für 2010 ist laut DTZ-Immobilienprofi Stinston auch die Rückkehr internationaler Investoren an die Gewerbeimmobilienmärkte Malaysias, Thailands, Vietnams und Taiwans zu erwarten. Derzeit konzentriert sich das Interesse vor allem auf Japan, China und Australien, wo Investmentgelegenheiten verfügbar sind. Südkorea steht ebenfalls hoch im Kurs, dort sind die Möglichkeiten allerdings begrenzt.

Auch die Erwartungen der Immobilienspezialisten von RICS hinsichtlich der Mietpreisentwicklung in Asien und Australien haben sich zuletzt leicht verbessert. Insgesamt gehen sie von einer Stabilisierung aus. Commerz-Real-Vorstand Kühl ist ebenfalls verhalten zuversichtlich: „Die asiatischen Wirtschaften sind zwar vielfach noch von staatlichen Unterstützungsprogrammen abhängig, dennoch mehren sich die Signale, dass die Region schneller aus der Rezession kommen und der Aufschwung dynamischer sein wird als in Europa und Nordamerika.“

Europa: Schockstarre überwunden?

Für Europa sind die Experten dagegen pessimistischer: RICS-Senior-Ökonom Oliver Gilmartin rechnet damit, dass sich die zurückgehenden Mietpreise auch im Jahr 2010 weiter bei den Kapitalwerten von Gewerbeimmobilien bemerkbar machen. „Die gestiegenen Renditen sorgen allerdings für ein zurückkehrendes Interesse bei Investoren“, so Gilmartin weiter. Dies sei besonders in Großbritannien und Frankreich festzustellen. Das  bestätigt Olaf Janßen, Leiter Immobilien Research bei Union Investment, dem Fondsanbieter der Volks- und Raiffeisenbanken. Sein Unternehmen stellt mit dem über zwei Milliarden Euro schweren Flaggschiff UniImmo: Global eines der Schwergewichte unter den offenen Fonds mit weltweitem Anlagefokus. „Nachdem die Anfangsrenditen in den zurückliegenden Quartalen deutlich gestiegen sind, und auch die Mieten zum Teil bereits spürbar nachgegeben haben, bieten sich im Büro- und Shoppingcentermarkt in den kommenden Monaten wieder zunehmend Einstiegsmöglichkeiten für langfristig orientierte Investoren“, erklärt Janßen. Im Bürobereich seien langfristig vermietete Objekte aufgrund der noch anstehenden Mietpreiskorrekturen besonders attraktiv.

In der ersten Jahreshälfte lagen die europäischen Märkte auf Eis: 24 Milliarden Euro wurden laut JLL in Gewerbeobjekte investiert. Das sind 42 Prozent weniger als im zweiten Halbjahr  2008 und sogar 67 Prozent weniger als im ersten. Positiv zu vermerken ist indes, dass die Investitionsvolumina im zweiten Quartal nicht weiter fielen. Tony Horrell, der die Abteilung European Capital Markets bei JLL leitet, geht jedoch davon aus, dass es jetzt wieder bergauf geht: „Aufgrund des steigenden Investoren-Interesses rechnen wir mit Umsatzwachstum.“ Auch Jan Linsin, der für das Research des US-Maklers CB Richard Ellis in Deutschland zuständig ist, glaubt an die Trendwende: „Dank der weltweit initiierten Konjunkturprogramme ist der Sturzflug der weltwirtschaftlichen Entwicklung zu Ende. Entsprechend registrieren wir in einigen Immobilienmärkten eine deutlich verbesserte Grundstimmung.“

Cash.-Fazit: Dass auf den weltweiten Märkten für gewerbliche Immobilien in absehbarer Zeit wieder die Preise und Umsätze aus der Zeit vor dem Platzen der Kredit-Blase erzielt werden, ist mehr als unwahrscheinlich. Solche Übertreibungen braucht allerdings auch kein Mensch beziehungsweise Anleger. Wichtig ist erstmal, dass die Investitionen überhaupt wieder in Gang kommen. Derzeit scheint es zumindest, als sei der Boden vielerorts erreicht. Dass die ersten Märkte nach dem tiefen Fall beginnen, sich mit Ächzen und Stöhnen wieder nach oben zu kämpfen, ist allerdings kein Grund, euphorisch zu werden. Das Risiko, auf dem langen und steilen Weg erneut zu stürzen, sollte nicht unterschätzt werden.

Fotos: Shutterstock, Commerz Real

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments