Börsenkandidaten trotzen der Corona-Pandemie

Foto: Union Investment
Moritz Bauer, Union Investment: "Die Bedingungen für weitere Börsengänge sind gut, das Umfeld für Aktien ist vielversprechend."

Was für ein Jahr! Für die Kapitalmärkte war 2020 nervenaufreibend, an den Börsen gab es eine Achterbahnfahrt von historischem Ausmaß. Was in der Erinnerung an das Börsenjahr mitunter zu kurz kommt: Auch der Markt für Börsengänge boomte. Die sogenannten IPOs (Initial Public Offerings) haben in den USA den Rekordwert von rund 180 Milliarden US-Dollar und damit den bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 1999, dem Höhepunkt der Dot-Com-Blase, geknackt. Die Gründe und wie es weitergeht. Ein Gastbeitrag von Moritz Bauer, Multi Asset Desk Stratege bei Union Investment

Weltweit purzelten zwar keine Rekorde, doch erklecklich war der Markt allemal: Laut Bloomberg betrug das globale IPO-Volumen 2020 rund 360 Milliarden US-Dollar (2019: 225 Milliarden US-Dollar). Derzeit deutet wenig darauf hin, dass 2021 viel schwächer werden könnte: Aktuell plant die US-amerikanische SAP-Tochter Qualtrics ihren Sprung auf das Börsen-Parkett, auch Vodafones Mobilfunkturm-Sparte Vantage Towers hat bereits ihre diesbezüglichen Ambitionen hinterlegt.

Doch hier – wie auch am Aktienmarkt in Gänze – hob die Flut indes nicht alle Boote. Der IPO-Markt differenziert stark, was Regionen und Branchen betrifft. Grob lässt sich festhalten: Alles, was mit Online-Geschäftsmodellen und Technologie zu tun hat, ist derzeit unter Investoren heiß begehrt. Regionen und Länder, die hier viel unternehmerisches Potenzial aufweisen, schöpfen aus dem Vollen. Märkte, die vorwiegend von „Old Economy“ geprägt sind, bleiben dagegen abgeschlagen zurück.

Big is beautiful

Eine nachgerade euphorische Stimmung ist in den USA zu beobachten – die Rede ist von „fear of missing out“, der Angst der Investoren, etwas zu verpassen. Zum Jahresende zeugten die Börsengänge von Airbnb, DoorDash sowie C3.ai davon, die allesamt den ersten Handelstag mit hohen Kursgewinnen beendeten.

Der Online-Unterkunftsvermittler Airbnb etwa debütierte zu 68 US-Dollar je Aktie an die Technologiebörse Nasdaq und nahm rund 3,5 Milliarden US-Dollar auf. Bis Handelsschluss legten die Titel 113 Prozent zu, die Börsenkapitalisierung erreichte damit 86 Milliarden US-Dollar – mehr als die bisher größte gelistete Online-Reiseplattform Booking Holdings.

Offenbar scheint auch eine gewisse Größe die Investoren anzuziehen: Airbnb war der dreißigste Börsengang im Jahr 2020 in den USA mit über einer Milliarde US-Dollar Emissionsvolumen. Rund 3,4 Milliarden US-Dollar nahm auch der US-Online-Essenslieferant DoorDash im Dezember an der New York Stock Exchange auf. Am ersten Handelstag legte der DoorDash-Kurs gegenüber dem Ausgabepreis von 102 US-Dollar um 86 Prozent zu. Damit erreichte das Unternehmen, das im zweiten Quartal erstmals einen Gewinn erzielte, über 60 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung – fast das Dreifache des DAX-30-Mitglieds und Branchennachbarn Delivery Hero.

Auch die Börsengänge des Technologieunternehmens C3Ai und des Software-Anbieters PubMatic verbuchten am ersten Handelstag hohe Kursgewinne. Bereits einige Monate zuvor schafften es die Milliarden-Emissionen von Snowflake (Cloud-Software) oder Pershing Square Tontine Holdings, der Unternehmenshülle des Hedge-Fonds-Veteranen Bill Ackman, an den Markt.

Nicht nur in den USA, auch in der Region Asien-Pazifik legte das IPO-Volumen kräftig zu. Highlights waren etwa das digitale Gesundheitsgeschäft des chinesischen E-Commerce-Riesen JD.com oder der chinesische Halbleiterhersteller SMIC. Ein Stimmungsdämpfer war jedoch die kurzfristige Verschiebung des wohl größten Börsengangs überhaupt. Ant Group, die Finanztochter des chinesischen E-Commerce-Konzerns Alibaba, musste auf Druck der chinesischen Regierung kurz vor Schließung der Orderbücher Anfang November den Börsengang auf unbestimmte Zeit verschieben.

Weniger rosig sah das Bild in Europa und insbesondere in Deutschland aus. Während in Europa insgesamt zuletzt das IPO-Volumen aber wieder deutlich anzog, verharrt es in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit 2009.

Gutes IPO-Jahr 2021 zu erwarten

Doch die Bedingungen für weitere Börsengänge sind gut, das Umfeld für Aktien ist vielversprechend: Die Gründe dafür sind eine Fortsetzung der konjunkturellen Erholung, die anhaltende Unterstützung durch die Fiskal- und Geldpolitik sowie die Verbreitung und der Einsatz der Covid-19-Impfstoffe. Zu hoffen ist, dass die europäischen Börsenplätze Teile des verlorenen Bodens gegenüber den USA wieder aufholen können und dass auch Unternehmen, die nicht direkt von der Pandemie (wie etwa die Impfstoffhersteller) profitieren, der Sprung auf das Börsenparkett gelingt.

Auch hierzulande mangelt es nicht an Kandidaten, so dass ein steigendes Volumen auch für Deutschland wahrscheinlich ist. Die Liste ist lang und reicht vom Zalando-Konkurrenten About You und die Direktbank N26 bis hin zu dem Öl-Unternehmen Wintershall DEA. Die Laborgruppe Synlab könnte zudem als Corona-Gewinner den Impfstoffentwicklern noch folgen.

In Europa ist unter anderem noch mit den möglichen Börsengängen Volvo Cars und dem Comeback des Saatgut- und Pflanzenschutzherstellers Syngenta zu rechnen. In Großbritannien könnten DAZN und Deliveroo durch die Bekanntheit beim Privatkunden für Aufmerksamkeit sorgen. Gut gefüllt bleibt auch die Pipeline in den USA und Asien. Alles in allem also gute Voraussetzungen für einen weiterhin aktiven IPO-Markt.

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