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Thies: Das Thema Preisblase sehe ich genauso: Es handelt sich um eine Preiskorrektur insbesondere aufgrund der gestiegenen Zinsen. Aber die Fundamentaldaten sind offensichtlich und weiterhin gut. Die Nachfrage nach Wohnraum übertrifft weiterhin das Angebot – Tendenz steigend. Von einer Preisfindungsphase kann eigentlich gar nicht gesprochen werden, da es nur sehr wenig Transaktionen gibt. Die Banken ziehen sich zunehmend aus der Immobilien- und Projektfinanzierung zurück und tragen zusätzlich dazu bei, dass nur wenig Transaktionen zu verzeichnen sind. Die gefühlte Preiskorrektur von 20 Prozent oder mehr ist vielmehr eine Abkehr von einer in der Vergangenheit zu ambitionierten Erwartungshaltung. Deshalb kommt die gefühlte Preisreduktion in gewissen Statistiken kaum an. Wir hatten ein ähnliches Marktumfeld bereits vor einigen Jahren: 2007/2008 haben die großen, kapitalstarken Private Equity-Unternehmen als Erstes wieder losgelegt und akquiriert. Jetzt starten sie erneut und kaufen große Wohnbestände auf. Ich bin überzeugt, das ist der klassische Schweinezyklus. Die Selbstheilungskräfte des Marktes funktionieren. Angebot und Nachfrage sind recht gut prognostizierbar. Die Vollbremsung bei der Erschaffung von neuem Wohnraum verknappt extrem. Wer sich kapitalstark im Markt positionieren kann, wird profitieren.
Werden das alle schaffen?
Pawils: Viele Bauvorhaben liegen aktuell auf Eis oder wurden unterbrochen, weil die Veränderungen so rasant kamen und die Projekte nicht mehr zu den ursprünglich kalkulierten Preisen verkauft werden können. Wir rechnen damit, dass sich der Markt weiter konsolidieren und deutlich professionalisieren dürfte. Als Carestone sind wir mit unserem Geschäftsmodell als Projektentwickler und -realisierer plus schlagkräftigem Teileigentumsvertrieb in der vorteilhaften Position, dass wir auf unsere Produkte direkt Einfluss nehmen und diese schon in der Entwicklung marktfähig ausrichten können. Momentan heißt das konkret, zertifiziert nachhaltig zu bauen und damit KfW-Konformität sicherzustellen. Die Investments sind dadurch attraktiver und erzeugen finanzielle, soziale und ökologische Mehrwerte.
Thies: Im Bereich der Projektentwickler haben diejenigen Unternehmen die größten Herausforderungen zu lösen, die ambitioniert kalkuliert und finanziert hatten, die keinen breiten Finanzierungsmix vorzuweisen hatten, die einen eingeschränkten Exitkanal hatten und die selbst nicht auf die nötige eigene Liquidität zugreifen konnten, um Finanzierungslücken selbst zu schließen oder Assets in den Eigenbestand zu übernehmen. Es gab auch viele Newcomer, die am Ende des Zyklus in den Markt gestartet sind. Dass diese Newcomer jetzt vom Markt verschwinden, ist für mich ebenfalls eine Selbstheilung des Marktes. Die Vollbremsung der Neubautätigkeit zeigt, wie dynamisch unser vermeintlich langweiliger Immobilienmarkt eigentlich ist. Ich teile die Meinung, dass die gestiegenen Mieten es ein Stück weit richten und den Rückgang der Kaufpreisfaktoren ein bisschen auffangen werden. Aber wir sind auch strukturell überzeugt, dass der Wohnimmobilienmarkt sich stabil entwickeln wird. Handlungsfähige Marktakteure finden im aktuellen Marktumfeld interessante Einstiegschancen. Reduzierte Bewertungsniveaus, gestiegene Mieten und dazu eine hohe Wertigkeit des Faktors „Kapital“ bieten historische Chancen. Aber wir blicken auch positiv auf das Hotel-Segment, auf moderne Büroflächen sowie Megatrends wie „Senior Living“ oder „Manage to Green“. In diesen Bereichen verfügt unser Konzernverbund über ausgewiesene Expertise und einen guten Marktzugang.
Klein: Viele derjenigen, die jetzt verkaufen oder verkaufen müssen, haben die Immobilie aber vielleicht auch schon in den 2000ern oder 2010ern gekauft. Die 20 oder 30 Prozent Preisrückgang tun denen natürlich weh und hätten sie gerne obendrauf gehabt. Aber sie haben vorher auch 100 bis 150 Prozent Wertzuwachs oder vielleicht sogar mehr gemacht. Von daher ist mein Mitleid da relativ. Sorge macht mir im Bestand eher, ob die notwendigen Mieterhöhungen auch durchsetzbar sind. Schließlich steuern wir nach meiner Einschätzung auf eine Rezession zu.
Grundler: Bei Wohnungen ist der sogenannte Erschwinglichkeitsindex für Bauen und Kaufen niedriger als in den 1980er Jahren. Käufer können sich also mehr leisten als vor 30 bis 40 Jahren beziehungsweise mehr Menschen können sich den Kauf einer Immobilie überhaupt leisten. Und bei der Miete ist der Erschwinglichkeitsindex seit Jahrzehnten stabil. In der gleichen Zeit hat sich aber auch die pro Person genutzte Wohnfläche um 50 Prozent erhöht. Natürlich gibt es im Einzelfall Ausreißer nach oben und unten, aber im Schnitt zahlen die Leute heute prozentual zum Einkommen nicht mehr Miete auf den Quadratmeter als früher.