Branchengipfel Sachwertanlagen / Panel 3: „Mehr Power reingeben“

Dann lassen Sie uns über das Thema Nachhaltigkeit sprechen. Kommt der Vertrieb eigentlich mit der Verpflichtung zurecht, die Nachhaltigkeitspräferenzen bei den Kunden abzufragen?

Klein: Was ist denn die Alternative? Haben sich die Leute aufgeregt, als sie sich in den Autos wieder anschnallen mussten? Natürlich haben sich da alle aufgeregt, und dann hat es sich auch wieder gelegt. Es wird kein Weg daran vorbei führen, dass ESG ein entscheidendes Kriterium ist. Ob wir uns jetzt darüber aufregen oder der Vertrieb oder wer auch immer, ist vollkommen egal, denn wir kommen da nicht mehr dran vorbei. Nachhaltigkeit ist kein Marketing-Gag, das ist ganz schön wichtig, auch für die Preisentwicklung, den Werterhalt, Einsparung von Kosten. Bei den Banken ist die Abfrage schon eine Selbstverständlichkeit. Man sollte sich lieber damit beschäftigen, die Energie darauf zu verwenden, zu hinterfragen: Wo ist ESG wirklich sinnvoll und wo nicht? Ich muss nicht erklären, wo ESG bei einem grünen Fonds zum Tragen kommt, das ergibt sich ja von selbst. Bei unseren Fonds ist es aber zwingend notwendig. Ohne die ESG-Kriterien zu berücksichtigen, würden wir im Bestand schlechtere Immobilien entwickeln. Wenn ich mir vorstelle: Es gibt eine Hauptstraße, da sind zwei Gebäude, die in den Neunzigerjahren identisch gebaut wurden. Das eine Gebäude ist mit ein bisschen Pinselstrich versehen worden, das andere Gebäude haben wir revitalisiert – nach unseren ESG-Kriterien, mit neuer Dämmung, neuen Fenstern, Solar auf dem Dach. Was glauben Sie, in welche Immobilie ein professioneller Mieter geht? Was glauben Sie, welche Immobilie in zehn Jahren besser verkauft werden kann?

Thies: Ich glaube, ein Großteil unserer Vertriebspartner verfolgt das Thema ESG nur widerwillig und zwangsläufig. Noch weiß niemand wirklich, wie die Taxonomie mit welchen Stellschrauben einzuordnen ist. Wenn selbst der BaFin-Chef die Sinnhaftigkeit dieser Regulierung hinterfragt, wird deutlich, dass noch nachgebessert werden kann. Interessant wird das Thema ESG bei der Gewinnung neuer Kundengruppen. Unser Durchschnittskunde ist 60 Jahre alt. Hier spielen Begriffe wie Nachhaltigkeit eher eine untergeordnete Rolle. Bei der jüngeren Generation Z dagegen ist die ESG-Sensibilität größer. Insofern können wir hierüber mögliche neue Kunden begeistern.

Spohr: Es stimmt, das Thema ESG ist bei den Bestandskunden noch nicht wirklich angekommen. Wenn wir uns aber die Neukunden anschauen bzw. die jüngere Zielgruppe, da wird es gefragt werden. Da wird sich der Markt in den nächsten Jahren bewegen und wandeln. Ich glaube, dass die Themen über kurz oder lang beim Endkunden aufschlagen werden. Wir sehen das zum Beispiel bei der E-Mobilität. Das Thema war lange Zeit verpönt, aber jetzt ist das Wachstum da. Die Akzeptanz steigt. Ich glaube, die Menschen erziehen sich auch ein Stück weit selbst. Wir brauchen da keine weitere Regulierung, wir sind ja alle mündige Bürger. Das kommt von selbst, wird aber natürlich noch ein paar Jahre dauern. Die institutionellen Investoren hingegen haben das Thema jedenfalls schon jetzt auf dem Schirm.

Mückenheim: Da haben Sie vollkommen recht, Frau Spohr. Für institutionelle Investoren stellt sich nicht mehr die Frage nach dem Ob, sondern nur noch nach dem Wie. Folgerichtig konzentrieren wir bei Dr. Peters unsere ESG-Bemühungen auf den Bereich professioneller Anleger. Im Retail-Bereich könnte ein Artikel-8-Fonds ein mögliches Einstiegsszenario darstellen. Die aktuelle Marktphase macht es – zumindest im Immobilienbereich – jedoch fast unmöglich, die Forderungen nach höherer Rendite und mehr ESG unter einen Hut zu bekommen. Und unsere Umfragen bei Vertriebspartnern und Kunden zeigen: Unterm Strich zählt die Rendite noch immer am meisten.

Grundler: Ob das Thema ESG wirklich was beim Vertrieb ausmacht? Ich glaube, das ist ein Hype, oft von Medien gepusht, insbesondere in unserer Klientel. Gerade durch das Heizungsgesetz spielt es vertrieblich in diesem Jahr und wohl auch im nächsten Jahr überhaupt keine Rolle. Aber für uns ist es ein gern gesehenes Marketingthema, weil wir tatsächlich schon lange im Bereich der energetischen Sanierung von Wohngebäuden tätig sind. Natürlich ist auch bei uns ein Beteiligungskunde etwas älteren Jahrgangs. Bei der Jugend ist Nachhaltigkeit ein größeres Thema, aber es ist nicht dieser Monstertrend, der alles verdrängt. Die Leute wollen trotzdem ihre Rendite verdienen. Die wollen nicht das Geld spenden. Das können sie woanders tun.

Harbig: In unserem Unternehmen versuchen wir das Thema Nachhaltigkeit natürlich soweit möglich umzusetzen. So versuchen wir die Reisezeit um das Möglichste zu reduzieren und zum Beispiel Video-Calls verstärkt einsetzen. Aber was den Vertrieb betrifft: Ich kann die Vertriebspartner, die uns konkret zum Thema ESG befragt haben, an einer Hand abzählen.

Auel: Viele unserer Vertriebspartner nutzen Walnut Live, wo sie intuitiv durch die Abfrage geführt werden. Da gibt es überhaupt keine Probleme und die meisten Kunden geben bis dato auch an, dass Nachhaltigkeit nicht das allerwichtigste Thema ist. Unsere Beobachtung ist, dass Themen wie Inflation, unvorhersehbare Kosten für Heizung und die verschiedenen Konflikte und Krisen derzeit bei vielen Menschen mehr Raum einnehmen als Nachhaltigkeit.

Müssen Sie nicht auch kontrollieren, wie der Vertrieb in Sachen ESG agiert? Oder ist das allein die Verantwortung des Vertriebs?

Mückenheim: Bei unserem letzten Nahversorgungsfonds haben wir beispielsweise ein Faktenblatt zur Verfügung gestellt, das den Vertrieb dahingehend unterstützen sollte, in Kundengesprächen zu ESG-Fragen aussagefähig zu sein. Weiter geht die Verantwortung nach unserem Verständnis nicht.

Beratungsprotokolle bekommen Sie auch nicht?

Klein: Gott bewahre, bloß nicht.

Harbig: Wir wollen nicht noch mehr kontrollieren.

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Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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